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  BFH-Urteil vom 8.11.1993 (IX R 42/92) BStBl. 1995 II S. 102

Nutzt der Eigentümer eines Zweifamilienhauses eine Wohnung selbst und vermietet er die zweite, so sind die Einkünfte aus dem Zweifamilienhaus für die erste Wohnung nach § 21 a Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 21 Abs. 2 EStG und für die zweite Wohnung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu ermitteln, ohne daß die Grundsätze der sog. Liebhaberei anwendbar sind.

EStG §§ 8 Abs. 2, 21, 21 a, 52 Abs. 21.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Die Klägerin errichtete aufgrund der Baugenehmigung vom 25. April 1984 in den Jahren 1984 und 1985 auf ihrem im Jahr 1983 für 350.000 DM erworbenen, ca. 1.000 qm großen Grundstück ein Zweifamilienhaus für 1.029.231 DM. Die Kläger bewohnen die 199 qm große Hauptwohnung seit 13. April 1985 selbst. Die 51 qm große Einliegerwohnung vermieteten sie (Mieteinnahmen: 1985: 2.700 DM; 1986: 5.550 DM; 1987: 5.850 DM). Das Haus wurde im Ertragswertverfahren bewertet.

Während die Kläger annahmen, der Nutzungswert der Hauptwohnung sei anhand der Marktmiete zu ermitteln, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) als Mietwert die Kostenmiete in Höhe von 6 v. H. des auf die eigengenutzte Wohnung entfallenden Anteils der Herstellungskosten und des Kaufpreises des Grundstücks an. Das FA bezifferte den Mietwert in der Einspruchsentscheidung auf anteilig 44.219 DM für 1985 und je 66.329 DM für 1986 und 1987 zuzüglich eines Mietwerts für die Garagen. Es berechnete für das Zweifamilienhaus Werbungskostenüberschüsse in Höhe von 98.875 DM für 1985, 76.471 DM für 1986 und 71.089 DM für 1987 sowie für die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1989 und 1990.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger den Ansatz der Marktmiete als Mietwert der selbstgenutzten Wohnung begehrten, mit der Begründung ab, die Kostenmiete sei schon wegen der verhältnismäßig hohen Herstellungskosten anzusetzen. Ob das Haus besonders gestaltet oder ausgestattet sei, brauche danach nicht festgestellt zu werden. Der Klage könne auch nicht deshalb teilweise stattgegeben werden, weil der Kläger einen 15 qm großen Raum der selbstgenutzten Wohnung als Arbeitszimmer im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit genutzt habe. Insoweit sei zwar ein Nutzungswert bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht zu berücksichtigen. Die auf das Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen, die den dafür angesetzten Mietwert überstiegen, könnten aber nicht als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften der Klägerin, sondern nur als Sonderbetriebsausgaben des Klägers im Rahmen der gesondert und einheitlich festzustellenden Einkünfte der Sozietät, der der Kläger angehöre, erfaßt werden.

Mit der Revision rügen die Kläger mangelhafte Sachaufklärung und Verletzung von § 21 Abs. 2, § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe seine Entscheidung zu Unrecht allein auf die Höhe der Herstellungskosten gestützt.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und für die Jahre 1985 bis 1987, 1989 und 1990 den Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung anhand der Marktmiete zu bemessen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA trägt vor, das FG habe den Ansatz der Kostenmiete zu Recht bestätigt. Dem Ansatz noch höherer Werbungskostenüberschüsse stehe auch der Gesichtspunkt der "Liebhaberei" entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2, § 127 FGO).

Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 2 EStG in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung. Das FG hat den Ansatz der Kostenmiete als Mietwert zu Unrecht allein mit den hohen Herstellungskosten begründet.

1. Nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG in der bis 1986 geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Vom Veranlagungszeitraum 1987 an ist diese nunmehr in § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG enthaltene Regelung nur noch übergangsweise bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden, wenn - wie im Streitfall - die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift im Jahr 1986 vorgelegen hatten und der Steuerpflichtige nicht auf den Ansatz des Nutzungswerts unwiderruflich verzichtet (§ 52 Abs. 21 Sätze 1 bis 3 EStG).

a) Der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung der Kläger ist durch Abzug der Werbungskosten vom Rohmietwert und nicht pauschaliert nach § 21 a Abs. 1 Sätze 1, 2 EStG zu ermitteln.

