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  BFH-Urteil vom 30.3.1994 (I R 123/93) BStBl. 1994 II S. 810

Der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 7 GewStG steht nicht entgegen, daß die Miet- oder Pachtzinsen für eine nur kurzfristige Benutzung der in der Vorschrift genannten Wirtschaftsgüter zu entrichten sind.

GewStG 1984 § 8 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1993, 732)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH - veranstaltete in den Erhebungszeiträumen 1986 bis 1988 (Streitjahre) Konzerte. Für diese mietete sie von verschiedenen Kommunen Säle und Stadien. Aufgrund der Mietverträge benutzte die Klägerin die Säle und Stadien einschließlich der für Konzertveranstaltungen benötigten Anlagen und Vorrichtungen (insbesondere die Bestuhlung und die Beschallungsanlagen) jeweils für einen Tag oder mehrere Tage. Die Mietzinsen zog sie bei der Ermittlung ihrer Gewinne als Betriebsausgaben ab. Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nahm sie bei der Ermittlung der Gewerbeerträge der Streitjahre nicht vor.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Ansicht, der Teil der Mietzinsen, den die Klägerin für die Benutzung der nicht zum Grundbesitz gehörenden Anlagen und Vorrichtungen gezahlt hatte, sei bei der Ermittlung der Gewerbeerträge den Gewinnen zur Hälfte wieder hinzuzurechnen. Das FA erließ geänderte Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre, denen diese Rechtsansicht zugrunde liegt. Die Einsprüche und die Klage gegen die Änderungsbescheide waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 732 veröffentlicht.

Die Revision wird sinngemäß auf Verletzung des § 8 Nr. 7 GewStG gestützt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der erkennende Senat teilt zwar die Auffassung des FG, daß die nur kurze Dauer der Mietverträge der Hinzurechnung der Mietzinsen nicht entgegensteht. Die Sache ist aber zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes an das FG zurückzuverweisen, da das FG keine tatsächlichen Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage getroffen hat, ob die Mietzinsen bei den Vermietern zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind bzw. hätten herangezogen werden müssen.

1. Nach § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags die Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb zur Hälfte wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Dazu hat das FG festgestellt, daß die Klägerin in den Streitjahren die Anlagen und Vorrichtungen (insbesondere die Bestuhlung und die Beschallungsanlagen), die sie für ihre Konzertveranstaltungen in den Sälen und Stadien benötigte, kurzzeitig gemietet und benutzt und die dafür gezahlten Mietzinsen bei der Ermittlung ihrer gewerblichen Gewinne als Betriebsausgaben abgezogen hat. Nach den Feststellungen des FG waren die Anlagen und Vorrichtungen nicht fest mit dem Grund und Boden verbunden und auch in anderen Gebäuden einsetzbar, die Säle und Stadien waren vielseitig nutzbar, nicht nur für Konzerte. Aus diesen tatsächlichen Feststellungen - an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist - folgt, daß die in § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG genannten Voraussetzungen für die Hinzurechnungen erfüllt sind.

a) Die von der Klägerin gemieteten Anlagen und Vorrichtungen waren Wirtschaftsgüter, die nicht zum Grundbesitz gehören. Sie waren weder gemäß § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wesentliche Bestandteile der Saal- und Stadiengebäude, noch waren sie gemäß §§ 97, 98 BGB deren Zubehör. Das ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Offenbleiben kann, ob sie als Betriebsvorrichtungen i. S. des § 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung zu beurteilen sind, die steuerrechtlich auch nicht zum Grundbesitz gehören (s. Senatsurteil vom 20. Juni 1990 I R 160/85, BFHE 161, 152, BStBl II 1990, 913, m. w. N.; zur Qualifizierung der Bestuhlung eines Kinos als Betriebsvorrichtung s. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Oktober 1966 II 2/64, BFHE 87, 15, BStBl III 1966, 686).

b) Die Anlagen und Vorrichtungen waren i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens.

Anlagevermögen sind die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Das sind die zum Gebrauch im Betrieb und nicht zum Verbrauch oder Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter (s. BFH-Urteil vom 11. April 1986 III R 128/80, BFHE 146, 327, BStBl II 1986, 551; Blümich/Ehmcke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., Stand September 1993, § 6 EStG Rz. 703 f.). Für die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre (s. Senatsurteil vom 29. November 1972 I R 178/70, BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148).

