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  BFH-Urteil vom 16.6.1994 (IV R 84/93) BStBl. 1994 II S. 932

Bewertet ein Landwirt beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen (§ 13 a EStG) zur Einnahme-Überschuß-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) sein Viehumlaufvermögen mit den tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten, muß er beim sich daran anschließenden Übergang zum Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) das vorhandene Viehumlaufvermögen ebenfalls mit den tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten ansetzen.

EStG § 4 Abs. 1 und 3, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, § 13, § 13 a.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger pachtete mit Vertrag vom 30. September 1980 von seinem Vater einen landwirtschaftlichen Betrieb (ca. 83,3 ha groß) zum 1. Oktober 1980. Für das am 30. Juni 1981 endende Rumpfwirtschaftsjahr 1980/1981 ermittelte er seinen Gewinn nach Durchschnittssätzen (§ 13 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wies den Kläger auf den Wegfall der Voraussetzungen des § 13 a EStG hin. Für das Wirtschaftsjahr 1981/1982 ging der Kläger zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG über und ermittelte dabei einen Übergangsverlust in Höhe von 122.115,47 DM. Das Viehumlaufvermögen setzte er mit den tatsächlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (88.340,60 DM) an. Für das Wirtschaftsjahr 1982/1983 ging der Kläger zum Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG über und ermittelte einen laufenden Gewinn in Höhe von 12.313,02 DM sowie einen Übergangsgewinn in Höhe von 81.059,75 DM. Das Viehumlaufvermögen bewertete er diesmal mit den Durchschnittswerten der Finanzverwaltung (insgesamt 59.240 DM). Den Ansatz mit Durchschnittswerten behielt er in den Folgejahren bei.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung setzte der Prüfer das Viehumlaufvermögen bei der Ermittlung des Übergangsverlustes für das Wirtschaftsjahr 1981/1982 nur mit den Durchschnittswerten (50.336 DM) an; entsprechend änderte sich der Übergangsverlust. Das FA folgte dem Prüfer. Da die Einkommensteuer 1981 und 1982 jeweils null DM betrug, wirkte sich die Minderung des Übergangsverlustes erst im hier angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1983 aus. Der Einspruch blieb im hier strittigen Punkt erfolglos.

Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie brachten vor, der Kläger habe entsprechend Abschn. 125 a Nr. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1981 beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zur Einnahme-Überschußrechnung das Viehumlaufvermögen mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gewinnmindernd abgesetzt. Auch beim anschließenden Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG sei er mit der Hinzurechnung der Durchschnittswerte entsprechend Abschn. 125 a Nr. 4 EStR 1981 verfahren. Erst mit den EStR 1984 sei dem Senatsurteil vom 3. Juni 1965 IV 180/61 U (BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579) folgend bestimmt worden, daß unter Anschaffungs- und Herstellungskosten in diesem Sinne nur die Durchschnittswerte zu verstehen seien. Dieses Urteil sei aber durch die Rechtsprechung (Senatsurteile vom 17. März 1988 IV R 82/87, BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770, und vom 14. April 1988 IV R 96/86, BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672) inzwischen dahin überholt, daß dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen Durchschnittswerten sowie Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eingeräumt werde. Davon habe er Gebrauch gemacht.

Dem hielt das FA entgegen, daß bereits in Abschn. 125 a EStR 1981 nur die Durchschnittswerte gemeint seien. Das durch die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eingeräumte Wahlrecht betreffe nicht den hier zu beurteilenden Fall, daß beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG zu der nach § 4 Abs. 1 EStG eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zwischengeschaltet sei. Im übrigen müsse der Kläger den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit gegen sich gelten lassen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Im Streitfall dürfe wegen des mehrfachen Wechsels der Gewinnermittlungsart nicht allein auf das laufende Steuerjahr abgestellt werden, sondern es müßten jeweils mehrere Jahre zusammen betrachtet werden, auch dürfe der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit nicht außer acht bleiben (Senatsurteil vom 28. Mai 1968 IV R 202/67, BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650). Er sei als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung nach Maßgabe der Grundsätze von Treu und Glauben zu beachten. Danach dürfe die Bewertungsmethode nicht ohne wirtschaftlichen Grund gewechselt werden.

Entscheidend sei, daß der Kläger sich zulässigerweise beim späteren Übergang zur maßgeblichen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG für den Ansatz mit den Durchschnittswerten entschieden habe. Diese Wahl müsse er gegen sich gelten lassen, weil beim Wechsel der Gewinnberechnungs-/Ermittlungsart alle davon betroffenen Jahre zusammen betrachtet werden müßten. Die tatsächliche Handhabung des Klägers sei daher mit dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit nicht vereinbar, weil die Wahl der unterschiedlichen Bewertungsmethoden keine wirtschaftlichen, sondern steuerliche Gründe erkennen lasse.

