| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Beschluß vom 30.1.1995 (GrS 4/92) BStBl. 1995 II S. 281

Hat ein Steuerpflichtiger Herstellungskosten für ein im Miteigentum stehendes Wirtschaftsgut getragen und darf er das Wirtschaftsgut für seine betrieblichen Zwecke ohne Entgelt nutzen, so kann er diese Herstellungskosten als eigenen Aufwand durch Absetzungen für Abnutzung (ggf. auch durch erhöhte Absetzungen) als Betriebsausgabe abziehen.

EStG § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1, 3 und 4, § 7 Abs. 1 und 4-5 a; EStDV 1984 ff. § 82 i.

- Vorlagebeschluß vom 9. Juli 1992 IV R 115/90 (IV R 136/90), BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948 -

Sachverhalt

A. Sachverhalt, Anrufungsbeschluß des IV. Senats, ergänzende Stellungnahme des zwischenzeitlich zuständig gewesenen I. Senats und Stellungnahme der Beteiligten

I. Vorgelegte Rechtsfrage

Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluß vom 9. Juli 1992 im Revisionsverfahren IV R 136/90 (früher IV R 115/90, BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948) - infolge Wechsels der Zuständigkeit zwischenzeitlich Revisionsverfahren I R 166/90 - dem Großen Senat gemäß § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Kann im Falle der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung durch Angehörige der diesen entstandene Aufwand beim Nutzenden als sog. Drittaufwand berücksichtigt werden?

II. Sachverhalt

1. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind seit 1981 zu je 1/2 Anteil Eigentümer eines bebauten Grundstücks, in dem sich neben der selbstgenutzten Familienwohnung weitere Räume befinden, die der Kläger seit Juni 1984 als Arztpraxis zur Ausübung seiner freiberuflichen Tätigkeit nutzt. In den Jahren 1981 bis 1985 wurde das Gebäude mit einem Kostenaufwand von rd. 356.000 DM durchgreifend renoviert. Von diesen Aufwendungen i. S. des § 82 i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) entfällt ein Anteil von 298.035,17 DM auf den vom Kläger freiberuflich genutzten Teil des Gebäudes. Sämtliche Anschaffungs-, Herstellungs- und Renovierungsaufwendungen sowie Zins- und Tilgungsleistungen hatte der Kläger allein getragen. Die Klägerin, die als Hausfrau und Mutter keine berufliche Tätigkeit ausübte und - abgesehen vom anteiligen Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung - auch keine eigenen Einkünfte erzielte, hatte sich als Gesamtschuldnerin in sämtlichen die Finanzierung sowohl des Erwerbs als auch der Modernisierung des Gebäudes betreffenden Darlehensverträgen mitverpflichtet.

In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1984 und 1985 gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die auf den Praxisanteil entfallenden erhöhten Absetzungen nach § 82 i EStDV nur entsprechend dem hälftigen Eigentumsanteil des Klägers an dem Gebäude für 50 v. H. der Aufwendungen (50 v. H. von 298.035 DM = 149.017,57 DM; davon 10 v. H. erhöhte Absetzungen). Hinsichtlich der anderen Hälfte der auf den Praxisanteil entfallenden Aufwendungen i. S. des § 82 i EStDV versagte das FA dem Kläger die begehrten erhöhten Absetzungen. Es ging vielmehr davon aus, der Kläger habe ein Nutzungsrecht erlangt, das wie ein materielles Wirtschaftsgut zu aktivieren und nach § 7 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 40 Jahren abzuschreiben sei (2,5 v. H. von 149.017,57 DM = 3.725 DM).

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen die Einkommensteuerbescheide 1984 und 1985 erhobenen Klage statt und gewährte dem Kläger unter Anwendung der Grundsätze des Arbeitszimmer-Urteils des BFH vom 12. Februar 1988 VI R 141/85 (BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764) die erhöhten Absetzungen gemäß § 82 i EStDV auch hinsichtlich der auf den Eigentumsanteil der Klägerin entfallenden Modernisierungskosten als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit. Gegen das Urteil des FG hat das FA Revision eingelegt.

