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  BFH-Urteil vom 24.11.1994 (IV R 25/94) BStBl. 1995 II S. 318

Wird ein im Privatvermögen gehaltenes Fahrzeug eines selbständig Tätigen bei einer beruflich veranlaßten Fahrt infolge eines Unfalls beschädigt und nicht repariert, so richtet sich die Höhe der AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG nach den Anschaffungskosten abzüglich der (normalen) AfA, die der Steuerpflichtige hätte in Anspruch nehmen können, wenn er das Fahrzeug im Betriebsvermögen gehalten hätte.

EStG § 7 Abs. 1 Satz 5.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als selbständiger Sachverständiger tätig. Im Jahre 1989 erlitt er auf einer beruflich veranlaßten Fahrt einen Verkehrsunfall, der zur Totalbeschädigung des verwendeten Kraftfahrzeugs führte. Der Wagen stand im Privatvermögen, wurde jedoch auch beruflich genutzt. Vor dem Unfall belief sich der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, das der Kläger im zweiten Halbjahr 1986 zu einem Preis von 9.200 DM erworben hatte, auf 6.912 DM. In Höhe dieses Betrages berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung 1989 Absetzungen für außerordentliche Abnutzung (AfaA).

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte der Kläger für die Streitjahre (1989 und 1990) die Berücksichtigung des Freibetrages für Angehörige freier Berufe nach § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a. F. Ferner machte er geltend, die AfaA wegen des Totalverlusts des Autos sei erst im Jahre 1990 zu berücksichtigen, weil er sich erst in diesem Jahre entschlossen habe, den Schaden nicht bei der gegnerischen Versicherung, die seine bedeutendste Auftraggeberin gewesen sei, geltend zu machen.

Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) für das Jahr 1990 den Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG a. F. gewährte. Bei der Steuerberechnung für das Jahr 1989 saldierte das FG den Freibetrag mit den vom FA gewährten AfaA. Es vertrat die Auffassung, daß die AfaA höchstens mit den um die Normal-Absetzung für Abnutzung (Normal-AfA) gekürzten Anschaffungskosten berücksichtigt werden dürften. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 622 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Abweichung von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. November 1979 VI R 156/77 (BFHE 129, 143, BStBl II 1980, 71), und vom 29. März 1982 VI R 25/80 (BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442) rügt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich der Einkommensteuer 1990 unzulässig, hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 unbegründet.

1. Die Revision ist, soweit Änderung des Einkommensteuerbescheides 1990 begehrt wird, unzulässig. Zwar hat das FG die Zulassung der Revision nicht ausdrücklich auf das Streitjahr 1989 beschränkt (vgl. Senats-Urteil vom 30. Januar 1970 IV 2/65, BFHE 98, 326, BStBl II 1970, 383; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdnr. 46 m. w. N.), die Revisionsbegründung genügt aber nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen. Allerdings konnte sich der Kläger, da das FG im angefochtenen Urteil nach seiner eigenen Auffassung von der bisherigen BFH-Rechtsprechung abgewichen ist, darauf beschränken, diese Abweichung darzustellen und zu erklären, er schließe sich der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung an (BFH-Urteil vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523). Das gilt aber nur insoweit, als er ausschließlich die Abweichung rügen will (BFH-Urteil in BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523). Begehrt er dagegen die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch im Hinblick auf Steuerbescheide, die von der vom FG angenommenen Abweichung nicht betroffen sind, gelten insoweit die allgemeinen Regeln für die Revisionsbegründung (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463). Demnach hätte der Kläger nicht nur die bei der Einkommensteuerfestsetzung 1990 verletzten Rechtsnormen angeben, sondern auch darlegen müssen, welche Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil unrichtig erscheinen lassen (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 120 Rdnr. 32 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung hinsichtlich der Einkommensteuer 1990 nicht, da der Kläger den BFH insoweit nur allgemein um eine Überprüfung des finanzgerichtlichen Urteils bittet.

2. Soweit sich die Revision gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1989 wendet, ist sie zulässig, aber unbegründet.

