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  BFH-Urteil vom 5.5.1994 (VI R 100/93) BStBl. 1994 II S. 643

Verwendet ein Arbeitnehmer einen geleasten PKW für berufliche Zwecke und macht er dafür die tatsächlichen Kosten geltend, so gehört eine bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung in Höhe der anteiligen beruflichen Nutzung des PKW zu den sofort abziehbaren Werbungskosten; es handelt sich bei ihr nicht um Anschaffungskosten des obligatorischen Nutzungsrechts an dem PKW, die nur in Form von Absetzungen für Abnutzung als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1994, 242)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1986 im Außendienst tätig. Er benutzte für seine beruflichen Fahrten einen PKW, über den er einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten abgeschlossen hatte. Neben den laufenden monatlichen Leasingraten hatte der Kläger bei Leasingbeginn im Dezember 1986 eine Sonderzahlung von 10.000 DM zu erbringen. Der Listenpreis des PKW betrug ca. 35.000 DM.

Der Kläger machte bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Streitjahres die tatsächlichen Kraftfahrzeugkosten in Höhe des beruflichen Nutzungsanteils abzüglich einer Arbeitgebererstattung als Werbungskosten geltend. Er behandelte die geleistete Sonderzahlung von 10.000 DM in Höhe des beruflichen Nutzungsanteils als sofort abziehbaren Aufwand.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging demgegenüber davon aus, die Sonderzahlung sei für den Erwerb eines Nutzungsrechts des Klägers an dem geleasten Fahrzeug erbracht worden und stelle mithin Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts "Nutzungsrecht" dar; sie könne nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur zeitanteilig als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Im Einspruchsverfahren verständigten sich der Kläger und das FA darauf, daß der Anteil der beruflichen Nutzung des geleasten Fahrzeugs 60 v. H. betragen habe. Im übrigen hielt das FA an seiner Auffassung fest, die Sonderzahlung gehöre zu den Anschaffungskosten des obligatorischen Nutzungsrechts an dem PKW.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, soweit die Kläger die sofortige Abziehbarkeit der Sonderzahlung begehrt hatten. Es vertrat die Auffassung, die einmalige Sonderzahlung sei ebenso wie Pachtvorauszahlungen als Entgelt für die Nutzungsüberlassung und nicht als Anschaffungskosten für ein Nutzungsrecht zu beurteilen. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 242 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner Revision die fehlerhafte Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 EStG. Es meint, die Sonderzahlung von 10.000 DM habe entgegen der Auffassung des FG ein Entgelt für die Begründung des Vertragsverhältnisses, für die Einräumung des Nutzungsrechtes selbst dargestellt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, die Leasingsonderzahlung gehöre in Höhe der anteiligen beruflichen Nutzung des PKW von unstreitig 60 v. H. zu den sofort abziehbaren Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG), und es handele sich bei ihr nicht um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts, die nur in Form von Absetzungen von Abnutzung (AfA) als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1 EStG).

1. Die Vorentscheidung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit sie davon ausgeht, der Kläger sei durch den Abschluß des Leasingvertrages und die Übergabe des PKW weder zivilrechtlicher (§ 929 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, § 39 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) noch wirtschaftlicher (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) Eigentümer des Fahrzeugs geworden. Das FG hat seine Auffassung rechtsfehlerfrei darauf gestützt, daß der Kläger nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von 24 Monaten weder ein Recht auf Verlängerung des Leasingverhältnisses noch ein Kaufoptionsrecht erworben hatte, und daß der nach Vertragsende vom Kläger für den PKW gezahlte Kaufpreis von 13.800 DM nicht so niedrig war, daß er als eine Art von "Anerkennungsgebühr" für den zivilrechtlichen Eigentumsübergang gewertet werden könnte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1989 IV R 97/86, BFH/NV 1991, 432). Auch das FA hat mit der Revision keine Einwände gegen die Richtigkeit der Auffassung des FG erhoben, im Streitfall sei der Leasinggeber Eigentümer des geleasten PKW geblieben, und es handele sich mithin bei der Sonderzahlung von 10.000 DM nicht um Anschaffungskosten des Klägers für den Eigentumserwerb an dem PKW.

