| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Beschluß vom 31.5.1995 (II B 107/94) BStBl. 1995 II S. 570

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, daß das Innehaben einer vom Wohnungsinhaber gegenüber der Meldebehörde als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung in Hamburg auch dann der Zweitwohnungsteuer unterliegt, wenn es sich bei dieser Wohnung um die vorwiegend benutzte Wohnung (Hauptwohnung) handelt.

Hamburgisches ZwStG §§ 1, 2 und 3; FGO § 69 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) hat zusammen mit seiner Ehefrau im Jahre 1985 in der X-Straße in H eine 81,26 qm große Wohnung gemietet. Er hat sich bei der Meldebehörde mit dieser Wohnung als Nebenwohnung angemeldet, während seine Ehefrau diese Wohnung als Hauptwohnung anmeldete. Dem Antragsteller stehen außerdem Räumlichkeiten im Hause seiner Eltern in S zur Verfügung; ein schriftlicher Mietvertrag wurde insoweit nicht abgeschlossen. Der Antragsteller ist dort mit Hauptwohnung gemeldet.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) setzte mit Bescheid vom 4. Januar 1994 gegen den Antragsteller für die Jahre 1993, 1994 und 1995 eine Zweitwohnungsteuer von jährlich 588 DM fest. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch setzte das FA mit Änderungsbescheid vom 6. Mai 1994 die Zweitwohnungsteuer auf jährlich 288 DM herab, da der Antragsteller die Wohnung in Hamburg nur zu 49 v. H. nutze. Gegen den Änderungsbescheid legte der Antragsteller ebenfalls Einspruch ein. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Gleichzeitig mit dem Einspruch beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids vom 4. Januar 1994, die das FA mit Verfügung vom 11. April 1994 ablehnte. Hiergegen legte der Antragsteller Beschwerde ein.

Mit Schriftsatz vom 13. Juni 1994 hat der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids beim Finanzgericht (FG) beantragt, da für eine Wohnung, die Familienwohnsitz sei, keine Zweitwohnungsteuer erhoben werden dürfe; für den ständigen Aufenthalt in S fehle es an einer gesicherten Rechtsposition. Gegen die Berechnung der Zweitwohnungsteuer als solche hat der Antragsteller keine Einwendungen erhoben.

Das FG gab dem Antrag durch Beschluß vom 23. August 1994 statt, da ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids bestünden. Das FG stellt im wesentlichen darauf ab, daß nach § 3 Abs. 1 des Hamburgischen Zweitwohnungsteuergesetzes (ZwStG) vom 23. Dezember 1992 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl HA - 1992, 330) derjenige steuerpflichtig sei, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirkten. Damit werde auf die Rechtslage nach den Meldegesetzen verwiesen. Für die Frage, welche von mehreren Wohnungen Haupt- oder Nebenwohnung sei, komme es nach § 12 Abs. 2 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1430) und § 15 Abs. 2 des Hamburgischen Meldegesetzes (HmbMG) i. d. F. vom 6. Mai 1986 (GVBl HA 1986, 81) darauf an, welche Wohnung vorwiegend vom Einwohner oder - bei Verheirateten - von der Familie bewohnt werde. Maßgebend sei danach der tatsächliche Umstand der vorwiegenden Benutzung. Wenn demgegenüber das FA auf die Meldung des Einwohners bei den Meldebehörden abstelle, könne dies jedenfalls bei summarischer Prüfung nicht dem Wortlaut entnommen werden.

Gegen den Beschluß des FG hat das FA Beschwerde eingelegt, mit der es beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet abzuweisen. Zur Begründung macht das FA im wesentlichen geltend, daß das FG den Regelungsgehalt des § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStG verkannt habe; die Schlußfolgerung des FG, diese Rechtsnorm verweise auf die Rechtslage nach den Meldegesetzen, treffe nicht zu. Denn nach § 3 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 ZwStG sei derjenige steuerpflichtig, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirkten. Hiernach sei zu prüfen, ob und ggf. wann die melderechtlichen Verhältnisse des Inhabers dazu führen, daß seine Wohnung als Zweitwohnung im Sinne des ZwStG zu qualifizieren ist; § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStG verweise insoweit auf § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 ZwStG, um sicherzustellen, daß für jede durch den melderechtlichen Status ihres Inhabers definierte Zweitwohnung auch die persönliche Steuerpflicht des Inhabers gegeben sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des FA führt zur Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses des FG und zur Zurückweisung des Aussetzungsantrags.

1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Da es sich beim ZwStG um revisibles Recht handelt (s. § 1 Nr. 5 des Hamburgischen Abgabengesetzes vom 17. Februar 1976, GVBl HA I 1976, 45, BStBl I 1976, 290; § 5 des Hamburger Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 17. Dezember 1965, GVBl HA I 1965, 225), ist der Senat zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses des FG befugt.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei summarischer Überprüfung des Bescheids neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (s. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl II 1967, 182).

Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall bei summarischer Prüfung nicht ernstlich zweifelhaft, daß das Innehaben einer vom Antragsteller gegenüber der Meldebehörde als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung auch dann der Zweitwohnungsteuer nach dem ZwStG unterliegt, wenn es sich bei dieser Wohnung um die vom Antragsteller vorwiegend benutzte Wohnung (Hauptwohnung) i. S. des § 15 HmbMG handelt. Denn das ZwStG stellt für die Frage, ob die in Hamburg belegene Wohnung des Wohnungsinhabers die Hauptwohnung oder die Zweitwohnung ist, im Grundsatz auf die vom Wohnungsinhaber erklärte Meldung gegenüber der Meldebehörde ab.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwStG ist der Inhaber einer in Hamburg belegenen Zweitwohnung steuerpflichtig. Inhaber der Zweitwohnung ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStG derjenige, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken. Diese wird in dem mit "Begriff der Zweitwohnung" überschriebenen § 2 ZwStG näher bestimmt. Danach ist unter Zweitwohnung jede Wohnung zu verstehen, "die dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung im Sinne des Hamburgischen Meldegesetzes .... dient" (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ZwStG). Zur Frage, wann diese Voraussetzung erfüllt ist, enthält § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStG eine Legaldefinition, nach der eine Wohnung als Nebenwohnung im Sinne des HmbMG dient, "wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird". Diese Vorschrift verdrängt für den Anwendungsbereich des ZwStG als lex specialis die Bestimmungen des HmbMG. Folglich kommt es für die Frage, ob eine Wohnung Hauptwohnung oder Nebenwohnung ist, nicht darauf an, ob es sich um die "vorwiegend benutzte Wohnung" i. S. des § 15 Abs. 2 HmbMG (vgl. auch § 12 Abs. 2 MRRG) handelt oder nicht. Entscheidend ist vielmehr allein der Umstand, daß die Wohnung gegenüber der Meldebehörde (formal) als Nebenwohnung gemeldet wurde. Diese Auslegung wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt. Danach soll durch das Abstellen auf die melderechtlichen Verhältnisse verhindert werden, daß in den Fällen, in denen der Inhaber einer Wohnung mit Nebenwohnung gemeldet ist, die Charakterisierung der Wohnung als Zweitwohnung mit dem Argument in Abrede gestellt wird, es handele sich in Wirklichkeit um die Hauptwohnung des Wohnungsinhabers (s. Drucksache 14/2408 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 14. Wahlperiode, B. zu § 2 Abs. 2 ZwStG). Lediglich dann, wenn eine Anmeldung der Wohnung nicht erfolgt ist und deshalb § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStG mangels einer formalen Meldung nicht angewendet werden kann, ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 ZwStG auf die materiell-rechtliche Lage, d. h. darauf abzustellen, ob der Inhaber der Wohnung seine Wohnung als Nebenwohnung hätte anmelden müssen, weil es sich - bei mehreren Wohnungen - nicht um seine "vorwiegend benutzte Wohnung" i. S. des § 15 Abs. 2 HmbMG handelt.

Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 ZwStG steht der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der formalen Meldung einer Wohnung als Zweitwohnung nicht entgegen. Denn § 3 ZwStG regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen für Zwecke der Zweitwohnungsteuer eine Zweitwohnung anzunehmen ist, sondern - wie seine Überschrift verdeutlicht - die persönliche Steuerpflicht. Soweit § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStG als steuerpflichtigen Inhaber einer Zweitwohnung denjenigen bestimmt, "dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken", muß diese Regelung - wie oben dargelegt - unter Beachtung der Legaldefinition der Nebenwohnung in § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStG ausgelegt werden.

Das Abstellen des ZwStG auf die formale Meldung einer Wohnung als Nebenwohnung begegnet bei summarischer Prüfung auch verfassungsrechtlich keinen Bedenken. Zwar läßt sich bei einer Anknüpfung allein an die Meldung gegenüber der Meldebehörde nicht ausschließen, daß im Ausnahmefall der Inhaber einer als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung zur Zweitwohnungsteuer herangezogen wird, obwohl es sich bei dieser Wohnung in Wirklichkeit um die vorwiegend benutzte Wohnung und damit um die Hauptwohnung i. S. des § 15 Abs. 2 HmbMG handelt. Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rechtsverletzung kann hierin jedoch nicht gesehen werden. Zum einen handelt es sich bei den Fällen fehlerhafter Meldungen, die eine Zweitwohnungsteuer auslösen können, um eine zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Fallgruppe, die der Gesetzgeber des ZwStG bei der notwendigen Typisierung im Interesse der Praktikabilität vernachlässigen durfte. Zum anderen kann der betroffene Wohnungsinhaber - wie im Streitfall - jederzeit seine unrichtige Meldung gegenüber der Meldebehörde richtigstellen, d. h. die bisher zu Unrecht als Nebenwohnung gemeldete Wohnung als Hauptwohnung anmelden und damit die Belastung durch die Zweitwohnungsteuer vermeiden.