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  BFH-Urteil vom 25.11.1993 (IV R 66/93) BStBl. 1994 II S. 623

Nimmt ein Hoferbe ein Darlehen auf, um damit die höferechtlichen Abfindungsansprüche der weichenden Erben zu tilgen, sind die gezahlten Darlehenszinsen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig (Anschluß an das BFH-Urteil vom 2. März 1993 VIII R 47/90, BFHE 170, 566, BStBl II 1994, 619).

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, § 13; HöfeO § 4, § 12.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist Landwirt. Nach dem Tode seines Vaters wurde er lt. Hoffolgezeugnis Hoferbe des im Grundbuch von H eingetragenen landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Die Hofnachfolge beruhte auf dem gemeinschaftlichen Testament seiner Eltern. Danach war der Kläger verpflichtet, an seine beiden Brüder je 50.000 DM als Abfindung zu zahlen. Die Abfindungssumme finanzierte er mit einem Darlehen. Er behandelte das Darlehen als Betriebsschuld und die Zinszahlungen als Betriebsausgaben.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, das Darlehen stelle eine Privatschuld dar, und ließ für die Wirtschaftsjahre 1980/81 bis 1983/84 die gezahlten Zinsen nicht mehr zum Abzug als Betriebsausgaben zu. Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage machten die Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juli 1985 IX R 45/83 (BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722) geltend, die gezahlten Zinsen seien Betriebsausgaben. Zwar finde im Fall der Hofnachfolge nach der Höfeordnung (HöfeO) keine Erbauseinandersetzung statt, weil der Hof unmittelbar auf den zum Hoferben Bestimmten übergehe. Dieser sei aber verpflichtet, die nach den allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften in Betracht kommenden Miterben abzufinden. Wirtschaftlich unterscheide sich das nicht von einer Erbauseinandersetzung. Die Kreditaufnahme durch den Hoferben zur Abfindung weichender Erben sei eine notwendige Maßnahme, um in den Genuß der Erträge des ganzen Hofes zu kommen. Sie sei eine Sekundärfolge des Erbfalles und stehe mit den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in einem wirtschaftlichen Zusammenhang. Es komme daher nicht darauf an, ob die Abfindungszahlungen auch zu Anschaffungskosten des übernehmenden Erben führten.

Dem hielt das FA entgegen, nach der BFH-Entscheidung vom 26. März 1987 IV R 20/84 (BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561) seien Abfindungszahlungen an die weichenden Erben Lebenshaltungskosten.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, ebenso wie Zinsen für ein Darlehen zur Ablösung eines Pflichtteilsanspruchs (vgl. BFH-Urteil vom 2. April 1987 IV R 92/85, BFHE 149, 567, BStBl II 1987, 621) seien im Streitfall die Zinsen Betriebsausgaben. Nach der bisherigen Rechtsprechung könne der Pflichtteilsanspruch als Einlage für eine stille Gesellschaft benutzt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 138/79, BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380). Daß der Abschluß des Gesellschaftsvertrages auf eine dem Privatbereich zuzurechnende Pflichtteilsverbindlichkeit zurückginge, sei unerheblich. Wesentlich sei der Zusammenhang mit den künftigen Einkünften. Zwar begründeten Erbfallschulden und damit auch die Abfindungsschulden nach der HöfeO keine Anschaffungskosten des Erben; sie seien aber, soweit sie auf Betriebsvermögen entfielen, "geborene" Betriebsschulden, die erfolgsneutral einzubuchen seien. Die Erbfallschuld belaste danach das mit dem Erbfall übergegangene Betriebsvermögen bereits als betriebliche Verbindlichkeit. Obwohl sie wie der Pflichtteilsanspruch auf dem in der Privatsphäre liegenden Erbfall beruhe, habe aber darin auch der Übergang des Betriebes seine Ursache. Der Betrieb könne nur mit dieser Belastung erlangt werden.

Mit der zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) geltend.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die vom Kläger gezahlten Zinsen stellen keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) dar; sie sind vielmehr dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen.

1. Bereits durch das Urteil in BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561 hat der erkennende Senat entschieden, daß nach der HöfeO ein Hof im Wege der Sondernachfolge auf den Hoferben übergeht und die weichenden Erben hinsichtlich des Hofeswerts schuldrechtliche Ansprüche gegen den Hoferben haben, die als auf dem Gesetz beruhende Vermächtnisse anzusehen sind. Danach liegt die Abfindung der den weichenden Erben nach §§ 12 f. HöfeO zustehenden Ausgleichsansprüche auf privatem Gebiet. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Doch war damals nicht über die Frage der Abzugsfähigkeit von Finanzierungskosten der Abfindungen zu befinden.

Inzwischen hat der BFH jedoch entschieden, daß bei Verwendung von Darlehensmitteln zur Finanzierung privater Ausgaben die entstehenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben sind (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, und Senatsurteil vom 21. Februar 1991 IV R 46/86, BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514). Daraus folgt, daß auch Zinsen im Zusammenhang mit der Finanzierung der Tilgung von Abfindungen nach der HöfeO nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sein können.

2. Der BFH hat nach Ergehen des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 bereits mehrfach ausgeführt, daß Belastungen eines Nachlasses mit Vermächtnis-, Pflichtteils- und Erbersatzansprüchen nicht zu Anschaffungskosten für die Wirtschaftsgüter des Nachlasses führen (BFH-Urteile vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392; vom 14. April 1992 VIII R 6/87, BFHE 169, 511, BStBl II 1993, 275). Davon ist auch der Große Senat des BFH im Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) ausgegangen. Im Anschluß daran hat der VIII. Senat durch Urteil vom 2. März 1993 VIII R 47/90 (BFHE 170, 566, BStBl II 1994, 619) entschieden, daß die Erfüllung einer Pflichtteilsverbindlichkeit nicht mit einer Ausgleichszahlung unter Miterben im Falle einer entgeltlichen Erbauseinandersetzung verglichen werden könne. Der Veranlassungszusammenhang mit dem privaten Vorgang des Erbens werde auch nicht unterbrochen, wenn der Erbe mit dem Pflichtteilsberechtigten die verzinsliche Stundung der Pflichtteilsverbindlichkeit vereinbare. Wie der VIII. Senat weiter ausgeführt hat, kann die betriebliche Veranlassung nicht daraus hergeleitet werden, daß die private Schuld auf den Übergang eines Betriebes zurückgeht oder das zu ihrer Tilgung aufgenommene Darlehen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit künftigen Einkünften steht. Denn die Schuld oder das zu ihrer Tilgung aufgenommene Darlehen falle in die Privatsphäre des Erben, mit der Folge, daß diese private Veranlassung auch auf die Sekundärfolgen und den wirtschaftlichen Zusammenhang mit den künftigen Einkünften aus dem ererbten Betrieb durchschlage (BFH-Urteil in BFHE 170, 566, BStBl II 1994, 619). Der erkennende Senat hat dem auf vorherige Anfrage des VIII. Senats zugestimmt. Soweit der erkennende Senat früher in den vom FG angegebenen Entscheidungen in BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380, und in BFHE 149, 567, BStBl II 1987, 621 die Auffassung vertreten hatte, die Finanzierung einer Erbfallschuld sei betrieblich veranlaßt (ebenso BFH-Urteil vom 28. April 1989 III R 4/87, BFHE 156, 497, BStBl II 1989, 618, und Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 11. Januar 1993, BStBl I 1993, 62, Tz. 89 und 70), ist diese Meinung durch die Beschlüsse des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, und in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837 überholt und vom erkennenden Senat aufgegeben worden (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1993, a. a. O., unter 1 d). Überholt ist damit auch die Auffassung im BMF-Schreiben in BStBl I 1993, 62. Eine erfolgsneutrale Einbuchung der privat veranlaßten Erbfallschuld ist nicht zulässig.

3. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß die nicht zur Hofnachfolge Berufenen hinsichtlich des übrigen Nachlasses gemeinsam mit dem Hoferben Miterben sind (vgl. § 4 Satz 2 und § 12 Abs. 1 HöfeO). Da hinsichtlich des Hofes, also des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens, nur der Hofnachfolger zur Erbfolge berufen ist, gelangt der Hof nicht in das Eigentum der Erbengemeinschaft. Vielmehr fällt der Hof als Teil der Erbschaft nur einem der Erben (dem Hoferben) zu (§ 4 Satz 1 HöfeO), so daß der Hoferbe das Eigentum unmittelbar vom Erblasser erwirbt (Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht, 5. Aufl., 1988, § 4 HöfeO, Rdnr. 7). Es ist darum gerechtfertigt, von einer höferechtlichen Nachlaßspaltung zu sprechen, weil die übrigen Erben an Stelle eines Anteils am Hof gemäß § 12 Abs. 1 und 2 HöfeO nur einen am Einheitswert orientierten Abfindungsanspruch erhalten, der ebenfalls nicht in das Vermögen der Erbengemeinschaft fällt. Steuerrechtlich hat das zur Folge, daß der übernehmende Erbe die Buchwerte nach § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) für den ererbten Hof fortzuführen hat, während die übrigen Erben nicht Mitunternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes werden. Da der Hofeswert auch nicht als Vorabempfang in die Erbauseinandersetzung eingeht, ist die Rechtslage lt. HöfeO nur bedingt mit dem Fall vergleichbar, daß ein Gesellschaftsanteil wegen einer sog. qualifizierten Nachfolge im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar und in vollem Umfang auf den Begünstigten übergeht. Der VIII. Senat hat dazu ausgeführt, daß die nicht begünstigten Erben oder die Erbengemeinschaft nicht Mitunternehmer werden, während der übernehmende Erbe die Buchwerte fortzuführen hat (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512, unter 2. b). Im Unterschied zu dieser sog. qualifizierten Nachfolgeklausel ist jedoch im Streitfall - wie bereits ausgeführt - ausschlaggebend, daß die übrigen Erben hinsichtlich des Hofes einen isolierten, vermächtnisähnlichen schuldrechtlichen Abfindungsanspruch erhalten (§ 12 Abs. 1 HöfeO; Beschluß des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 7. Oktober 1958 V BLw 27/58, BGHZ 28, 194; Wöhrmann/Stöcker, a. a. O., § 4 HöfeO, Rdnr. 16). Das bedeutet, daß die gesetzlich geregelte Abfindung der Nicht-Hoferben entgegen der Auffassung der Vorentscheidung nicht mit dem Vorgang einer entgeltlichen Erbauseinandersetzung gleichgesetzt werden kann. Vielmehr ist der Abfindungsanspruch nach § 12 HöfeO der weichenden Erben mit der Pflichtteils-, Vermächtnis-, Erbersatz- oder Zugewinnausgleichsschuld vergleichbar (vgl. Senatsurteil in BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392, unter III. 1.).

Es trifft auch nicht zu, daß dem vom Kläger übernommenen Betrieb durch die Darlehensaufnahme zusätzliche Mittel zugeführt worden wären; sie dienten vielmehr allein der Finanzierung der durch die Abfindungen veranlaßten Abflüsse.