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  BFH-Urteil vom 21.12.1994 (I R 79/94) BStBl. 1995 II S. 321

Fließen einem Steuerpflichtigen durch Nutzung eines ererbten Urheberrechts einkommensteuerpflichtige Einkünfte zu, so kann die hierauf entfallende Einkommensteuer auch dann nicht gemäß § 35 EStG gemildert werden, wenn der Ertragswert des Urheberrechts der Erbschaftsteuer unterlegen hat.

EStG § 35.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Aufgrund eines Vermächtnisses waren auf den 1986 verstorbenen Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Urheberrechte übergegangen. Die Erbschaftsteuer war gegenüber dem Ehemann der Klägerin festgesetzt und von der Klägerin gezahlt worden. Bei der Erbschaftsteuerberechnung wurde der Wert des Vermächtnisses mit rd. 230.000 DM angesetzt. Dem lag ein geschätzter künftiger jährlicher Durchschnittsertrag des Urheberrechts in Höhe von 56.000 DM zugrunde.

Bei der Veranlagung 1986 wurde aufgrund der Einkünfte aus dem Urheberrecht eine Steuerermäßigung gemäß § 35 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährt.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres Mannes. Aufgrund der Freibeträge, die ihr als Ehefrau zustehen, hatte sie keine Erbschaftsteuer zu entrichten. Im Streitjahr 1987 flossen ihr aus der Verwertung der Urheberrechte ca. 120.000 DM zu. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erfaßte die Urheberrechtsvergütungen nach Abzug von Betriebsausgaben als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Der Antrag der Klägerin, diese Einkünfte - wie 1986 - nach § 35 EStG ermäßigt zu besteuern, hatte weder beim FA noch beim Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG verneinte eine wirtschaftliche Identität zwischen dem mit Erbschaftsteuer belasteten Erwerb der Urheberrechte und den daraus fließenden Einnahmen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 35 EStG. Sie beantragt, das Urteil des FG dahin gehend abzuändern, daß der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1987 vom 10. Januar 1990 in Form der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 1992 dahin gehend berichtigt wird, daß anstelle der festgesetzten Einkommensteuer von .... DM lediglich Einkommensteuer in Höhe von .... DM festgesetzt wird und festzustellen, daß die Klägerin es als erforderlich ansehen durfte, für das Vorverfahren einen Bevollmächtigten hinzuzuziehen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die auf die Einkünfte aus dem ererbten Urheberrecht entfallende Einkommensteuer ist nicht zu mildern.

Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird auf Antrag die hierauf entfallende Einkommensteuer nach § 35 EStG ermäßigt. Die der Klägerin im Streitjahr 1987, also zwei Jahre nach dem Erbfall, aus der Verwertung des Urheberrechts zugeflossenen Einkünfte haben nicht der Erbschaftsteuer unterlegen. Sie sind Erträge, die - erbschaftsteuerlich gesehen - auf die Zeit nach dem Tod des Erblassers entfallen (Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 35 Anm. 5; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 35 EStG 1975 Anm. III 2 a; Maßbaum, Betriebs-Berater - BB - 1992, 606).

1. Der Wortlaut des § 35 EStG ist insoweit verfehlt, als der Erbschaftsteuer keine Einkünfte unterliegen. Der Erbschaftsteuer unterliegen Bereicherungen und damit letztlich einzelne Vermögensgegenstände (§ 10 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes - ErbStG -; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1990 X R 72/89, BFHE 163, 137, BStBl II 1991, 350). Systematisch gesehen wurde daher auch im Streitfall das Urheberrecht als solches, nicht aber die künftig hieraus fließenden Einnahmen der Erbschaftsteuer unterworfen. An diesem Prinzip ändert sich auch nichts dadurch, daß der Wert des ererbten immateriellen Wirtschaftsguts mangels Substanzwerts anhand der künftig erzielbaren Erträge (vgl. BFH-Urteile vom 4. März 1966 III 58/62, BFHE 86, 72, BStBl III 1966, 348; vom 20. Februar 1970 III 75/66, BFHE 98, 553, BStBl II 1970, 484; Abschn. 64 der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR -) zu schätzen war. Dafür, daß in den 1987 zugeflossenen Einkünften solche enthalten sind, auf deren Zahlung bereits im Zeitpunkt des Erbfalles ein Anspruch entstanden war, bestehen keine Anhaltspunkte.

2. Die Rechtssituation ist nicht vergleichbar mit der einer Veräußerung eines ererbten Vermögensgegenstandes nach dem Erbfall (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 10. März 1988 IV R 226/85, BFHE 153, 318, BStBl II 1988, 832; in BFHE 163, 137, BStBl II 1991, 350). Da der Erbschaftsteuer der Vermögensgegenstand als solcher unterlegen hat, werden Einkünfte, die nach dem Erbfall aus der Realisierung der in ihm ruhenden und der Erbschaftsteuer unterliegenden stillen Reserven i. S. von § 35 EStG erbschaft- und einkommensteuerlich doppelt erfaßt. Dementsprechend greift zwar § 35 EStG auch ein, wenn bei Veräußerung eines ererbten immateriellen Wirtschaftsguts dessen stille Reserven realisiert werden und diese einkommensteuerpflichtig sind. Eine Umsetzung des Werts eines ererbten Rechts durch Nutzung fällt jedoch nicht hierunter.

3. Der Senat setzt sich nicht in Widerspruch zu der herrschenden und mittlerweile auch vom BFH bestätigten Auffassung, wonach die Voraussetzungen des § 35 EStG auch vorliegen, wenn bei der Erbschaftsteuer ein Anspruch auf wiederkehrende Leistungen und Nutzungen erfaßt wird, die beim Erwerber als wiederkehrende Bezüge bzw. Einkünfte aus dem Nutzungsrecht in voller Höhe der Einkommensteuer unterliegen (BFH-Urteil vom 23. Februar 1994 X R 123/92, BFHE 174, 73, BStBl II 1994, 690; vgl. z. B. Maßbaum, BB 1992, 606, 607; Fumi in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 35 Rdnr. 3 f.; Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 35 Rdnr. 10). Die Klägerin hat keinen nach § 13 des Bewertungsgesetzes zu bewertenden Anspruch auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen aus dem Urheberrecht geerbt, sondern das Urheberrecht selbst (vgl. auch BFH in BFHE 86, 72, BStBl III 1966, 348).