Die von der Klägerin gemieteten Anlagen und Vorrichtungen wären Teil ihres Anlagevermögens gewesen, wenn sie ihr gehört hätten. Sie wären zum Gebrauch in ihrem Betrieb und nicht zum Verbrauch oder zur Weiterveräußerung bestimmt gewesen, da die Klägerin derartige Wirtschaftsgüter ständig für die Konzertveranstaltungen benötigte. Der Zuordnung zum Anlagevermögen steht nicht entgegen, daß die Klägerin die betreffenden Wirtschaftsgüter auch dann möglicherweise nur wenige Tage im Jahr tatsächlich benutzt hätte, wenn sie ihr Eigentum gewesen wären. Entscheidend für die Zuordnung ist nicht die Dauer der tatsächlichen Benutzung, sondern die Tatsache, daß die Klägerin die Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb hätte vorhalten müssen.

c) Der Hinzurechnung der Mietzinsen steht nicht entgegen, daß die Mietverträge jeweils nur für wenige Tage oder gar nur einen Tag oder einige Stunden abgeschlossen und die Anlagen und Vorrichtungen von der Klägerin jeweils auch nur kurze Zeit benutzt wurden.

§ 8 Nr. 7 GewStG beschränkt im Gegensatz zu § 8 Nr. 1 letzter Halbsatz GewStG die Hinzurechnung nicht auf Sachverhalte, die wirtschaftlich zu einer Verstärkung des Betriebskapitals für längere Zeit führen. Der Zeitfaktor ist nur insoweit von Bedeutung, als die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG voraussetzt, daß die Miet- oder Pachtzinsen für die Benutzung von Wirtschaftsgütern gezahlt werden, die - wären sie Eigentum des Mieters oder Pächters - zu dessen Anlagevermögen und somit zu seinem dem Betrieb auf Dauer gewidmeten Betriebskapital gehören würden. Es entspricht dem Zweck des § 8 Nr. 7 GewStG, Miet- und Pachtzinsen für eine nur kurzzeitige Benutzung derartiger Wirtschaftsgüter nicht von der Hinzurechnung auszunehmen. Die Vorschrift dient dazu, die mit gemieteten oder gepachteten nicht zum Grundbesitz gehörenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens arbeitenden Gewerbebetriebe hinsichtlich der Gewerbesteuerbelastung den Betrieben gleichzustellen, die mit eigenem Anlagevermögen arbeiten (s. Begründung zum GewStG 1936, RStBl 1937, 693, 696; BFH-Urteil vom 27. November 1975 IV R 192/71, BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220). Diese Gleichstellung würde verfehlt, wenn Miet- und Pachtzinsen für die nur kurzzeitige Benutzung von nicht zum Grundbesitz gehörenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens von der Hinzurechnung ausgenommen würden.

Dem BFH-Urteil vom 31. Juli 1985 VIII R 261/81 (BFHE 145, 134, BStBl II 1986, 304) läßt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nichts Abweichendes entnehmen. Es betrifft die Frage, ob ein Kajebenutzungsvertrag als Mietvertrag und das sich nach der Umschlagmenge bemessende Benutzungsentgelt als Mietzins zu beurteilen war. Der BFH bejahte dies, da die Eigentümerin der Kaje verpflichtet war, die Kaje für die bestimmungsgemäße Benutzung herzurichten und zu unterhalten und während der vereinbarten Mietzeit ihrem Vertragspartner zum Gebrauch zu überlassen. Der Vertrag lief über mehrere Jahre. Eine kurzfristige Vermietung und Benutzung war nicht zu beurteilen.

Ob die kurzzeitige Anmietung der Anlagen und Vorrichtungen für die Klägerin besonders kostengünstig war - was das FG angenommen und die Klägerin im Revisionsverfahren bestritten hat -, ist entscheidungsunerheblich. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG setzt nicht voraus, daß die Miet- oder Pachtzinsen angemessen sind und der Abschluß des Miet- oder Pachtvertrages wirtschaftlich sinnvoll ist.