2. Der vorlegende IV. Senat geht davon aus, daß beide Kläger Hersteller des Gebäudes seien. Er möchte entscheiden,

- daß der Kläger bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit Absetzungen für Abnutzung (AfA) für seinen Anteil an den Anschaffungs- und Herstellungskosten nur insoweit geltend machen kann, als sie die Praxisräume betreffen, und

- daß der Kläger aus den der Klägerin zuzurechnenden Anschaffungs- und Herstellungskosten keine AfA für sog. Drittaufwand herleiten kann.

III. Begründung der Vorlage durch den IV. Senat und ergänzende Stellungnahme des I. Senats

Der IV. Senat hat die Vorlage wie folgt begründet (1.); der I. Senat hat dazu die nachfolgende ergänzende Stellungnahme abgegeben (2.):

1. Die auf den Miteigentumsanteil der Klägerin entfallenden AfA könnten nicht als sog. Drittaufwand den Gewinn des Klägers mindern, da nur der Abzug eigenen Aufwandes mit dem Prinzip der subjektiven Einkunftsermittlung vereinbar sei. Es sei auch unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht geboten, bei einer Nutzungsüberlassung durch Angehörige den Drittaufwand im Wege der Rechtsfortbildung zum Abzug zuzulassen.

Eheleute könnten durch Vereinbarung eines Mietverhältnisses den Aufwand des das Wirtschaftsgut überlassenden Eigentümers steuerlich wirksam werden lassen; machten sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so müßten sie die damit verbundenen Nachteile tragen. Bisher habe die Rechtsprechung Rechtsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen nur dann steuerliche Wirkung beigemessen, wenn wie zwischen Fremden übliche Verträge geschlossen worden seien; ansonsten werde der Aufwand von Angehörigen außer Betracht gelassen.

Möglicherweise könne in einem Sonderfall etwas anderes gelten, in welchem der Unternehmer-Ehegatte die unbenannte Zuwendung an seinen Partner dergestalt einschränke, daß ihm im beiderseitigen Einvernehmen die Nutzung vorbehalten bleibe. Man könnte in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Vorbehaltsnießbrauch oder zum anläßlich einer Schenkung vorbehaltenen schuldrechtlichen Nutzungsrecht eine Aufwandsverrechnung in Höhe der AfA zulassen, da die Anschaffungs- oder Herstellungskosten vom Unternehmer-Ehegatten selbst aus betrieblichen Gründen getragen worden seien. Würde man sich dieser Lösungsmöglichkeit anschließen, wäre noch zu entscheiden, ob die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG oder nach den Vorschriften der Gebäude-AfA zum Ansatz kämen. Diese Fragen brauchten aber deshalb nicht entschieden zu werden, da ein solches Nutzungsrecht im Streitfall nicht vereinbart worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen der Fundstellen der vom IV. Senat zitierten Rechtsprechung und Meinungen im steuerrechtlichen Schrifttum wird auf den Inhalt des in BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948 veröffentlichten Vorlagebeschlusses hingewiesen.

2. Entgegen der Auffassung des IV. Senats, so führt der I. Senat im wesentlichen aus, habe sich der Kläger des Vorlageverfahrens, der sämtliche Anschaffungs-, Finanzierungs- und Reparaturaufwendungen für das gemeinsame Objekt getragen habe, ein Nutzungsrecht an dem beruflich genutzten Gebäudeteil "vorbehalten". Der Kläger sei einem Vorbehaltsnießbraucher vergleichbar, welchem die Rechtsprechung die Abschreibungsberechtigung wegen des Umstandes zugebilligt habe, daß er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes getragen habe. Der BFH habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß derjenige, der die Aufwendungen für den ausschließlich beruflich genutzten Gebäudeteil getragen habe, ein abnutzbares Nutzungsrecht entgeltlich erworben habe. Diese Rechtsprechung bleibe vom Beschluß des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 unberührt, zumal im übrigen nach dieser Entscheidung derjenige, der ein unentgeltliches Nutzungsrecht habe, eigene Aufwendungen absetzen könne.

