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  BFH-Urteil vom 27.4.1994 (XI R 85/92) BStBl. 1995 II S. 30

1. Die unentgeltliche Übertragung des Miteigentums an einem Betriebsgrundstück durch einen Unternehmer auf seinen Ehegatten ist Eigenverbrauch des Unternehmers gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980, auch wenn das Grundstück weiterhin für die Zwecke des Unternehmens verwendet wird. Die Entnahme des Grundstücksanteils zum Eigenverbrauch ist nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei und führt ggf. zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 a Abs. 4 und 6 UStG 1980 (Anschluß an BFH-Urteil vom 2. Oktober 1987 V R 91/78, BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44).

2. Verwendet der Unternehmer das Grundstück aufgrund einer mit dem Ehegatten getroffenen Vereinbarung weiterhin für die Zwecke des Unternehmens, so liegt hinsichtlich des dem Unternehmer verbleibenden Miteigentumsanteils kein Entnahme- oder Verwendungseigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG 1980 vor. Anders verhält es sich, wenn dem Unternehmer der Gebrauch an dem Miteigentumsanteil von der Bruchteilsgemeinschaft eingeräumt wird (Abgrenzung zum BFH-Urteil in BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44).

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 9, § 15 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 und 6.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Steuerberater. Er errichtete in den Jahren 1984 und 1985 auf einem ihm gehörenden Grundstück ein Wohn- und Bürohaus. Die Büroräume, die Wohnräume im II. Ober- und im Dachgeschoß sowie den Keller nutzte er selbst; das I. Obergeschoß war privat vermietet. Nach Fertigstellung des Gebäudes übertrug er mit notariellem Vertrag vom 21. März 1985 im Wege der Schenkung 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf seine Ehefrau. Eine Gegenleistung war hiernach nicht zu erbringen. Die Ehefrau verpflichtete sich lediglich, die dingliche Haftung ihres Grundstücksanteils zu dulden.

Die in den Baukostenrechnungen enthaltenen Umsatzsteuerbeträge machte der Kläger in den Jahren 1984 und 1985 hinsichtlich der eigengenutzten Büroräume anteilig und im Einvernehmen mit dem Beklagten, Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) in Höhe von insgesamt ... DM als Vorsteuer geltend. Das FA vertrat allerdings die Auffassung, die Schenkung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück an die Ehefrau stelle einen steuerbaren, aber nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 steuerfreien Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980 dar. Hierdurch sei eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entstanden, die sich in der Regel und auch im Streitfall am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteilige und mithin ein neues Vermietungsunternehmen darstelle. Der Eigenverbrauch umfasse deshalb das gesamte Grundstück und ziehe in voller Höhe eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a Abs. 1, 4 und 6 i. V. m. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 nach sich. Dementsprechend wurde die Umsatzsteuer für das Streitjahr (1985) geändert festgesetzt.

Der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage des Klägers gab das Finanzgericht (FG) insoweit statt, als der Kläger - zur einen Hälfte - weiterhin Miteigentümer des Grundstücks geblieben sei. Zur anderen Hälfte, die er auf seine Ehefrau übertragen habe, habe er sich jedoch seines Eigentums begeben, so daß dieser Anteil aus dem Unternehmen ausgeschieden sei. In diesem Umfang lägen deshalb veränderte Verhältnisse vor.

Mit ihren Revisionen rügen das FA und der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt ebenfalls, das FG-Urteil aufzuheben, aber die Umsatzsteuer 1985 auf ... DM festzusetzen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet, die Revision des FA hingegen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat nicht geprüft, ob der Kläger den ihm verbliebenen Grundstücksteil aus eigenem Recht oder aber aus abgeleitetem Recht der zwischen ihm und seiner Ehefrau entstandenen Bruchteilsgemeinschaft weiternutzte. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um hierüber zu entscheiden.

1. Ändern sich bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von zehn Jahren nach dem Beginn der Verwendung, so ist nach § 15 a Abs. 1 UStG 1980 für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch vor, wenn das Grundstück vor Ablauf des vorgenannten Zeitraumes von zehn Jahren veräußert oder zum Eigenverbrauch entnommen wird und dieser Umsatz für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen ist als die Verwendung im ersten Kalenderjahr (§ 15 a Abs. 4 UStG 1980). Die Berichtigung ist dann so vorzunehmen, als wäre das Grundstück in der Zeit von der Veräußerung oder Entnahme bis zum Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraumes unter entsprechend geänderten Verhältnissen weiterhin für das Unternehmen verwendet worden (§ 15 a Abs. 6 UStG 1980).

2. a) Im Streitfall hat der Kläger seiner Ehefrau die Hälfte seines teilweise steuerfrei vermieteten, teilweise steuerpflichtig eigengenutzten Grundstückes geschenkt. Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß dies aus persönlichen Gründen geschehen ist, die außerhalb seines Unternehmens liegen; betriebliche Gründe für die Übertragung sind vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch ansonsten nicht ersichtlich. Damit sind die Voraussetzungen eines Eigenverbrauchs i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 3 Abs. 9 UStG 1980 erfüllt (s. auch Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 28. Februar 1991 V R 12/85, BFHE 164, 485, BStBl II 1991, 649, 651; Schettler, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1992, 66, 67; Husmann, UR 1992, 70, 71).