Während bei einer selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus der Nutzungswert stets pauschaliert aufgrund des Einheitswerts des Grundstücks zu ermitteln ist (§ 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG), gilt dies bei einer Wohnung in einem eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, nur, wenn weder die Voraussetzungen des § 21 a Abs. 7 noch des § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt sind.

aa) Die pauschalierte Nutzungswertermittlung ist im Streitfall nicht nach § 21 a Abs. 7 EStG ausgeschlossen. Die Klägerin hat weder den Antrag auf Baugenehmigung vor dem 30. Juli 1981 gestellt noch vor diesem Stichtag das Gebäude bestellt, sondern das Grundstück erst im Jahr 1983 erworben, um darauf in den Jahren 1984 und 1985 das Zweifamilienhaus zu errichten.

bb) Der Nutzungswert ist aber deshalb nicht pauschaliert zu ermitteln, weil die Klägerin die Einliegerwohnung zur dauernden Nutzung vermietet hat (§ 21 a Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1, 2 EStG). Das Mietverhältnis ist wirksam vereinbart und auch tatsächlich durchgeführt (vgl. dazu Senatsurteile vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; vom 14. Januar 1992 IX R 33/89, BFHE 167, 55, BStBl II 1992, 549; vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96). Der Gesichtspunkt der "Liebhaberei" steht der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Mietverhältnisses nicht entgegen. Zwar werden die Gesamteinnahmen aus der Vermietung der Einliegerwohnung voraussichtlich auch langfristig nicht die auf diese Wohnung entfallenden Werbungskosten (§ 9 EStG) übersteigen. Zwar können dauernde Werbungskostenüberschüsse auf das Fehlen einer Einkunftserzielungsabsicht hindeuten; dies allein genügt aber nicht, um eine "Liebhaberei" zu begründen. Bei längeren Verlustperioden muß vielmehr aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter Abschn. C IV. 3. c bb - 1 -). Diese Grundsätze gelten auch für die Vermögensnutzung durch Vermietung oder Verpachtung (Senatsurteil vom 31. März 1987 IX R 111/86, BFHE 150, 7, BStBl II 1987, 668). Diese zweite Voraussetzung für die Annahme von Liebhaberei ist jedoch mit der Vermietung der Einliegerwohnung im Zweifamilienhaus der Klägerin nicht erfüllt. Die Vermietung entspricht vielmehr der Zielsetzung des § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG, steuerrechtliche Anreize zur Wohnungsvermietung zu geben und dadurch den Wohnungsmarkt positiv zu beeinflussen (vgl. BTDrucks 9/796, S. 8).

Abgesehen davon hat der Senat bei der Prüfung der Frage, ob der steuerrechtlichen Anerkennung des Mietverhältnisses eine fehlende Absicht, langfristig einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, entgegensteht, auch berücksichtigt, daß der Nutzungswert selbstgenutzter Wohnungen nur noch übergangsweise bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1998 steuerrechtlich erfaßt wird.

b) Wie der Senat im Urteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98) erneut ausgeführt hat, ist bei der Ermittlung des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 EStG der Rohmietwert grundsätzlich anhand der am Wohnungsmarkt für vergleichbare Objekte erzielbaren Miete, der sog. Marktmiete, zu schätzen. Dabei ist die Regelung des § 8 Abs. 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung entsprechend anwendbar. Anzusetzen ist die ortsübliche mittlere Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung (Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 111/91, BFHE 174, 216).

Nur der Nutzungswert selbstgenutzter Wohnungen in Zwei- oder Mehrfamilienhäusern, bei denen es aufgrund bestimmter Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale, die der Senat in seinem Urteil in BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98 im einzelnen dargelegt hat, offensichtlich ist, daß sie nicht zum Zwecke der Vermietung errichtet und in der Regel auch tatsächlich nicht vermietet werden, ist anhand der Kostenmiete zu ermitteln. Hohe Anschaffungs- oder Herstellungskosten reichen für sich allein gesehen noch nicht aus, um den Ansatz der Kostenmiete als Rohmietwert zu begründen. Diese Kosten müssen vielmehr im konkreten Einzelfall ihren Niederschlag in einer besonders aufwendigen Ausgestaltung oder Ausstattung gefunden haben. Die "Liebhaberei"-Grundsätze sind bei der Besteuerung des Nutzungswerts eigengenutzter Wohnungen nicht anwendbar (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98).

2. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht an das FG zur Nachholung von Feststellungen dazu zurück, ob das Zweifamilienhaus der Klägerin i. S. von Abschn. II 1. c) cc) des Urteils in BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98 besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist - so daß der Rohmietwert der Hauptwohnung anhand der Kostenmiete zu ermitteln ist -, und wenn dies nicht der Fall ist, wie hoch die Marktmiete ist.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Das FG war zu Recht der Auffassung, für das Arbeitszimmer sei ein Nutzungswert nach § 21 Abs. 2 EStG nicht anzusetzen. Der Mietwert ist insoweit nicht zu berücksichtigen; die auf das Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen sind nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen.