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  BFH-Beschluß vom 26.10.1994 (III B 19/93) BStBl. 1995 II S. 373

1. Die Frage, ob Eltern oder Elternteile mit zwei Kindern im Jahre 1990 durch die steuerlichen Kinderfreibeträge und das Kindergeld in ausreichendem, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendem Umfang entlastet wurden, hat grundsätzliche Bedeutung.

2. Im selben Sinne klärungsbedürftig ist auch, ob und ggf. wie in Veranlagungszeiträumen ab 1990 - nach der Streichung von § 33a Abs. 1a EStG - sog. Kontaktpflegeaufwendungen lediglich barunterhaltsverpflichteter Elternteile neben dem hälftigen Kinderfreibetrag zu berücksichtigen sind.

EStG 1990 § 32 Abs. 6, § 33.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist seit 1983 geschieden. Aus der geschiedenen Ehe stammen zwei Kinder, die bei der Mutter leben.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger für das Streitjahr (1990) nach der Grundtabelle zur Einkommensteuer. Dabei wurden zwei halbe Kinderfreibeträge in Höhe von jeweils 1.512 DM berücksichtigt. Der Bescheid erging hinsichtlich des Grundfreibetrages und der Kinderfreibeträge gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig.

Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Einspruch und begehrte den Abzug eines "Kinderkontaktfreibetrages" in Höhe von insgesamt 1.200 DM.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage trug er vor, daß er für die Kontaktpflege mit seinen Kindern insgesamt 5.606,32 DM (Fahrtkosten, Urlaubskosten sowie Kosten für Bekleidung und Fahrradreparaturen) aufgewendet habe. Außerdem berief er sich zusätzlich auf die Verfassungswidrigkeit des Kinderlastenausgleichs.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 239 wiedergegebenen Gründen als unbegründet ab.

Entscheidungsgründe

II.

Die dagegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Der Kläger hat zwei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) aufgeworfen; nämlich die nach der Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für Eltern mit zwei Kindern im Jahre 1990 und die nach der Abziehbarkeit der sog. Kontaktpflegeaufwendungen nach dem Wegfall des § 33a Abs. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) a. F. Er hat auch die Klärungsbedürftigkeit - jedenfalls der ersten Frage (Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs) - entsprechend den Erfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

Insoweit bestehen auch nicht etwa Bedenken gegen die Klärungsfähigkeit. Der Beschluß des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. November 1993 X B 83/93 (BFHE 172, 197, BStBl II 1994, 119) spielt hier keine Rolle. Dies ergibt sich schon daraus, daß ein Verfahren, das den Kinderlastenausgleich für Eltern mit zwei Kindern im Jahre 1990 betrifft, noch nicht beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig ist. Auch hat der erkennende Senat als der zuständige Fachsenat dazu noch nicht Stellung genommen. Der Kläger könnte also bereits deswegen ein berechtigtes Interesse geltend machen, weshalb er sich mit der vorläufigen Veranlagung (oder auch einer eventuellen Aussetzung des Klageverfahrens entsprechend § 74 FGO; s. hierzu den Beschluß des erkennenden Senats vom 27. November 1992 III B 133/91, BFHE 169, 498, BStBl II 1993, 240) nicht zufriedengibt (oder -gegeben hätte). Aus den gleichen Gründen fehlte dem Kläger - anders als im Falle des o. g. Beschlusses in BFHE 172, 197, BStBl II 1994, 119 - auch nicht das Rechtsschutzinteresse für das Einspruchsverfahren oder das Klageverfahren.

2. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind auch klärungsbedürftig.

a) Klärungsbedürftig ist zum einen, ob die sog. Kontaktpflegeaufwendungen ab 1990 durch den hälftigen Kinderfreibetrag ausreichend berücksichtigt sind oder ob für die hiervon betroffene Gruppe der Steuerpflichtigen der Kinderlastenausgleich ab dem Jahre 1990 schon wegen einer entsprechenden Kürzung des Kinderfreibetrages (vergleichbar der Kürzung wegen der unabweisbaren Vorsorgeaufwendungen im Senatsurteil vom 14. Januar 1994 III R 194/90, BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429) verfassungswidrig ist. Zu klären wäre auch, ob statt dessen der vom FG für möglich gehaltene, aber letztlich offengelassene, Weg für einen Abzug nach § 33 EStG gewählt werden könnte.

b) Klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob der "normale" Kinderlastenausgleich für Eltern mit zwei Kindern im Jahre 1990 verfassungsgemäß war. Es war zwar ab 1990 der Kinderfreibetrag - gegenüber 1986 bis 1989 - um 540 DM erhöht worden; doch waren andererseits auch die Sozialhilfeleistungen gegenüber 1986 deutlich gestiegen. Die Verfassungsmäßigkeit ist zumindest sehr zweifelhaft (s. hierzu Herden, Deutsche Steuer-Zeitung 1994, 385, 386 Nr. 3a, dd).

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.