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  BFH-Urteil vom 18.5.1994 (I R 21/93) BStBl. 1994 II S. 697

Örtlich zuständig für den Erlaß eines Nachforderungsbescheids gemäß § 73 g Abs. 1 EStDV gegen den Vergütungsgläubiger (Steuerschuldner) ist das für die Besteuerung des Vergütungsschuldners nach dem Einkommen zuständige FA (§ 73 e Satz 1 EStDV).

EStDV §§ 73 e, 73 g Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnte in den Streitjahren 1980 bis 1984 im Ausland. Er arbeitete dort als Berufsfußballspieler. Daneben nahm er als Auswahlspieler an Spielen und Trainingslagern der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und im Ausland teil. Für die Teilnahme an diesen Veranstaltungen erhielt der Kläger vom Deutschen Fußballbund (DFB) jeweils eine Tagesentschädigung von 100 DM und zusätzlich Weltmeisterschafts- und Europameisterschaftsprämien. Außerdem verteilte der DFB im Jahr 1982 Pauschalhonorare für Interviews gleichmäßig unter den Spielern.

Insgesamt zahlte der DFB in den Streitjahren 1980 bis 1984 folgende Beträge ohne Steuerabzug an den Kläger:

 

1980

2.400,00 DM

Tagesentschädigungen

1981

2.100,00 DM

Tagesentschädigungen

1982

6.500,00 DM

Tagesentschädigungen

 

1.363,63 DM

anteilige Interviewhonorare

 

18.000,00 DM

Weltmeisterschaftsprämie

1983

1.200,00 DM

Tagesentschädigungen

1984

9.000,00 DM

Europameisterschaftsprämie.

In den Steuerbescheiden vom 23. Mai 1986 qualifizierte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sämtliche Zahlungen als inländische Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes 1980/1983 (EStG) und forderte Einkommensteuer gemäß § 50 a Abs. 4 EStG in Höhe von 6.084,54 DM (= 15 v. H. des Gesamtbetrages in Höhe von 40.563,63 DM) vom Kläger.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger gegen diese Steuerbescheide Klage. Während des Klageverfahrens erließ das FA am 5. November 1988 für die Bezüge 1982 einen Änderungsbescheid, in dem die Bemessungsgrundlage um die anteiligen Honorareinnahmen in Höhe von 1.363,63 DM gekürzt wurde. Dadurch verminderte sich die für 1982 festgesetzte Steuer um 204,54 DM. Insoweit haben beide Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt.

2. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Der Kläger habe beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

3. Der Kläger rügt mit seiner Revision Verletzung der §§ 49 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG. Er habe eine selbständige gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, für die er in der Bundesrepublik weder eine Betriebsstätte unterhalten noch einen ständigen Vertreter eingesetzt habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG und die Steuerbescheide über Abzugssteuer 1980 bis 1984 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger habe für den DFB eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt. Soweit er im Ausland gespielt habe, sei seine Tätigkeit im Inland verwertet worden (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative EStG).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der gegen den Kläger ergangenen Steuerbescheide 1980 bis 1984 in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Steuerbescheide sind rechtswidrig, weil sie unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit ergingen und nicht feststeht, daß keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 127 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

a) Das beklagte FA war für die Entscheidung über den Erlaß des angefochtenen Bescheids örtlich nicht zuständig.

Die Bescheide sind sog. Nachforderungsbescheide, mit denen die an sich vom Vergütungsschuldner abzuführende Abzugssteuer (§ 50 a Abs. 4 EStG) gemäß § 73 g Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) vom Vergütungsgläubiger nachgefordert wurde. Für derartige Bescheide ist das für die Besteuerung des Vergütungsschuldners vom Einkommen zuständige FA (§§ 73 e Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 73 g EStDV) örtlich zuständig. Vergütungsschuldner war im Streitfall der DFB, der seine Geschäftsleitung nicht im Bezirk des FA hatte (§ 73 e EStDV i. V. m. § 20 Abs. 1 AO 1977).

§ 73 e EStDV regelt zwar ausdrücklich nur die örtliche Zuständigkeit für die Abführung der Abzugssteuer. Die Zuständigkeitsregelung des § 73 e EStDV gilt jedoch auch für den Erlaß von Haftungs- oder Nachforderungsbescheiden gemäß § 73 g EStDV. Das ergibt sich aus dem inhaltlichen Zusammenhang der §§ 73 a bis g EStDV und aus dem Umstand, daß Haftungsbescheid oder Nachforderungsbescheid gemäß § 73 g Abs. 1 EStDV durch "das Finanzamt" zu erlassen sind, ohne daß die Vorschrift eine von § 73 e EStDV abweichende Zuständigkeitsregelung enthielte. Die Regelung ist auch sinnvoll, weil die Ermessensentscheidung über die Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners oder des Vergütungsgläubigers nur von einem FA getroffen werden kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Juni 1990 I R 157/87, BFHE 161, 117, BStBl II 1992, 43, zur Zuständigkeit für vergleichbare Lohnsteuernachforderungsbescheide; Giloy, Betriebs-Berater 1978, 549). Da die Einkommensteuer des Klägers für die Vergütungen durch die Abzugssteuer abgegolten ist, kann es nicht zu widersprüchlichen Entscheidungen zwischen dem für den Nachforderungsbescheid zuständigen FA und dem für die Besteuerung vom Einkommen des Vergütungsgläubigers gemäß § 19 AO 1977 zuständigen FA kommen. Die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 5 EStG besteht auch beim Erlaß eines Nachforderungsbescheids, da die Nachforderung dem Steuerabzug gleichsteht (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1978 I R 97/76, BFHE 125, 375, BStBl II 1978, 628; Blümich/Krabbe, Einkommensteuergesetz, § 50 a Rz. 68).

b) Es steht nicht fest, daß von dem örtlich zuständigen FA keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

Ist ein Verwaltungsakt unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit ergangen, so kann seine Aufhebung allein wegen dieses Mangels nur beansprucht werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 127 AO 1977). Im Streitfall lag eine Ermessensentscheidung vor, da das FA ein Auswahlermessen zwischen der Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners und des Steuerschuldners ausüben mußte (§ 73 g Abs. 1 EStDV). Bei Ermessensentscheidungen ist grundsätzlich nicht anzunehmen, daß keine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (BFH in BFHE 161, 117, BStBl II 1992, 43, m. w. N.). Das Ermessen war im Streitfall auch nicht in dem Sinne eingeengt, daß nur der Kläger in Anspruch genommen werden konnte. Eine Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners ist insbesondere dann zulässig, wenn der Vergütungsgläubiger seinen Wohnsitz im Ausland hat (vgl. BFH in BFHE 161, 117, BStBl II 1992, 43).

c) Für eine evtl. Inanspruchnahme des Klägers durch das zuständige FA weist der Senat ohne Bindungswirkung darauf hin, daß nach innerstaatlichem Recht eine Besteuerung nur bestehen dürfte, wenn der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG erzielte. Bezog er gewerbliche Einkünfte, käme eine Besteuerung nach deutschem Steuerrecht nur in Betracht, wenn der Kläger eine inländische Betriebsstätte unterhielt oder einen ständigen Vertreter bestellt hatte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Sollten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen, dürften Vergütungen für eine im Wohnsitzstaat des Klägers oder in Drittländern ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit in der Bundesrepublik gemäß Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Wohnsitzstaat des Klägers zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen steuerbefreit sein.