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  BFH-Urteil vom 15.9.1994 (XI R 56/93) BStBl. 1995 II S. 275

Im Fall eines Strohmannverhältnisses sind die von dem (weisungsabhängigen) Strohmann bewirkten Leistungen trotz selbständigen Auftretens im Außenverhältnis dem Hintermann als Leistendem zuzurechnen (Anschluß an das BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746, unter II 2 d; Abgrenzung zu dem BFH-Urteil vom 28. November 1990 V R 31/85, BFHE 164, 134, BStBl II 1991, 381).

Die Zuleitung einer Gutschrift gemäß § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 UStG 1980 setzt voraus, daß der Empfänger von dem Inhalt der Gutschrift Kenntnis nehmen kann; allein die Aufgabe zur Post reicht nicht aus.

UStG 1980 § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 bis 4, Satz 4.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Gutschriften.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr ein Bankgeschäft. Die Klägerin nahm auf Empfehlung des Bankkunden G, der mit dem Vorstandsmitglied der Klägerin E verwandt war, im Jahr 1981 Geschäftsbeziehungen mit einer als Goldschmiedemeister und Juwelier H vorgestellten Person auf und eröffnete, ohne sich über die Identität des H urkundlich zu vergewissern, auf dessen Namen ein Girokonto, um über dieses Konto Goldankäufe abzuwickeln. Teils lieferte der angebliche H selbst Goldbarren bei der Klägerin an, teils brachten er oder G das angeblich aus zuvor gesammelten Altgoldresten erschmolzene Barrengold zur Westfälischen Genossenschaftszentralbank (WGZ), die dann der Klägerin den Kurswert des angelieferten Goldes gutschrieb. Anschließend schrieb die Klägerin dem angeblichen H den Betrag auf dessen Girokonto gut und erteilte über den Goldankauf Gutschriften mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer. Den jeweils gutgeschriebenen Betrag zahlte die Klägerin in zwei Fällen an G in bar aus. Die Goldankäufe der Klägerin beliefen sich in den Jahren 1981, 1982, 1983 und 1987 auf einen Betrag von insgesamt ... DM.

Nach den Feststellungen der Verwaltung handelte es sich bei H in Wirklichkeit um F, einen Schulfreund des G. G, der früher für H gearbeitet hatte und noch über Rechnungsvordrucke verfügte, ließ F unter dem Namen des H auftreten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ den von der Klägerin aus den auf H ausgestellten Gutschriften geltend gemachten Abzug der Vorsteuern in den Jahren 1981 bis 1983 und 1987 nicht zu. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab.

Unter dem 19. Dezember 1989 stellte die Klägerin berichtigte, nunmehr auf F lautende, diesem am 3. Januar 1990 zugestellte Gutschriften aus und machte die offen ausgewiesene Umsatzsteuer im Jahr 1989 als Vorsteuer geltend. Das FA ließ den Abzug nicht zu, da nach seinem Erkenntnisstand F lediglich als weisungsgebundener Strohmann für G gehandelt habe. Dem Vorsteuerabzug stehe auch entgegen, daß wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung der vom Gutschriftenempfänger getätigte Umsatz steuerlich bei diesem nicht mehr erfaßt werden könne.

F widersprach der Gutschriftenerteilung. Nach Auffassung der Klägerin sei der Widerspruch mangels tatsächlicher Rückabwicklung der zugrundeliegenden Umsätze, mangels Beschränkung gemäß § 14 Abs. 5 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und wegen Verwirkung des Widerspruchsrechts unbeachtlich.

Das FG gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 688).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts:

1. F könne mangels Selbständigkeit nicht als Unternehmer angesehen werden. F habe von G lediglich fest vereinbarte Provisionen erhalten und sei den genauen Anweisungen des G gefolgt. Die gutgeschriebenen Beträge habe F in voller Höhe an G weitergeleitet. Entgegen der Auffassung des FG könne nicht entscheidend auf das Auftreten nach außen abgestellt werden; vielmehr sei insoweit das Innenverhältnis maßgebend.

2. Die Gutschriften vom 19. Dezember 1989 seien nicht wirksam. Grundvoraussetzung einer Abrechnung mittels Gutschrift sei das Einverständnis des Beteiligten. Das Verhalten des F spreche aber dafür, daß hier von Anfang an kein Einverständnis vorgelegen habe. Da bei den zunächst ausgestellten Gutschriften eine Identifizierung des Ausstellers bzw. des leistenden Unternehmers nicht möglich gewesen sei, werte das FA die im Streitjahr ausgestellten Gutschriften als erstmalig gegenüber F erfolgte Abrechnungen. Diesen habe F wirksam widersprochen. Eine Verwirkung liege nicht vor. Der Widerspruch wirke auf das Streitjahr zurück, das für die umsatzsteuerrechtliche Wirksamkeit erforderliche Einverständnis sei nicht gegeben gewesen.

Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß F mit einer Abrechnung auf seinen (tatsächlichen) Namen einverstanden gewesen sei. Zudem habe F bis 1991 kein Interesse an einem Widerspruch gehabt, da er nicht zur Zahlung der in den Gutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuer verpflichtet gewesen sei. Ein Widerspruch sei zudem nur bei wirksamen Gutschriften erforderlich (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 6. Aufl., Juli 1994, § 14 Anm. 193).

Im übrigen trage die Klägerin die objektive Beweislast für das Vorliegen des Einverständnisses; entsprechende Beweise seien bisher nicht erbracht worden.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, und führt aus:

1. F sei nach den Feststellungen des FG als leistender Unternehmer aufgetreten. Die Strohmanneigenschaft führe nicht zur Unselbständigkeit.