IV. Stellungnahme der Beteiligten

1. FA als Revisionskläger

Das FA hat sich ohne weitere Stellungnahme der Auffassung des IV. Senats im Vorlagebeschluß angeschlossen.

2. Kläger als Revisionsbeklagte

Mit dem im steuerrechtlichen Schrifttum vertretenen Zuwendungsgedanken seien die AfA als Drittaufwand abziehbar. Es sei nicht einzusehen, aus welchem Grunde die Übernahme laufender Aufwendungen durch einen Dritten zum Abzug beim Einkunftserzieler führen solle, während bei einer Zuwendung der Aufwendungen in Form der AfA diese für den Einkunftserzieler verlorengingen.

3. Bundesministerium der Finanzen (BMF)

Das BMF ist dem Rechtsstreit beigetreten und hat zum Vorlagebeschluß wie folgt Stellung genommen:

a) Der Einkommensteuer als Personensteuer lägen Einkünfte zugrunde, die der Steuerpflichtige selbst erzielt habe. Bei sämtlichen Einkunftsarten blieben daher sowohl Erträge als auch Aufwendungen eines Dritten außer Ansatz. Von eigenen Aufwendungen des Steuerpflichtigen könne zwar ausgegangen werden, wenn ein Dritter die Geldbeträge zur Begleichung entsprechender Kosten zuwende oder wenn in Abkürzung des Zahlungsweges der Dritte unmittelbar an den Gläubiger des Steuerpflichtigen zahle und diesen dadurch von einer Verbindlichkeit befreie; dagegen handele es sich aber nicht um eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen, wenn der Dritte ein Wirtschaftsgut herstelle oder anschaffe und es dem Steuerpflichtigen unentgeltlich zur Nutzung überlasse. Solche Anschaffungs- oder Herstellungskosten seien gemäß § 7 EStG über die Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zu verteilen. Die Inanspruchnahme der AfA setze grundsätzlich voraus, daß das Wirtschaftsgut Eigentum des Steuerpflichtigen sei. Dies werde auch deutlich bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 5 EStG, bei der der Steuerpflichtige nur eigenes, aber nicht fremdes Vermögen in der Bilanz ausweisen dürfe (§§ 238, 240 Abs. 1, 242 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Der handelsrechtliche Ansatz sei grundsätzlich auch für die Steuerbilanz maßgeblich. In der Steuerbilanz seien daher nur eigene Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Zum eigenen Vermögen im handels- und steuerrechtlichen Sinne gehörten zivilrechtlich im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Wirtschaftsgüter oder solche Wirtschaftsgüter, die dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich als wirtschaftlichem Eigentümer (§ 39 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) zuzurechnen seien. Sei ein Wirtschaftsgut zivilrechtlich mehreren Miteigentümern zuzurechnen, so seien sie grundsätzlich nach Bruchteilen beteiligt (§§ 1008 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Das führe dazu, daß nur gemeinschaftlich über den Gegenstand im ganzen verfügt werden könne mit der weiteren Folge, daß nur eine ideelle und nicht eine reale Zuordnung der Anteile am gemeinschaftlichen Eigentum in Betracht komme und somit nur eine anteilige AfA-Berechtigung der Miteigentümer anzunehmen sei. Würden dem unentgeltlich nutzenden Miteigentümer AfA über den ihm zuzurechnenden Miteigentumsanteil hinaus gewährt, so würde er Abschreibungen nicht auf eigenes, sondern auf fremdes Vermögen vornehmen, für welches er selbst Aufwendungen nicht getragen habe.

Von den vorbezeichneten Grundsätzen habe die Rechtsprechung nur beim Vorbehaltsnießbrauch trotz des übertragenen Gebäudeeigentums eine Ausnahme zugelassen, weil die Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeit beim Vorbehaltsnießbraucher verbleibe.

b) Die Lösungsansätze des IV. Senats im Vorlagebeschluß und des I. Senats in dessen ergänzender Stellungnahme, wonach für den Fall, daß der Unternehmer-Ehegatte die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes aus eigenen Mitteln getragen habe, entweder die unbenannte Zuwendung unter einem Nutzungsvorbehalt stehen könne (IV. Senat) oder der Unternehmer-Ehegatte ein abnutzbares Nutzungsrecht entgeltlich erlangt habe (I. Senat), könnten nicht zur vollen Abschreibungsberechtigung des Unternehmer-Ehegatten führen. Gegen die Auffassung der beiden Senate, wonach der betrieblich Nutzende die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das gemeinschaftliche Grundstück allein getragen habe, spreche, daß die Miteigentümer zivilrechtlich Gesamtschuldner seien (§ 421 BGB). Leiste einer der Gesamtschuldner, so werde auch der andere von der Verbindlichkeit befreit (§ 422 BGB). Verzichte der Unternehmer-Ehegatte auf seinen Ausgleichsanspruch (§ 426 BGB), so seien dem anderen Miteigentümer-Ehegatten die auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten als eigene Aufwendungen zuzurechnen. Damit könne auch nur dem Zuwendungsempfänger die Befugnis zur Vornahme der AfA zustehen. Ob dem Unternehmer-Ehegatten an dem Miteigentumsanteil des anderen Ehegattens ein Nutzungsrecht zugewendet worden sei, könne dahingestellt bleiben, da nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 die unentgeltlich eingeräumte Möglichkeit, ein Wirtschaftsgut betrieblich zu nutzen, kein einlagefähiges Wirtschaftsgut sei, so daß AfA hierauf nicht vorgenommen werden könnten.

Der Zuwendungsgedanke könne ebenfalls nicht zur Berücksichtigung von AfA führen; denn dem Unternehmer-Ehegatten würden nicht im Wege der abgekürzten Zahlung laufende Aufwendungen zugewendet, sondern der andere Ehegatte habe ein Wirtschaftsgut unentgeltlich zur Nutzung überlassen.

Da die Ermittlung der Einkünfte für jeden Ehegatten getrennt vorzunehmen sei, könnten auch für die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft keine Besonderheiten gelten.

Entscheidungsgründe

B. Zulässigkeit der Vorlage - Präzisierung der Fragestellung

Die Vorlage ist zulässig. Die Vorlagefrage ist grundsätzlich bedeutsam und aus der Sicht des vorlegenden Senats entscheidungserheblich. Zwar ist das FA davon ausgegangen, der Kläger habe hinsichtlich der auf den Eigentumsanteil der Klägerin entfallenden Herstellungskosten ein Nutzungsrecht erlangt; es hat demgemäß dem Kläger bereits jährliche AfA in Höhe von 2,5 v. H. der entsprechenden Herstellungskosten zugebilligt. Dem IV. Senat geht es mit der Vorlage aber erkennbar um die Klärung der Rechtsfrage, ob der ein Wirtschaftsgut unentgeltlich nutzende Steuerpflichtige über die Rechtsfigur des Drittaufwandes zur Inanspruchnahme auch der erhöhten Absetzungen befugt ist.

C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage

Hat ein Steuerpflichtiger die Kosten für die Herstellung eines ihm nur zu Miteigentum gehörenden Gebäudes getragen, das er für seine betrieblichen Zwecke nutzen darf, so ist er befugt, seinen den betrieblich genutzten Teil des Gebäudes betreffenden Herstellungsaufwand in Form von AfA als Betriebsausgaben abzusetzen.

I. Im Vorlagefall stellt sich die Frage der Abziehbarkeit von Drittaufwand nicht. Von Drittaufwand kann nur gesprochen werden, wenn ein Dritter Kosten trägt, die durch die Einkunftserzielung des Steuerpflichtigen veranlaßt sind. Vorliegend hat aber der Kläger selbst die Kosten für die Herstellung des Praxisteils getragen. Er hat diese Kosten im eigenen betrieblichen Interesse aufgewendet. Hier geht es, soweit der Miteigentumsanteil der Klägerin betroffen ist, um die steuerrechtliche Behandlung von Eigenaufwand, der im eigenen betrieblichen Interesse auf ein fremdes Wirtschaftsgut getätigt worden ist.

Da es auf die Frage der Abziehbarkeit von Drittaufwand nicht ankommt, hat der Große Senat nicht darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise der Steuerpflichtige die Aufwendungen eines Angehörigen als sog. Drittaufwand absetzen kann.

II. Ausgaben für die Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens dürfen nur mit den AfA berücksichtigt werden (§ 4 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 i. V. m. § 7 EStG). Nach feststehender Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sind Gebäudeteile, die in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen, als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen (vgl. z. B. Beschluß des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, unter C II 3 d der Gründe; Urteil vom 18. August 1977 VIII R 7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796; R 13 Abs. 4 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1993). Diese Rechtsprechung hat mittlerweile in § 7 Abs. 4 und Abs. 5 EStG durch die unterschiedlichen Abschreibungsgrundsätze für Wirtschaftsgebäudeteile einerseits und Wohngebäudeteile andererseits sowie durch § 7 Abs. 5 a EStG ihre Bestätigung durch den Gesetzgeber gefunden. Daher kommt im Vorlagefall als abnutzbares Wirtschaftsgut wegen seines unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhanges gegenüber den Wohnräumen der auf die Praxis entfallende Teil des Gebäudes in Betracht.

Nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung und jahrzehntelanger Verwaltungspraxis ist ein selbständiger Gebäudeteil wiederum in so viele Wirtschaftsgüter aufzuteilen, wie Gebäudeeigentümer vorhanden sind (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 26. Januar 1978 IV R 160/73, BFHE 124, 335, BStBl II 1978, 299; vom 21. Februar 1990 X R 174/87, BFHE 160, 173, BStBl II 1990, 578; vom 8. März 1990 IV R 60/89, BFHE 160, 443, BStBl II 1994, 559; vom 20. September 1990 IV R 300/84, BFHE 162, 86, BStBl II 1991, 82, und vom 7. November 1991 IV R 57/90, BFHE 165, 545, BStBl II 1992, 141; s. weiter Abschn. 14 Abs. 2 Beispiel C EStR bis 1987, R 13 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 7 Satz 5 EStR 1993). Diese Auffassung hat im Vorlagefall zur Konsequenz, daß dem Kläger der auf die Praxis entfallende Teil des Gebäudes seinem Miteigentumsanteil entsprechend zur Hälfte als Wirtschaftsgut seines Betriebsvermögens zuzurechnen ist. Auf die Herstellungskosten dieses Wirtschaftsguts sind die AfA nach den in Betracht kommenden Vorschriften - im Streitfall § 82 i EStDV - vorzunehmen, wie es zutreffend in den Einkommensteuerbescheiden 1984 und 1985 geschehen ist.

Hinsichtlich ihres hälftigen Miteigentumsanteils ist der Praxisteil ein Wirtschaftsgut der Klägerin, welches mangels einkommensteuerrelevanter Nutzung durch diese zu deren einkommensteuerrechtlich unbeachtlichem Privatvermögen gehört. Daher kann die Klägerin keine AfA steuermindernd geltend machen. Dies bedeutet aber nicht, daß auch der Kläger von AfA auf diesen Teil der Herstellungskosten ausgeschlossen wäre. Bei der Beantwortung der Frage, ob dem Kläger auch insoweit AfA zustehen, kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß der Kläger diese Herstellungskosten im eigenen betrieblichen Interesse selbst getragen hat.

III. Das allen Einkunftsarten zugrundeliegende Nettoprinzip, demzufolge die erwerbssichernden Aufwendungen von den steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen werden (vgl. § 2 Abs. 2 i. V. m. §§ 4 ff. und 9 EStG), gebietet grundsätzlich den Abzug der vom Steuerpflichtigen zur Einkunftserzielung getätigten Aufwendungen auch dann, wenn und soweit diese Aufwendungen auf in fremdem Eigentum stehende Wirtschaftsgüter erbracht werden. Dieses Prinzip fordert ferner die weitere steuermindernde Berücksichtigung von noch nicht verbrauchtem eigenem Aufwand, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut, auf welches er Aufwendungen getätigt hatte, zwar auf einen Dritten übertragen hat, er aber dieses Wirtschaftsgut weiterhin für Zwecke der Einkunftserzielung nutzen darf.

1. Auf dem Rechtsgedanken des Nettoprinzips beruht die Rechtsprechung des BFH zu Fallgestaltungen wie der des Vorlagefalles, in denen ein Miteigentümer nach Bruchteilen auf eigene Rechnung mit Zustimmung des betriebsfremden Miteigentümers Baulichkeiten auf dem gemeinsamen Grundstück errichtet und unentgeltlich für betriebliche Zwecke nutzt. Die Rechtsprechung hat den für eigene Rechnung bauenden Miteigentümer zwar grundsätzlich nicht als wirtschaftlichen Eigentümer des dem anderen Miteigentümer zivilrechtlich gehörenden Anteils am Grundstück und Gebäude angesehen. Für Fälle dieser Art hat die ständige Rechtsprechung aber angenommen, daß derjenige Miteigentümer, der die Aufwendungen für den durch ihn ausschließlich beruflich genutzten Gebäudeteil getragen hat, die durch die Baumaßnahmen geschaffenen Nutzungsmöglichkeiten "wie materielle Wirtschaftsgüter" mit den Herstellungskosten zu aktivieren hat (z. B. BFH-Urteile vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75, BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399; VIII R 196/77, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401; VIII R 146/75, BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507, jeweils m. w. N.; vom 22. Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244, und vom 17. März 1989 III R 58/87, BFHE 157, 83, BStBl II 1990, 6).

2. Die Rechtsprechung ist in Fällen der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten entsprechend verfahren, wenn der frühere Eigentümer sich das Recht vorbehalten hat, das Wirtschaftsgut weiterhin für Zwecke seiner Einkunftserzielung zu nutzen.

a) So hat der III. Senat des BFH durch Urteil vom 16. Dezember 1988 III R 113/85 (BFHE 155, 380, BStBl II 1989, 763, m. w. N.) für den Fall eines bei der Schenkung eines Betriebsgrundstücks vorbehaltenen Nießbrauchs entschieden, daß der nießbrauchsberechtigte Betriebsinhaber, der das nießbrauchbelastete Grundstück wie bisher betrieblich weiter nutzt, seine eigenen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der betrieblichen Nutzung des Grundstücks stehen, gewinnmindernd berücksichtigen kann (zum Vorbehaltsnießbrauch bei Überschußeinkünften s. z. B. BFH-Urteile vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380, und vom 5. Juli 1984 IV R 57/82, BFHE 146, 370, BStBl II 1986, 322). Zu diesen eigenen Aufwendungen zählt der III. Senat die abschreibbaren Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die der nießbrauchsberechtigte Betriebsinhaber selbst auf das verschenkte Wirtschaftsgut aufgewendet hatte, soweit sie durch frühere AfA noch nicht verbraucht sind. Denn durch die fortdauernde betriebliche Nutzung des Wirtschaftsguts bleibt die betriebliche Veranlassung der auf die Nutzungsdauer zu verteilenden Aufwendungen des Betriebsinhabers für die Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts auch nach dem Verlust der Eigentümerstellung gewahrt.

b) Diese Rechtsprechung hat der X. Senat durch Urteil vom 20. September 1989 X R 140/87 (BFHE 158, 361, BStBl II 1990, 368) für den Fall des anläßlich der Schenkung eines Betriebsgrundstücks vorbehaltenen obligatorischen Nutzungsrechts fortgeführt und dabei entschieden, daß das vorbehaltene obligatorische Nutzungsrecht "wie ein materielles Wirtschaftsgut" mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren ist.

c) Die vorbezeichnete Rechtsprechung entspricht den Grundsätzen im Beschluß des Großen Senats in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348. Denn durch die Bejahung betrieblich veranlaßter Aufwendungen wird nicht etwa ein auf der Nutzung beruhender und im Betrieb erwirtschafteter Gewinn der Besteuerung entzogen, sondern es wird ein vom Betriebsinhaber selbst für betriebliche Zwecke getragener Aufwand zum Betriebsausgabenabzug anerkannt.

d) In den von der vorstehenden Rechtsprechung entschiedenen Fallgestaltungen geht es nicht um die steuerrechtlichen Folgen der Nutzung fremden Vermögens, sondern in erster Linie um die Abziehbarkeit von eigenem Aufwand, der durch die Einkunftserzielung veranlaßt ist. Zur Wahrung des Nettoprinzips sind daher eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Herstellung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden bzw. frühere eigene Aufwendungen in Fällen des vorbehaltenen Nutzungsrechts zum Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug zugelassen worden. Lediglich aus bilanztechnischen Gründen ist der zu beurteilende Aufwand des Steuerpflichtigen "wie ein materielles Wirtschaftsgut" behandelt worden.

IV. Der IV. Senat hat angenommen, daß es in dem dem Vorlageverfahren zugrundeliegenden Streitfall nicht zur Vereinbarung einer Nutzungsbefugnis gekommen sei. Dem widersprechen jedoch die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse. In Fällen der vorliegenden Art besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß dem die Kosten des Bauwerks tragenden Ehegatten eine Nutzungsbefugnis gegenüber seinem Ehepartner zusteht.

V. Die dem Kläger zustehende Nutzungsbefugnis ist - wie bereits oben ausgeführt - nach dem Vorbild von Bauten auf fremdem Grund und Boden "wie ein materielles Wirtschaftsgut" zu behandeln. Gleichwohl hat die Rechtsprechung angenommen, daß die Absetzungen für Abnutzung nicht nach den für Gebäude geltenden Bestimmungen vorgenommen werden können, vielmehr nur eine Abschreibung gemäß § 7 Abs. 1 EStG entsprechend der Dauer des Nutzungsrechts in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399; BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401; BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507). Hieran ist jedoch nicht weiter festzuhalten. Wird die Nutzungsbefugnis "wie ein materielles Wirtschaftsgut" behandelt, müssen sich auch die Absetzungen daran orientieren. Dies steht im Einklang mit den Absichten des Gesetzgebers, wenn für die Kosten der Gebäudeherstellung erhöhte Absetzungen vorgesehen sind, wie dies im Streitfall durch § 82 i EStDV geschehen ist. Die danach beabsichtigte Förderung einschlägiger Baumaßnahmen wird auch erreicht, wenn die Begünstigung für Bauten auf fremdem Grund und Boden gewährt wird, die in Ausübung einer Nutzungsbefugnis errichtet wurden. Im Ergebnis kann der Kläger damit erhöhte Absetzungen für die gesamten von ihm getragenen Herstellungskosten beanspruchen.

VI. Der Große Senat entscheidet wie folgt:

Hat ein Steuerpflichtiger Herstellungskosten für ein im Miteigentum stehendes Wirtschaftsgut getragen und darf er das Wirtschaftsgut für seine betrieblichen Zwecke ohne Entgelt nutzen, so kann er diese Herstellungskosten als eigenen Aufwand durch Absetzungen für Abnutzung (ggf. auch durch erhöhte Absetzungen) als Betriebsausgaben abziehen.