Mit der vom FG nachträglich wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision machen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht geltend.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer 1983 auf null DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger an die erst beim zweiten Wechsel der Gewinnermittlungsart gewählten und dann beibehaltenen Durchschnittswerte schon im vorausgegangenen ersten Wechsel der Gewinnermittlungsart, nämlich beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG zu der nach § 4 Abs. 3 EStG gebunden gewesen sei. Vielmehr verhält es sich umgekehrt: der Kläger blieb auch in der Folge an die zunächst gewählten tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten gebunden.

1. Wie vom BFH mehrfach hervorgehoben, liegt der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG ein verdeckter Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zugrunde. Dies hat zur Folge, daß beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG zur Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG dieselben Folgen eintreten wie beim Übergang vom Bestandsvergleich zu einer solchen Überschußrechnung. In diesem Fall würde der Verbrauch oder die Veräußerung von zuvor aktiviertem Umlaufvermögen nicht mehr zu einer Gewinnminderung in Höhe des aktivierten Betrages führen. Insoweit ist deshalb beim Übergang zur Überschußrechnung ein Abschlag vorzunehmen, wie er vorliegend auch vom Kläger in Anspruch genommen worden ist. Dieser Abschlag berechnet sich grundsätzlich nach den tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten, die allerdings für Viehbestände schwer zu ermitteln sind, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91 (BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284) näher ausgeführt hat. Die Finanzbehörde hat deshalb in Anlehnung an § 148 der Abgabenordnung (AO 1977) Durchschnittswerte entwickelt, die unter den tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten liegen und in den von der Finanzverwaltung vorgesehenen Fällen statt dieser Kosten angesetzt werden können. Der Steuerpflichtige kann aber zur Übernahme der Durchschnittswerte nicht gezwungen werden. Die abweichende Anweisung in Abschn. 125 a Nr. 2 EStR 1981 ist in Abschn. 125 a Nr. 4 EStR 1990 deswegen zu Recht zugunsten eines Wahlrechts aufgegeben worden.

2. Beim anschließenden Übergang von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG mußte hinsichtlich des Viehumlaufvermögens demgegenüber ein Zuschlag gemacht werden, weil dieses Vermögen in der Anfangsbilanz zu aktivieren war und sein Abgang zu entsprechenden Aufwendungen führte, obwohl die entsprechenden Ausgaben zuvor schon den Gewinn gemindert hatten. Auch hierfür sind grundsätzlich die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten maßgebend, die in der Anfangsbilanz auch zu aktivieren sind; soweit die Finanzverwaltung das Wahlrecht gewährt, können allerdings auch die ermittelten Durchschnittswerte angesetzt werden (BFH in BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284; vom 8. August 1991 IV R 56/90, BFHE 166, 120, BStBl II 1993, 272 m. w. N.).

Von der Gewährung eines solchen Wahlrechts kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Zwar war in Abschn. 125 Abs. 3 Satz 2 bzw. Abschn. 125 a Nr. 4 Satz 2 EStR 1981 vorgesehen, daß der Landwirt in seiner Eröffnungsbilanz die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder die niedrigeren Durchschnittswerte ansetzen könne und daß sich danach auch der Hinzurechnungsbetrag bestimme. Diese Anweisung stand jedoch unter dem Eindruck, daß der Landwirt beim früheren Übergang zur Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG die Durchschnittswerte anzusetzen habe. Dagegen konnte es nicht im Sinne der EStR liegen, daß der Landwirt den Abschlag aus der ersten Änderung der Gewinnermittlungsart nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, den Zuschlag aus der zweiten Änderung der Gewinnermittlungsart aber nach den geringeren Durchschnittswerten errechnen und dadurch einen nachhaltigen Steuervorteil erlangen könne. Hiervon konnte auch der Kläger nicht ausgehen. Da er sich beim Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für den Ansatz der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten entschieden hatte, mußte er so auch beim anschließenden Übergang zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG verfahren. Dementsprechend ist in Abschn. 125 a Nr. 4 EStR 1990 vorgesehen worden, daß beim anschließenden Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Tiere mit den Werten anzusetzen seien, mit denen sie beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG angesetzt worden sind. Hatte sich der Landwirt zunächst für den Ansatz der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten entschieden, soll ihm also beim erneuten Wechsel der Gewinnermittlungsart kein Wahlrecht auf den Ansatz der niedrigeren Durchschnittswerte zustehen. Etwas anderes kann auch für frühere Zeiträume nicht angenommen werden.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seiner Rechtsauffassung folgerichtig nicht festgestellt, wie hoch die laufenden Gewinne für die Wirtschaftsjahre 1980/1981, 1981/1982 sowie 1982/1983 waren. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben und die Sache an das FG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG wird dann ggf. auch der Frage nachgehen müssen, ob der Kläger für das Rumpfwirtschaftsjahr 1980/1981 den Gewinn nach Durchschnittssätzen ermitteln durfte.