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  BFH-Urteil vom 9.11.1994 (I R 5/94) BStBl. 1995 II S. 255

1. Im Konkursverfahren über das Vermögen einer KG kann dem Konkursverwalter keine Nichtveranlagungsbescheinigung i. S. des § 44 a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1990 i. d. F. des Gesetzes vom 9. November 1992 (BGBl I 1992, 1853, BStBl I 1992, 682) - EStG - erteilt werden.

2. Im Sinne des § 44 a Abs. 1 Nr. 2 EStG sind Gläubiger der von einer Personengesellschaft bezogenen Kapitalerträge die Mitunternehmer.

3. Erzielt eine in Konkurs geratene KG Kapitalerträge, so gehört die davon zu erhebende Zinsabschlagsteuer zu den Massekosten bzw. Masseschulden (§§ 58, 59 KO).

EStG §§ 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b, 44 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5; KO §§ 58, 59.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

1. Am 18. April 1983 wurde über das Vermögen der Firma ... KG (KG) das Konkursverfahren eröffnet. Konkursverwalter wurde der Kläger und Revisionskläger (Kläger). Das Konkursverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1992 beantragte der Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (dem Finanzamt - FA -), der KG zwecks Befreiung von der Zinsabschlagsteuer eine Nichtveranlagungsbescheinigung auszustellen. Das FA lehnte den Antrag durch Schreiben vom 17. Dezember 1992 ab. Dagegen erhob der Kläger Beschwerde und nach erfolglosem Ausgang des Beschwerdeverfahrens Klage.

2. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

3. Der Kläger hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt und stützt sein Rechtsmittel auf Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion und den ablehnenden Bescheid des FA aufzuheben und das FA zu verpflichten, dem Kläger eine Nichtveranlagungsbescheinigung für die Zinserträge der Konkursmasse zu erteilen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat ohne Rechtsirrtum entschieden, daß dem Kläger in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen der KG kein Anspruch auf Erteilung einer Nichtveranlagungsbescheinigung i. S. des § 44 a Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 zusteht.

a) Die KG ging durch die Eröffnung des Konkursverfahrens nicht unter. Sie wird zwar durch die Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst (§ 131 Nr. 3 i. V. m. § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Die Auflösung bewirkt jedoch nur, daß die Gesellschaft in das Liquidationsstadium überführt wird. Ihre beschränkte Rechtsfähigkeit (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB; vgl. auch § 209 der Konkursordnung - KO -) bleibt erhalten.

b) Die von der KG bezogenen Festgeldzinsen unterlagen im Streitjahr dem Steuerabzug gemäß § 43 EStG. Es handelte sich um Zinsen auf Festgeldkonten bei einem inländischen Kreditinstitut, die gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften des § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b Unterbuchst. aa bis dd EStG liegen nicht vor.

Es ist insoweit ohne Bedeutung, daß die Zinserträge einkommensteuerlich den Gesellschaftern der KG und nicht der KG als der zivilrechtlichen Gläubigerin der Zinsforderung zuzurechnen sind. Die Abzugspflicht des § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG knüpft nicht an den steuerrechtlichen oder zivilrechtlichen Anspruchsberechtigten an, sondern an die Art der Kapitalerträge. Die Abzugspflicht entfällt auch nicht dadurch, daß die im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielten Zinserträge auch nach Konkurseröffnung gewerbliche Einkünfte der Gesellschafter bleiben (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG; G. Frotscher, Steuern im Konkurs, 3. Aufl., S. 23, 154, 155; Schöne/Ley, Der Betrieb - DB - 1993, 1405, 1407; Welzel, Deutsche Steuer-Zeitung 1993, 197, 200). Der Steuerabzug ist auch vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge beim Gläubiger zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören (§ 43 Abs. 4 EStG).

2. Dem Kläger konnte keine Nichtveranlagungsbescheinigung erteilt werden.

Gemäß § 44 a Abs. 1 EStG ist der Steuerabzug von Kapitalerträgen i. S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3, 4, 7 und 8 sowie Satz 2 EStG, die einem unbeschränkt steuerpflichtigen Gläubiger zufließen, u. a. nicht vorzunehmen, wenn anzunehmen ist, daß für den Gläubiger eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht in Betracht kommt. Weitere Voraussetzung für die Abstandnahme vom Steuerabzug ist, daß dem nach § 44 a EStG zum Steuerabzug Verpflichteten eine Nichtveranlagungsbescheinigung des für den Gläubiger zuständigen Wohnsitz-FA vorgelegt wird (§ 44 a Abs. 2 Nr. 2 EStG).