2. Dem FG ist auch darin zu folgen, daß es sich bei der Leasingsonderzahlung nicht um die Anschaffungskosten eines obligatorischen Nutzungsrechts des Klägers an dem PKW handelt, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1 EStG ebenfalls nur in Form von AfA als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Zwar hat der Kläger durch den Abschluß des Leasingvertrages mit einer vereinbarten Laufzeit von 24 Monaten ein obligatorisches Nutzungsrecht erworben. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 27. Juni 1978 VIII R 12/72, BFHE 125, 528, BStBl II 1979, 38; vom 11. Oktober 1983 VIII R 61/81, BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267) unterliegen auch entgeltlich erworbene Mietrechte und vergleichbare Nutzungsrechte einem durch AfA zu berücksichtigenden Wertverzehr. Als Anschaffungskosten des Nutzungsrechts, die in Form von AfA als Werbungskosten berücksichtigt werden können, kommen nach dem Urteil in BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267, 269 jedoch nur einmalige Aufwendungen in Betracht, die im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß anfallen oder die als Entgelt für das Zustandekommen des Vertrags geleistet werden; nicht zu den Anschaffungskosten für den Erwerb eines Nutzungsrechts gehören dagegen Pachtvorauszahlungen oder Einmalzahlungen. Diese können vielmehr gemäß § 11 Abs. 2 EStG sofort abgezogen werden.

a) Das FG hat zu Recht angenommen, die im Streitfall geleistete Leasingsonderzahlung sei weder im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß angefallen noch für das Zustandekommen des Vertrags geleistet worden; sie stelle vielmehr ebenso wie die laufende monatliche Leasingrate eine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung des PKW dar. Die Auffassung des FG liegt schon deshalb nahe, weil Sonderzahlung und monatliche Raten - anders als die weiteren vom Kläger zu erbringenden Leistungen wie Fracht- und Zulassungskosten - in demselben Abschnitt des Leasingvertrages (Buchstabe G) geregelt sind. Gegen die Annahme, es handele sich bei der Sonderzahlung um ein als Anschaffungskosten des Nutzungsrechts zu qualifizierendes Einstandsgeld (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 7 Anm. 3 b) oder um eine Abstandszahlung, um den Leasingvertrag abschließen zu können (vgl. dazu Blümich/Brandis, § 7 EStG Rz. 151), spricht der Umstand, daß der vom Kläger geleaste PKW ein marktgängiges Fahrzeug war. Es gibt keinen einleuchtenden Grund dafür, allein für den Abschluß eines Leasingvertrages über einen PKW mit einem Listenpreis von ca. 35.000 DM einen Betrag von 10.000 DM aufzuwenden. Das FG hat zutreffend dargelegt, auch die "Allgemeine Bedingungen für das Kraftfahrzeugleasing" (AGB), die dem Leasingvertrag zugrunde liegen, ließen keine Gesichtspunkte dafür erkennen, daß die Sonderzahlung in sachlichem Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß angefallen oder als Entgelt für das Zustandekommen des Vertrages geleistet worden sei. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist die Sonderzahlung deshalb als ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt zu beurteilen.

Daran ändert auch § XI Nr. 5 der dem Leasingvertrag zugrunde liegenden AGB nichts, wonach selbst dann, wenn der Leasingvertrag vorzeitig aus Gründen beendet wird, die der Leasinggeber zu vertreten hat, eine anteilige Rückzahlung der Sonderzahlung nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Ungeachtet dessen, ob in diesem Fall ein anteiliger Rückzahlungsanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung besteht, kann insoweit nichts anderes gelten als bei einem sog. "verlorenen Baukostenzuschuß". Ein solcher ist bei Mietverträgen mit vereinbarter Mindestlaufzeit nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 19. Mai 1988 V R 102/83, BFHE 154, 166, BStBl II 1988, 848) regelmäßig als vorausgezahltes Entgelt für die Vermietungsleistung zu beurteilen, obwohl bei vorzeitiger Vertragsbeendigung eine teilweise Rückzahlung des Baukostenzuschusses nicht vorgesehen ist.

