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  BFH-Urteil vom 6.3.1995 (VI R 63/94) BStBl. 1995 II S. 471

Zahlt ein Musiktheater an seine angestellten Orchestermusiker Vergütungen für die Übertragung von Leistungsschutzrechten betreffend Fernsehausstrahlungen, so handelt es sich nicht um Arbeitslohn, sondern um Einnahmen aus selbständiger Arbeit, wenn die Leistungsschutzrechte nicht bereits aufgrund des Arbeitsvertrages auf den Arbeitgeber übergegangen und die Höhe der jeweiligen Vergütungen in gesonderten Vereinbarungen festgelegt worden sind.

EStG § 18, § 19 Abs. 1 Nr. 1; UrhG §§ 73ff.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Musiktheater, übertrug für zwei Theaterproduktionen Aufzeichnungsverwertungsrechte an Fernsehanstalten. Die Verträge mit den Fernsehanstalten sahen jeweils vor, daß die Klägerin alle für die Fernsehausstrahlung erforderlichen Rechte auf die Anstalten übertrug. Dem Personal der Klägerin sollten aus den Verträgen keine unmittelbaren Honoraransprüche erwachsen.

§ 7 des für die Klägerin und ihre Orchestermusiker einschlägigen Tarifvertrags lautet:

"Mitwirkungspflichten

(1) Der Musiker ist verpflichtet, bei allen Veranstaltungen mit dem Orchester .... mitzuwirken, die der Arbeitgeber .... unternimmt ....

(2) Die Mitwirkungspflicht umfaßt auch die Mitwirkung ....

b) bei Darbietungen für Rundfunk- und Fernsehzwecke (live oder aufgezeichnet) im Theater, Konzertsaal oder im Rundfunk- bzw. Fernsehstudio .... sowie die Einwilligung in die Verwertung der für die Aufnahme und die Ausstrahlung erforderlichen Rechte ...."

In den sog. Protokollnotizen zu § 7 des Tarifvertrages ist unter Nr. 3 bestimmt:

"Die Verwertung der Einwilligungsrechte durch Sender oder deren Produktionsgesellschaften .... setzt voraus, daß jeweils vor Beginn der Sendung oder Aufzeichnung die Sende- und Vervielfältigungsvergütungen .... mit den Mitwirkenden .... vereinbart sind."

Die Klägerin zahlte an die Orchestermitglieder die mit dem Orchestervorstand vereinbarten Vergütungen für die Übertragung der Senderechte für die beiden Theaterproduktionen. Zwischen der Klägerin und dem Orchestervorstand entstand Streit darüber, ob es sich bei diesen Vergütungen zur Abgeltung der Leistungsschutzrechte i. S. der §§ 73ff. des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) um Arbeitslohn der einzelnen Orchestermitglieder oder um Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt. In einer von der Klägerin eingeholten Anrufungsauskunft nach § 42e EStG vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Ansicht, es handele sich um Arbeitslohn. Diese Auffassung wurde von der Senatsverwaltung für Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder mit Schreiben vom 18. Juli 1989 bestätigt.

Daraufhin reichte die Klägerin die Lohnsteuer-Nachtragsmeldung 12/89 und die Lohnsteuer-Sonderanmeldung 3/90 ein.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Sprungklage statt und hob die Lohnsteueranmeldungen auf. Es vertrat die Ansicht, die Vergütung für die Übertragung der den Orchestermitgliedern originär zustehenden Leistungsschutzrechte sei nicht im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Deshalb seien die Zahlungen den Einkünften aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 EStG zuzuordnen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 27 veröffentlicht.

Das FA stützt seine Revision sinngemäß auf eine Verletzung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Es meint, die Vergütungen für die Leistungsschutzrechte seien nach dem Veranlassungsprinzip als Arbeitslohn zu beurteilen. Die Gleichzeitigkeit der Aufzeichnung mit der Aufführung führe zu der Erkenntnis, daß hier ein und dieselbe Tätigkeit aus nichtselbständiger Arbeit vorliege, die auch die Voraussetzungen für spätere Vergütungen schaffe. Konsequenterweise müßten dann die folgenden Einnahmen auch derselben Einkunftsquelle zuzurechnen sein, in der die Ursachen für die Einnahmen gelegt worden seien.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die von der Klägerin an die Orchestermitglieder gezahlten Vergütungen für die Leistungsschutzrechte nicht als Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen und die angefochtenen Lohnsteueranmeldungen deshalb aufzuheben sind.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung werden gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Vorteile "für eine Beschäftigung" gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726, 728). Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642) und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d. h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. BFH in BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726, 728).