Eine Nichtveranlagungsbescheinigung i. S. des § 44 a Abs. 1 Nr. 2 EStG setzt damit voraus, daß für den Gläubiger der Kapitalerträge eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht in Betracht kommt. Gläubiger in diesem Sinne sind die Gesellschafter der KG. Der Gläubigerbegriff des § 44 a Abs. 1 EStG ist nicht im zivilrechtlichen, sondern in einem steuerrechtlichen Sinne zu verstehen. Die Vorschrift wendet sich an den "Gläubiger der Kapitalerträge". Dieser Begriff deckt sich mit dem gleichlautenden Begriff in § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b, aa und Buchst. c, Abs. 2 und 4, § 43 a Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3 und 4, in § 44 Abs. 1, 2, 4 und 5 und in § 44 b Abs. 1 bis 4 EStG (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. August 1990 I R 69/89, BFHE 162, 263, BStBl II 1991, 38). Im einkommensteuerrechtlichen Sinne ist Gläubiger der von einer Personengesellschaft bezogenen Kapitalerträge nicht die Personengesellschaft, sondern die Gesellschafter, denen die Kapitalerträge steuerrechtlich als Einkünfte zugerechnet werden (§§ 1, 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Das FG hat deshalb zutreffend eine Nichtveranlagungsbescheinigung für die vom Kläger vertretene Personengesellschaft ausgeschlossen (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Dezember 1992, BStBl I 1993, 58). Eine Nichtveranlagungsbescheinigung konnte jedoch auch für die beteiligten Gesellschafter nicht erteilt werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Gesellschafter der KG nicht zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer veranlagt werden. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, daß für die Gesellschafter die Voraussetzungen der Bagatellregelung des § 56 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vorlägen. Die vom Kläger erstrebte Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug scheitert im übrigen daran, daß die Guthabenkonten der Konkursmasse nicht unter dem Namen der steuerrechtlichen Gläubiger der Zinserträge verwaltet werden (§ 44 a Abs. 6 Satz 1 EStG).

3. Auch die Voraussetzungen des § 44 a Abs. 5 EStG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist bei Kapitalerträgen i. S. des § 43 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 EStG der Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen des Gläubigers sind und die Kapitalertragsteuer und die anrechenbare Körperschaftsteuer bei ihm auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wären als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer. Nach dem im Streitfall entscheidenden Tatbestandsmerkmal muß die Kapitalertragsteuer "auf Grund der Art der Geschäfte des Gläubigers auf Dauer" die festzusetzende Einkommensteuer übersteigen. Das FG hat das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals ohne Rechtsirrtum verneint. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß gegen die Gesellschafter der KG "auf Grund der Art ihrer Geschäfte auf Dauer" eine niedrigere Einkommensteuer festzusetzen wäre als die Zinsabschlagsteuer. Selbst wenn sich bei den Gesellschaftern als Folge des Konkurses der KG zeitweise keine Einkommensteuern ergeben sollten, handelt es sich nicht um eine auf der Art ihrer Geschäfte beruhende Rechtsfolge.

4. a) Der Senat verkennt nicht, daß der Abzug der Zinsabschlagsteuer der Konkursmasse Mittel entzieht. Die Zinserträge aus dem Gesamthandsvermögen der in Konkurs gefallenen KG fallen als Früchte der Konkursmasse in die Konkursmasse und stehen grundsätzlich zur Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. Oktober 1979 VIII ZR 298/78, DB 1979, 2415, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1980, 40; Schöne/Ley, DB 1993, 1406; Kilger/Karsten Schmidt, Konkursordnung, 16. Aufl., § 1 Anm. 3 B f.). Eine Belastung der Konkursmasse durch Steuern ergibt sich jedoch regelmäßig aus den nach Konkurseröffnung durch den Konkursverwalter getätigten Geschäften. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Einkommensteuerforderungen aus nach der Konkurseröffnung erzielten Gewinnen jedenfalls dann als Massekosten oder Masseschulden anzusehen sind, wenn die den Gewinnen entsprechenden Vermögensmehrungen zur Konkursmasse gelangt sind (BFH-Urteile vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356; vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477). Erzielt der Konkursverwalter für den Gemeinschuldner Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern der Konkursmasse und fließt der Erlös der Masse zu, so sind die daraus resultierenden und gegen den Gemeinschuldner festgesetzten Einkommensteuern (einschließlich der Einkommensteuer-Vorauszahlungen) Massekosten i. S. des § 58 Nr. 2 KO (BFH in BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602, 604; G. Frotscher, Steuern im Konkurs, S. 158; Schöne/Ley, DB 1993, 1405, 1407). Für die Einkommensteuern auf die nach der Konkurseröffnung erzielten Gewinne einer Mitunternehmerschaft gilt nichts anderes. Auch die auf solche Erträge zu entrichtenden Einkommensteuern betreffen Gewinne, die zivilrechtlich von der KG erzielt wurden, auf Handlungen des Konkursverwalters zurückgehen und die Konkursmasse vermehren (Schöne/Ley, a. a. O.). Dabei ist von Bedeutung, daß auch der Konkurs über das Vermögen einer KG konkursrechtlich ein Sonderkonkurs über das gesamthänderisch gebundene Vermögen der Gesellschafter ist (vgl. Timm/Körber in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 84 Rz. 20; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, § 209 Rdnr. 16). Auch die auf die entsprechenden Gewinnanteile der Gesellschafter entfallenden Einkommensteuern sind somit als Massekosten bzw. Masseschulden vorweg aus der Konkursmasse zu befriedigen (ebenso: Schöne/Ley, DB 1993, 1405, 1407).