2. Umsatzsteuerrechtlich gebe es kein eigenständiges Abrechnungsverfahren. Die umsatzsteuerrechtliche Abrechnung könne nicht von der zivilrechtlichen Abrechnungspflicht getrennt werden. Das Zivilrecht verpflichte den zur Rechnungslegung, der über die Abrechnungsgrundlagen verfüge. Das sei die Klägerin gewesen; sie habe Gewicht, Legierung und Tagespreis gekannt. Das Abrechnungspapier sei bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen als Gutschrift i. S. des § 14 Abs. 5 UStG 1980 zu qualifizieren.

3. Der Widerspruch des F sei unwirksam. Nachdem F als H aufgetreten sei, könne sein Verhalten nicht gleichzeitig Zustimmung mit dem Abrechnungsmodus als H und Schweigen im Rechtsverkehr als F beinhalten. F alias H müsse sich die Entgegennahme der Gutschriften mit Mehrwertsteuerausweis als schlüssige Vereinbarung entgegenhalten lassen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu.

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt sind, abziehen. Gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 UStG 1980 gilt als Rechnung auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird. Neben weiteren Voraussetzungen (vgl. im einzelnen § 14 Abs. 5 Sätze 2 und 4 UStG 1980) muß die Gutschrift nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG 1980 die in Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Danach muß die Gutschrift - u. a. - nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

2. Das FG hat offengelassen, ob F (weisungsabhängiger) Strohmann des G gewesen ist. Die vom FG hierzu getroffenen Feststellungen, die sich auf das äußere Auftreten des F beziehen, hingegen nicht das Abhängigkeitsverhältnis zwischen G und F berühren, reichen zur Beurteilung dieser Frage nicht aus.

Sollte F Strohmann des G gewesen sein, kann die Klägerin die Vorsteuer nicht abziehen. In diesem Fall enthält die Gutschrift nicht den Namen des leistenden Unternehmers G. F selbst können die Umsätze nicht zugerechnet werden; auch dem, der im eigenen Namen auftritt, können Umsätze nur zugerechnet werden, wenn er sich nicht in abhängiger Stellung befindet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746, unter II 2 d; zum Begriff des Strohmanns vgl. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 41 AO 1977, Rz. 173; Kramer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., 1993, § 117 Rdnr. 12); in diesen Fällen bleibt der Hintermann der Leistende (so auch Urteil des FG Münster vom 14. Dezember 1993 15 K 1597/92 U, EFG 1994, 543 mit Anmerkung in EFG 1994 Beilage 6, S. 24; dazu auch Forganach, Umsatzsteuer-Rundschau - UStR - 1989, 45). Das BFH-Urteil vom 28. November 1990 V R 31/85, BFHE 164, 134, BStBl II 1991, 381, das für die Frage der Zurechnung einer Leistung auf das Auftreten des Handelnden im Außenverhältnis abstellt, betrifft nicht den Fall, in dem jemand als von den Weisungen des Hintermanns abhängiger Strohmann auftritt.

Das BFH-Urteil vom 7. Oktober 1987 X R 60/82 (BFHE 151, 233, BStBl II 1988, 34) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. In diesem Urteil vertritt der X. Senat die Auffassung, daß die Vorsteuer auch abgezogen werden könne, wenn der leistende Unternehmer eine Scheinfirma oder einen Scheinnamen verwende, sofern aufgrund sonstiger Angaben im Abrechnungspapier eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des Lieferanten möglich sei. Im Streitfall, in dem es um die berichtigten Gutschriften geht, ist der Lieferant nicht unter einem Scheinnamen aufgetreten. In der Gutschrift erscheint nicht der (falsche) Name des Lieferanten, sondern es wird eine Person als Lieferant ausgegeben, die in Wirklichkeit nicht geleistet hat. Im übrigen muß das Abrechnungspapier Angaben enthalten, die eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des Unternehmers zulassen (§ 31 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV -; ferner BFH-Urteil vom 17. September 1992 V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205). Auch daran fehlt es.

3. Für den Fall, daß F nicht Strohmann des G gewesen sein sollte, ist die Klägerin ebenfalls nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

a) Die berichtigten Gutschriften waren F im Streitjahr noch nicht zugeleitet worden. Nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 UStG 1980 ist eine Gutschrift nur anzuerkennen, wenn sie dem leistenden Unternehmer zugeleitet worden ist (dazu vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a. a. O., § 14 Anm. 189; Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 14 Bem. 93; Birkenfeld, Das Große Umsatzsteuerhandbuch, IV Rz. 371; s. a. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 V R 134/84, BFH/NV 1988, 812). Zuleitung bedeutet, daß die Gutschrift dem Empfänger so zugänglich gemacht wird, daß er von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann; in vergleichbarer Weise setzt die Wirksamkeit eines Widerspruchs ebenfalls den Zugang beim Gutschriftenaussteller voraus. Das Gesetz stellt ausdrücklich darauf ab, daß die Gutschrift zugeleitet worden ist, nicht daß sie zugeleitet wird. Allein die Aufgabe zur Post reicht dazu nicht aus (a. A. Bunjes/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., 1993, § 14 Anm. 29; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 14 Rz. 156). Da die (berichtigten) Gutschriften dem F erst im Januar 1990 zugestellt wurden, konnten die Gutschriften erst von diesem Zeitpunkt an wirksam werden. Im Streitjahr durfte die Klägerin - von den weiteren Voraussetzungen abgesehen - die in den Gutschriften ausgewiesene Vorsteuer nicht abziehen.

b) Der Senat kann offenlassen, ob dem von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzug nicht letztlich auch der Widerspruch des F entgegensteht (dazu vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779).