Im Streitfall teilt der Senat die Wertung des FG, daß die Zahlungen der Klägerin an die Orchestermitglieder für die Übertragung der Leistungsschutzrechte nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt sind.

Die an den ausübenden Künstler gezahlten Vergütungen für die kraft Gesetzes (§§ 73ff. UrhG) originär in seiner Person entstandenen Leistungsschutzrechte sind in der Regel den Einkünften des Künstlers aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 EStG zuzurechnen. Sie werden nicht "für eine Beschäftigung", sondern zur Abgeltung von originär in der Person des Künstlers entstandenen Rechten gezahlt. Für den Fall, daß die Vergütungen für die Leistungsschutzrechte nicht von Dritten, sondern vom Arbeitgeber des Künstlers erbracht werden, ist der Rechtsansicht der Vorinstanz zuzustimmen, daß sie nur dann als ein gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG "für eine Beschäftigung" gewährter Vorteil beurteilt werden können, wenn die Leistungsschutzrechte bereits ohne weiteres aufgrund des Wesens des Arbeitsverhältnisses auf den Arbeitgeber übergegangen sind. Nur in diesem Fall ist der Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und den Vergütungen für die Leistungsschutzrechte so eng und sind die gesamten Leistungen des Arbeitgebers so untrennbar miteinander verknüpft, daß ausnahmsweise auch die Zuwendungen des Arbeitgebers für die Abgeltung der Leistungsschutzrechte als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft zu werten sind.

Ist das Arbeitsverhältnis aber von solcher Art, daß die Leistungsschutzrechte beim Arbeitnehmer verbleiben, so können die gesondert vereinbarten Zahlungen des Arbeitgebers für die Übertragung der Leistungsschutzrechte des ausübenden Künstlers nicht mehr als ein Vorteil i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG verstanden werden, der für eine Beschäftigung gewährt wird. Die Vergütungen werden nicht für die Beschäftigung, sondern für die Übertragung von Leistungsschutzrechten erbracht.

Im Streitfall hat das FG unter Hinweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20. September 1984 - 6 U 142/83 (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1985, 380, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 2140) rechtsfehlerfrei entschieden, daß die Leistungsschutzrechte der Orchestermitglieder weder kraft Gesetzes noch aufgrund des Arbeitsvertrages auf die Klägerin übergegangen, sondern bis zur Vereinbarung der Vergütung bei den Orchestermitgliedern verblieben sind. Die Verwertung von Aufführungen durch Rundfunk- oder Fernsehsender ist bei einem Theater, anders als z. B. bei einem Rundfunk- oder Fernsehorchester, nicht dessen typischer Betriebszweck. Deshalb gingen die Verwertungsrechte unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 79 UrhG nicht ohne weiteres auf die Klägerin über. Außerdem ergibt sich ausdrücklich aus der Protokollnotiz Nr. 3 zu § 7 des Tarifvertrages, daß die Klägerin die Leistungsschutzrechte nicht erworben hat, solange die Höhe der Vergütung nicht vereinbart ist.

Eine Zuordnung der Vergütung für die Leistungsschutzrechte zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) ist im Streitfall auch nicht deshalb geboten, weil die Orchestermusiker aufgrund § 7 Abs. 2 des Tarifvertrages in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 3 verpflichtet waren, in die Verwertung der für die Aufnahme und die Ausstrahlung erforderlichen Rechte gegen Zahlung einer zu vereinbarenden Vergütung einzuwilligen. Die arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Übertragung der Leistungsschutzrechte kann nichts an der Beurteilung ändern, daß die nicht bereits aufgrund des Arbeitsvertrags, sondern gesondert vereinbarte Vergütung für die Übertragung von Leistungsschutzrechten kein Vorteil ist, der "für eine Beschäftigung" gewährt worden ist.