An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß die Zinsabschlagsteuer keine endgültig festgesetzte Einkommensteuer, sondern ihrem Charakter nach eine pauschale Vorauszahlung auf die Einkommensteuer darstellt. Die Zinsabschlagsteuer als Abzugsteuer unterscheidet sich von den für Gewinne nach der Konkurseröffnung festgesetzten Einkommensteuern durch ihre pauschalierte Erhebungsform. Zur Sicherung der Steueransprüche werden Beträge im Abzugswege erhoben, wobei die individuelle Steuerbelastung des Steuerschuldners nur in einem Mindestmaß berücksichtigt wird. Bei Abzugsteuern muß der Gesetzgeber entscheiden, ob er dem mit solchen Steuern erstrebten Sicherungszweck oder dem materiell richtigen Steuerergebnis Vorrang einräumt. Für die Zinsabschlagsteuer hat der Gesetzgeber in § 44 a EStG nur sehr begrenzte Möglichkeiten geschaffen, vom Steuerabzug abzusehen. Es sollen nur der mit dem Zinsabschlaggesetz neu geschaffene Sparerfreibetrag, die Nichtveranlagung des Gläubigers und die durch die Art der Geschäfte bedingte dauerhafte Überzahlung berücksichtigt werden (§ 44 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 und Abs. 5 EStG). Zusätzlich fordert das Gesetz für einen Verzicht auf den Steuerabzug, daß die zinstragenden Konten unter dem Namen des Gläubigers der Kapitalerträge verwaltet werden. Für Fälle fehlender Identität des Gläubigers und des Kontoinhabers und für den Fall fehlender Identität des Steuerschuldners und des vom Konkurs erfaßten Vermögens hat der Gesetzgeber keine Sonderregelung geschaffen. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß er insoweit dem Sicherungszweck Vorrang vor einer individuell richtigen Besteuerung schon im Abzugsverfahren gegeben hat. Aus ähnlichen Gründen hat der BFH auch die Belastung der Konkursmasse durch ebenfalls vorläufige Einkommensteuer-Vorauszahlungen als Massekosten bestätigt (BFH in BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602).

b) Aus § 251 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift bleiben die Vorschriften der KO unberührt. Die Vorschrift ist aber Bestandteil des Sechsten Teils: Vollstreckung der AO 1977 und regelt nur das Verbot einer Vollstreckung im Verwaltungswege vor Abschluß des Konkursverfahrens. Bei der Erhebung von Abzugsteuern wird jedoch nicht die Verwaltung tätig. Vielmehr trifft die Abzugspflicht den Schuldner der abzugspflichtigen Erträge.

5. Nach Auffassung des Klägers mindert der Zinsabschlag die ihm als Konkursverwalter zustehende Vergütung (vgl. Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats vom 25. Mai 1960, BGBl I 1960, 329) und greift damit in seine Grundrechte ein.

Dem steht entgegen, daß Massekosten (vgl. oben Abschn. 5 a) gemäß § 2 Nr. 3 der Verordnung vom 25. Mai 1960 (a. a. O.) die Bemessungsgrundlage der Vergütungen nicht mindern. Im übrigen gehören Gewinnchancen und Verdienstmöglichkeiten nicht zum verfassungsmäßig geschützten Eigentum. Eine Enteignung i. S. des Art. 14 des Grundgesetzes setzt eine unmittelbare Einwirkung auf ein konkretes vermögenswertes Objekt voraus. Die Minderung von Gewinnchancen ist noch kein Eingriff in konkrete Werte und Objekte (BGH-Urteil vom 29. Mai 1967 III ZR 143/66, BGHZ 48, 58 - 61 -; Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rz. 84). Auch eine Änderung der Rechtslage zum Nachteil der wirtschaftlichen Aussichten eines Unternehmens ist nicht als Enteignung anzusehen, solange der Kern des Eigentumsrechts nicht angetastet wird (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 1977 2 BvR 499/79, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 173). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Es bedarf keiner besonderen Begründung, daß die Einführung der Zinsabschlagsteuer auch keinen Eingriff in das Recht freier Berufsausübung des Klägers darstellt.