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  BFH-Urteil vom 8.11.1994 (IX R 9/93) BStBl. 1995 II S. 170

Überführt ein Steuerpflichtiger ein bebautes Grundstück vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen und versteuert er die stillen Reserven, so schafft er damit ein Gebäude an i. S. des § 7 Abs. 5 EStG (Anschluß an BFH-Beschluß vom 2. Juli 1992 IX B 169/91, BFHE 168, 298, BStBl II 1992, 909).

EStG §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 7 Abs. 4 und 5, 16 Abs. 3.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb bis 1984 zusammen mit seinem Sohn ein gewerbliches Wohnungsbauunternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die GbR, an der der Kläger mit 90 v. H. und sein Sohn mit 10 v. H. beteiligt waren, errichtete fünf Wohnblöcke mit Eigentumswohnungen. 1984 schied der Sohn des Klägers aus der Gesellschaft aus; das Gesellschaftsvermögen wuchs dem Kläger an. Die bis dahin nicht veräußerten zehn Eigentumswohnungen und 21 Garagenstellplätze entnahm er zum 1. Februar 1984 in sein Privatvermögen. Kurze Zeit später (14. Februar 1984) übertrug er unentgeltlich fünf Eigentumswohnungen und zehn Stellplätze auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (zusammenveranlagte Ehefrau). Der Buchwert der Eigentumswohnungen und Stellplätze betrug zum 31. Dezember 1984 1.198.740 DM, der Verkehrswert (ohne Grund und Boden) 1.400.000 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte für die GbR zum 31. Januar 1984 einen entsprechenden Veräußerungsgewinn, den er bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1984 für die GbR als Aufgabegewinn erfaßte.

In ihrer Einkommensteuererklärung für die Streitjahre 1984 und 1986 berechneten die Kläger die erhöhte (degressive) Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit 3,5 v. H. des gemeinen Werts von 1.400.000 DM = 49.000 DM. Nach einer Außenprüfung ließ das FA für die Streitjahre nur eine AfA nach § 7 Abs. 4 EStG von 2 v. H. zu. Es ging dabei davon aus, daß die Überführung der 1982 und 1983 fertiggestellten Eigentumswohnungen in das Privatvermögen ein anschaffungsähnlicher Vorgang sei und die Kläger deshalb die erhöhte AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nicht in Anspruch nehmen können.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß - entgegen dem Senatsbeschluß vom 2. Juli 1992 IX B 169/91 (BFHE 168, 298, BStBl II 1992, 909) - die Überführung eines Grundstücks vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen kein anschaffungsähnlicher Vorgang sei. Die Kläger könnten deshalb für den Anteil von 90 v. H. an den Eigentumswohnungen, bei denen der Kläger bzw. die Klägerin als Rechtsnachfolgerin Bauherren seien, die degressiven AfA in Anspruch nehmen. Hinsichtlich des 10-v.H.-Anteils, den der Kläger von seinem Sohn übernommen habe, stünden den Klägern dagegen nur die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG in Höhe von 2 v. H. von 140.000 DM zu.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung des § 7 Abs. 5 EStG rügt. Es ist der Ansicht, es sei nicht folgerichtig, den Steuerpflichtigen bei der Entnahme eines Grundstücks wie einen Veräußerer zu behandeln und ihm die AfA von dem Entnahmewert als Bemessungsgrundlage zu gewähren, ihn aber anschließend bei der Anwendung des § 7 Abs. 5 EStG nicht einem Erwerber gleichzustellen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt § 7 Abs. 5 EStG. Den Klägern stehen die erhöhten (degressiven) AfA nach dieser Vorschrift nicht zu, weil sie die umstrittenen Eigentumswohnungen erst im Jahr nach der Fertigstellung angeschafft haben.

Nach § 7 Abs. 5 EStG kann die erhöhten AfA nur beanspruchen, wer ein Gebäude hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft hat. Hersteller der Eigentumswohnungen waren nicht die Kläger, sondern die GbR, bestehend aus dem Kläger und seinem Sohn. Der Kläger hat die 1982 und 1983 fertiggestellten Eigentumswohnungen i. S. des § 7 Abs. 5 EStG erst im Jahr nach der Fertigstellung, nämlich 1984, angeschafft. Zwar hat er die Eigentumswohnungen nicht entgeltlich erworben. Er hat sie aber 1984 aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt und die stillen Reserven aufgedeckt und versteuert. Die Überführung vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen unter Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven stellt einen anschaffungsähnlichen Vorgang dar, der die Inanspruchnahme degressiver AfA ausschließt, wenn die Überführung nicht im Jahr der Fertigstellung des Gebäudes erfolgt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zwischenzeitlich wiederholt entschieden, daß sich die Bemessungsgrundlage für die AfA eines Gebäudes ändert, wenn der Steuerpflichtige es aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt und dabei die stillen Reserven aufdeckt und versteuert (vgl. das Senatsurteil vom 3. Mai 1994 IX R 59/92, BFHE 174, 422, BStBl II 1994, 749); denn die Überführung stellt einen anschaffungsähnlichen Vorgang dar. Von diesem Ausgangspunkt ist es folgerichtig, die Überführung eines Gebäudes vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen, bei der die stillen Reserven aufgedeckt und versteuert werden, auch i. S. des § 7 Abs. 5 EStG als Anschaffung zu beurteilen. Der erkennende Senat hält nach nochmaliger Überprüfung an seiner Rechtsauffassung im Beschluß in BFHE 168, 298, BStBl II 1992, 909 fest (anderer Ansicht Paus, Betriebs-Berater - BB - 1993, 1920).

Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war danach aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, weil das FA den Klägern zu Recht nur die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG in Höhe von 2 v. H. des gemeinen Werts der Eigentumswohnung gewährt hat.