b) Dem FG ist auch darin beizupflichten, daß das aufgrund des Leasingvertrages vorausgezahlte Nutzungsentgelt in Form der Sonderzahlung steuerlich ebenso zu behandeln ist wie eine Miet- oder Pachtvorauszahlung und daher gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Zahlung als Werbungskosten abgezogen werden kann. Es besteht kein sachlich einleuchtender Grund dafür, das vorausgezahlte Nutzungsentgelt im Falle eines Leasingvertrages steuerlich anders zu behandeln als im Falle eines Mietvertrages. Auch der I. Senat des BFH hat mit dem nicht veröffentlichten Urteil I R 38/81 vom 23. Mai 1984 im Falle eines bilanzierenden Unternehmers entschieden, daß eine aufgrund eines Leasingvertrages als Entgelt für die künftige Gebrauchsüberlassung zu erbringende einmalige Sonderzahlung ebenso wie eine Mietvorauszahlung zur Aktivierung der Zahlung als Rechnungsabgrenzungsposten gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1972 führt. Er hat die Sonderzahlung aufgrund des Leasingvertrags mithin nicht als Anschaffungskosten des erworbenen Nutzungsrechts behandelt.

Soweit bei einer Qualifikation der Sonderzahlung als vorausgezahltes Nutzungsentgelt teilweise auch Kreditkosten (Zinsen) im voraus gezahlt werden, weil durch das einheitliche Nutzungsentgelt auch Finanzierungskosten abgegolten werden, kann dies entgegen der Auffassung des FA der sofortigen Abziehbarkeit gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht entgegenstehen. Denn auch im voraus zu zahlende Zinsen sind bei einem Finanzierungsdarlehen regelmäßig gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG in dem Zeitpunkt abgeflossen und damit als Werbungskosten abziehbar, in dem das um das Damnum gekürzte Darlehenskapital dem Darlehensnehmer zufließt (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144). Das Damnum ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sogar vor der Auszahlung des Darlehens abziehbar, wenn es tatsächlich vorher bezahlt wird, es sei denn, daß die Vorausleistung des Damnums von keinen sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen wird (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1987 IX R 85/85, BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492).

Im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Vereinbarung einer bei Leasingbeginn zu erbringenden Sonderzahlung rechtsmißbräuchlich i. S. des § 42 AO 1977 gewesen ist. Bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlungen können von sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteil vom 5. November 1991 VI ZR 145/91, BGHZ 116, 22, 28) liegt die wirtschaftliche Bedeutung des Leasinggeschäfts für den Leasingnehmer darin, daß der Leasinggeber ihm die Nutzung des Leasingobjekts vorfinanziert und der Leasingnehmer ihm dafür den Finanzierungsaufwand einschließlich eines Gewinnes in der Gestalt von Mietsonderzahlungen, Leasingraten und eines am Restwert ausgerichteten Ausgleichs zurückzahlt. Durch die bei Leasingbeginn zu erbringende Sonderzahlung soll erkennbar sowohl das Kreditrisiko des Leasinggebers als auch die Kreditverbindlichkeit des Leasingnehmers reduziert werden (vgl. Godefroid in Betriebs-Berater - BB - Beilage 1993, Nr. 8, S. 15, 18). Die Sonderzahlung wirkt sich damit günstig auf die Höhe des insgesamt vom Leasingnehmer zu zahlenden Nutzungsentgelts aus.

Da im Streitfall über den Umfang der beruflichen Nutzung des PKW zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht, ist auch nicht davon auszugehen, daß der Kläger die im Monat Dezember geleistete Sonderzahlung in einen Zeitraum mit vorübergehend außergewöhnlich hoher beruflicher Nutzung des PKW verlagert hat.

c) Die Auffassung, Leasingsonderzahlungen seien regelmäßig gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sofort abziehbare Werbungskosten und nicht Anschaffungskosten des obligatorischen Nutzungsrechts, steht auch im Einklang mit der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung. Danach handelt es sich bei Leasingsonderzahlungen bei wirtschaftlicher Betrachtung um Mietvorauszahlungen (vgl. Bordewin, Leasing im Steuerrecht, 3. Aufl., 1989, S. 91; Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4 - 5, Rz. 178 p; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 5 EStG, Rz. 1173; Neufang, StBp 1993, 160; anders bei laufzeitunabhängigen Leistungen: Bauer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 5 Anm. F 353).