Sie setzt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht voraus, daß für die Benutzung der gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter ein laufendes Entgelt zu zahlen ist. Dem von der Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung zitierten Urteil in BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220 läßt sich eine solche Einschränkung der Hinzurechnung nicht entnehmen. Das Urteil betrifft die Frage, ob beim Bare-Boat-Charter neben den laufend zu entrichtenden Chartermieten auch die vom Charterer zu tragenden Reparaturaufwendungen und Kosten der Kaskoversicherung für das gecharterte Schiff zu den Miet- oder Pachtzinsen i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG gehören. Der BFH bejaht dies, soweit die Reparatur- und Versicherungskosten nicht nach den maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Zivilrechts ohnehin vom Charterer zu tragen sind. Dem Urteil läßt sich daher entnehmen, daß auch andere als laufende Zahlungen zu einer Hinzurechnung führen können. In Lenski/Steinberg (Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., 1957/1993, § 8 Nr. 7 Anm. 10) wird zwar ausgeführt, Voraussetzung für die Hinzurechnung sei, daß ein laufendes Entgelt für die Überlassung der Wirtschaftsgüter gezahlt werde. Diese Kommentierung betrifft aber erkennbar lediglich die Frage, ob auch ein Nießbrauch zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG führen kann.

2. Die Hinzurechnung ist nach § 8 Nr. 7 Satz 2 GewStG jedoch ausgeschlossen, soweit die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind und sie keine - was im Streitfall nicht in Betracht kommt - Miet- oder Pachtzinsen (bestimmter Höhe) für einen Betrieb oder Teilbetrieb sind. Ob die Zinsen beim Empfänger zur Steuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind, bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter tatsächlich zur Steuer nach dem Gewerbeertrag herangezogen wurden.

Die Beteiligten und das FG sind davon ausgegangen, daß die Kommunen, die Empfänger der Mietzinsen waren, mit ihren Einkünften aus der Vermietung der Anlagen und Vorrichtungen nicht der Gewerbesteuer unterlagen. Tatsächliche Feststellungen des FG hierzu fehlen aber. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit der Sachverhalt insoweit weiter aufgeklärt wird.

Das FG wird aufzuklären haben, ob die Vermietungstätigkeit der jeweiligen Kommune in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen eines stehenden Gewerbebetriebes (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG i. V. m. § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - und § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -) erfüllte oder nicht. Erfüllte sie die Voraussetzungen, war die Kommune nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG i. V. m. § 2 Abs. 1 GewStDV hinsichtlich der Vermietungstätigkeit gewerbesteuerpflichtig; die Mietzinsen waren bei ihr zur Steuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen.

Aufgrund des Vortrags der Klägerin im Revisionsverfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Qualifizierung der Vermietungstätigkeit als Betrieb gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) nicht ausreicht, um die Gewerbesteuerpflicht der Kommune zu bejahen. Ein Betrieb gewerblicher Art setzt im Gegensatz zum Gewerbebetrieb keine Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KStG).

3. Gelangt das FG wiederum zu dem Ergebnis, daß die Mietzinsen bei den Empfängern nicht zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen waren, sind die Mietzinsen dem Gewinn der Klägerin wieder hinzuzurechnen. Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, die Hinzurechnung verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland.

Der Gesetzgeber darf sich darauf beschränken, die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG grundsätzlich nur für den Fall auszuschließen, daß die Miet- und Pachtzinsen beim Empfänger der Gewerbeertragsteuer unterliegen. Der Ausschluß der Hinzurechnung dient dazu, die Doppelbelastung der Miet- und Pachtzinsen mit Gewerbesteuer zu verhindern (zum Ausschluß der Doppelbelastung in den Fällen der Betriebsverpachtung s. § 9 Nr. 4 GewStG). Er ist daher nur in den Fällen erforderlich, in denen die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter bzw. Verpächter Teil des Gewerbeertrages sind. Zudem ist davon auszugehen, daß die gewerbesteuerpflichtigen Vermieter bzw. Verpächter im allgemeinen ihre Gewerbesteuerbelastung bei der Kalkulation der Miet- bzw. Pachtzinsen berücksichtigen und deshalb einen entsprechend höheren Miet- bzw. Pachtzins fordern und erhalten (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 29. August 1974 1 BvR 67/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1974, 498). Dieser Wettbewerbsnachteil der gewerblichen Vermieter und Verpächter gegenüber den nicht gewerbesteuerpflichtigen Vermietern und Verpächtern wird durch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG ausgeglichen. Daß in Einzelfällen - wenn es die Marktlage gestattet - nicht gewerbesteuerpflichtige Vermieter oder Verpächter gleich hohe oder gar höhere Miet- oder Pachtzinsen als gewerbesteuerpflichtige Vermieter bzw. Verpächter fordern und erhalten, muß der Gesetzgeber bei einer allgemeinen Regelung nicht berücksichtigen.