Dieser Eigenverbrauch, der in der Übertragung der Grundstückshälfte auf die Ehefrau liegt, ist nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei. Einen Verzicht auf die Steuerbefreiung läßt das Gesetz in diesem Fall nicht zu (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1986 V R 91/78, BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44). Der Vorsteuerabzug ist deshalb, soweit er auf diese Grundstückshälfte entfällt, nach § 15 a UStG 1980 anteilig zu berichtigen.

b) Ob der Vorsteuerabzug auch im Hinblick auf die im (Mit-)Eigentum des Klägers verbliebene Grundstückshälfte zu berichtigen ist, hängt davon ab, ob die Miteigentümer - in Gestalt einer GbR (§ 705 BGB) oder als nach Übertragung der Grundstückshälfte auf die Klägerin zwischen dem Kläger und dessen Ehefrau kraft Gesetzes entstandene (vgl. § 741 BGB) Verwaltungsgemeinschaft (§ 744 BGB; zur Abgrenzung s. BFH-Urteile vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729, und vom 29. April 1993 V R 38/89, BFHE 172, 137, BStBl II 1993, 734) - unternehmerisch eigenständig in Erscheinung getreten sind. (Vermietungs-)Unternehmer i. S. des § 2 UStG 1980 wäre unter diesen Umständen allein die neu entstandene Bruchteilsgemeinschaft bzw. GbR (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1986 V R 91/78, BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44; s. dazu auch Husmann, UR 1992, 70, 72; Völkel/Karg, UR 1985, 48; Schöckel, Steuerliche Quintessenz 1990, 246 = Fach 5 Nr. 300; Nowak, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Rundschau 1989, 367). Der im Eigentum des Klägers verbliebene Grundstücksanteil wird dann der Gemeinschaft unentgeltlich zur Nutzung überlassen. In diesem Fall hätte der Kläger auch den ihm verbliebenen Miteigentumsanteil für Zwecke außerhalb seines Unternehmens verwandt und einen zwar steuerbaren, aber nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 steuerfreien Eigenverbrauch i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 3 Abs. 9 UStG 1980 getätigt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 164, 485, BStBl II 1991, 649, 651 unter 6.). Nur dann könnte auch insoweit eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 15 a Abs. 1 und 4 UStG 1980 vorliegen. Daß das Grundstück tatsächlich weiterhin in der bisherigen Weise verwendet worden ist, könnte daran nichts ändern. Die Verwendung des Grundstücks würde nicht mehr aufgrund der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Zuordnungsentscheidung des Klägers, sondern aufgrund der Entscheidung der über das Grundstück verfügenden Bruchteilsgemeinschaft erfolgen (s. auch BFH-Urteil in BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44; Schön in Woerner, Umsatzsteuer in nationaler und europäischer Sicht, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - Bd. 13 1990, 81, 88 f.). Fehlt es aber an einer entsprechenden unternehmerischen Tätigkeit der Gemeinschaft und nutzt der Kläger das Grundstück in der bisherigen Weise aus eigenem Recht, wenn auch mit Duldung seiner Ehefrau, weiter (§ 743 Abs. 2 BGB; s. auch das Senatsurteil vom 27. April 1994 XI R 91, 92/92, BFHE 174, 559, BStBl II 1994, 826 unter 2. a der Entscheidungsgründe m. w. N. zur zivilrechtlichen Zulässigkeit solcher Gebrauchsüberlassungen unter Miteigentümern), hätten sich die Verwendungsverhältnisse infolge der Anteilsübertragung nicht geändert. Die Übertragung des hälftigen Miteigentums an dem Grundstück auf die Ehefrau würde sich nur als Einschränkung der Eigentumsposition des Klägers darstellen. Die Zuordnung zu dessen Unternehmen bliebe gleichwohl erhalten (vgl. auch Husmann, UR 1992, 70, 72).

Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt eine abschließende Entscheidung darüber, wie es sich im Streitfall verhält, nicht zu. Das FG hat nicht festgestellt, ob das Grundstück, nachdem es zur Hälfte auf die Ehefrau des Klägers übertragen worden war, dem Kläger fortan in seiner Gesamtheit von der Bruchteilsgemeinschaft - ggf. gegen Leistung eines Wertausgleichs - zum Gebrauch überlassen wurde, oder ob er seinen Miteigentumsanteil aus eigenem Recht weiternutzte. Wäre letzteres anzunehmen, hätte das FG zu Recht entschieden. Im anderen Fall müßte der Vorsteuerabzug auch insoweit berichtigt werden, da die Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmerin i. S. des UStG (§ 2 Abs. 1 UStG 1980) an die Stelle des Klägers getreten wäre.

3. Das Urteil der Vorinstanz ist im Ergebnis von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es ist aufzuheben. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.