Wird ein im Privatvermögen gehaltenes Fahrzeug eines selbständig Tätigen bei einer beruflich veranlaßten Fahrt infolge eines Unfalls beschädigt und nicht repariert, so ist die Vermögenseinbuße im Wege der AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Höhe der AfaA nicht nach der Differenz der Zeitwerte vor und nach dem Unfall zu bemessen ist. Grundlage jeder Absetzung nach § 7 Abs. 1 EStG sind nach dem Gesetzeswortlaut stets die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, nicht dagegen der Zeitwert (BFH-Urteile vom 14. Februar 1989 IX R 109/84, BFHE 156, 417, BStBl II 1989, 922; vom 16. Februar 1990 VI R 85/87, BFHE 160, 436, BStBl II 1990, 883 zur Umwidmung ursprünglich privat genutzter Wirtschaftsgüter). Dem FG ist ferner darin zuzustimmen, daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der AfaA um die (normalen) AfA zu kürzen sind, die der Steuerpflichtige hätte in Anspruch nehmen können, wenn er das Fahrzeug ausschließlich zur Einkünfteerzielung verwendet hätte. Andernfalls würden sich infolge des Unfalls Aufwendungen gewinnmindernd auswirken, die durch die vorangegangene private Nutzung veranlaßt sind (BFH-Urteil in BFHE 156, 417, BStBl II 1989, 922 unter III. 3.) oder die wegen der teilweise beruflichen Nutzung bereits vorher im Wege der AfA zu einer Minderung der Einkünfte geführt haben (FG Köln, Urteil vom 16. Januar 1992 5 K 5806/89 - rechtskräftig -, EFG 1992, 659; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 19 Anm. 12 "Unfallkosten"; v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 482; vgl. auch BFH-Urteil vom 31. Januar 1992 VI R 57/88, BFHE 166, 502, BStBl II 1992, 401 unter 3 a). Das gilt auch insofern, als das Fahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebs- oder Arbeitsstätte verwendet worden ist. Denn auch insoweit sind im Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG die gewöhnlichen AfA enthalten und - soweit sie den Pauschbetrag übersteigen - vom Gesetzgeber gezielt vom steuerlichen Abzug ausgeschlossen worden.

Schließlich ist auch die Berechnung des vom FG gebildeten "fiktiven Restbuchwertes" nicht zu beanstanden. Die von den Anschaffungskosten abzuziehenden AfA richten sich nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG). Als Nutzungsdauer bei einem PKW wird bei einer Jahresfahrleistung von bis zu 15.000 km regelmäßig ein Zeitraum von acht Jahren zugrunde gelegt. Bei höherer Fahrleistung - im Falle des Klägers nach den Feststellungen des FG 30.000 km - kann die Nutzungsdauer kürzer sein (BFH-Urteil vom 26. Juli 1991 VI R 82/89, BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000). Zieht man neben der hohen Jahresfahrleistung in Betracht, daß es sich bei dem Fahrzeug des Klägers nach den Feststellungen des FG um einen Kleinwagen handelte, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG die Nutzungsdauer auf sechs Jahre geschätzt hat.

Der Senat weicht mit seinem Urteil nicht von den Urteilen des VI. Senats des BFH in BFHE 129, 143, BStBl II 1980, 71, und in BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442 ab. In jenen Urteilen, deren Richtigkeit zudem vom VI. Senat mittlerweile in Zweifel gezogen wird (Urteil in BFHE 166, 502, BStBl II 1992, 401 unter 3. a) ging es um die steuerliche Auswirkung der AfaA bei Überschußeinkünften i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG, bei denen es kein Betriebsvermögen gibt. Demgegenüber gehören bei Gewinneinkünften i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb unmittelbar dienen, regelmäßig zum Betriebsvermögen, auch wenn sie privat mitbenutzt werden. In diesem Fall besteht kein Zweifel, daß Grundlage einer AfaA der Buchwert ist. Wirtschaftsgüter können umgekehrt wie im Streitfall auch zum Privatvermögen gehören und betrieblich mitbenutzt werden. In einem solchen Fall bleibt zwar die Veräußerung als privat veranlaßter Vorgang ohne steuerliche Auswirkung. Im Falle eines beruflich verursachten Totalschadens darf die steuerliche Behandlung jedoch nicht anders sein als bei einem im Betriebsvermögen gehaltenen Wirtschaftsgut.