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  BFH-Beschluß vom 12.6.1995 (II S 9/95) BStBl. 1995 II S. 605

1. Ob ein an den BFH gerichteter Antrag, die Vollziehung eines angefochtenen finanzgerichtlichen Beschlusses in sinngemäßer Anwendung von § 572 Abs. 3 ZPO auszusetzen, zulässig ist, kann bei dessen Unbegründetheit offenbleiben.

2. Das FA darf, sofern die Grunderwerbsteuer sichergestellt ist, die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht deshalb versagen, weil es die Rechtsfähigkeit einer als Verkäuferin auftretenden juristischen Person ausländischen Rechts verneint und deshalb die bürgerlich-rechtliche Unwirksamkeit des Erwerbsvorgangs annimmt.

3. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist es erforderlich aber auch ausreichend, daß der Antragsteller glaubhaft macht, ohne die begehrte Regelung würden ihm - bei einer GbR den Gesellschaftern - wesentliche Nachteile entstehen.

FGO §§ 114, 131 Abs. 1, § 155; ZPO § 572 Abs. 3; GrEStG 1983 § 22.

Sachverhalt

I.

1. Im Grundbuch des Amtsgerichts .... sind als Eigentümer des Grundstücks Z-Straße 17 eingetragen zwei Kapitalgesellschaften niederländischen Rechts (A und B) als Gesellschafter bürgerlichen Rechts.

Nach dem Inhalt eines notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 18. Mai 1994 verkauften die A, vertreten durch die Y B.V., Amsterdam (Y), diese vertreten durch den alleinvertretungsberechtigten Direktor X, sowie die B, in gleicher Weise vertreten, als zukünftige Eigentümer des oben angeführten Grundstücks in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) dieses an die .... GmbH (Erwerberin). Die Auflassung wurde erklärt, Auflassungsvormerkung bewilligt.

2. a) Aus den im Verfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich folgendes: Die A ist im Handelsregister der Kamer van Koophandel en Fabrieken als 1993 eingetragen registriert. Von ihrem satzungsmäßigen Kapital in Höhe von hfl 200.000 sind hfl 40.000 eingezahlt. Einziger Anteilseigner ist die C B.V. Direktoren der A sind die Y sowie Herr D, ein schwedischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Schweden, wobei jeder von ihnen alleinvertretungsberechtigt ist. Die A ist wiederum an der M B.V. beteiligt. Die von dieser ausgegebenen 40 Anteile im Wert von je hfl 1.000 verteilen sich auf 28 preferential shares, die von natürlichen Personen niederländischer Staatsangehörigkeit mit dem Wohnsitz in den Niederlanden gehalten werden, und 12 ordinary shares, die die A hält. Die Tochtergesellschaften der M B.V. halten jeweils in den Niederlanden belegenen Grundbesitz.

b) Ein Managementvertrag, der niederländischem Recht unterliegt, ist mit Wirkung ab 1. August 1993 abgeschlossen worden zwischen der A sowie der .... als Anteilseignerin der A auf der einen Seite und der Y auf der anderen Seite. In diesem sind nach seinem Inhalt im Hinblick darauf, daß die .... die Y zum Managing Direktor der A berufen und Y dieses Amt angenommen hat, die Rechte und Verpflichtungen der .... sowie der Y niedergelegt. Ausweislich dieses Vertrages soll die Y einerseits ein Fixum in Höhe von hfl 5.000 jährlich für bestimmte Leistungen und andererseits Zeitgebühren für weitere umfangreiche, nur grob umrissene Tätigkeiten für die A erhalten. Nach dem Vortrag der GbR sind im Jahre 1993 hfl 859.000 und im Jahre 1994 hfl 840.000 (hier für 1.781,95 Stunden) an Zeitgebühren angefallen.

c) Die Y ihrerseits, die auch Direktor der B, ursprünglich von einer schwedischen Gesellschaft gegründet, nunmehr im Besitz der Y-Gruppe, ist, wurde im Jahre 1988 von X gegründet, der auch heute noch Alleingesellschafter sei. Er ist alleinvertretungsberechtigter (Haupt)Direktor; fünf weitere Personen sind im Handelsregister der Kamer van Koophandel en Fabrieken als Prokuristen bzw. Handlungsbevollmächtigte eingetragen. Nach dem Inhalt einer von X zur Vorlage an den Bundesfinanzhof (BFH) unter dem 24. Mai 1995 abgegebenen Versicherung an Eides Statt nimmt die Y als Direktorin der A und der dazu gehörenden holländischen Tochtergesellschaften (insbesondere der M-Gruppe) alle Aufgaben wahr, die mit der Geschäftsführung zusammenhängen.

3. Der Antragsgegner, Beschwerdeführer und Antragsteller (das Finanzamt - FA -) richtete unter dem 8. Dezember 1994 in bezug auf den Kaufvertrag vom 18. Mai 1994 an die Erwerberin, die A und die B, gleichlautende Schreiben mit folgendem Inhalt:

"Nach meinen Feststellungen handelt es sich bei dem Veräußerer um eine nichtrechtsfähige Domizilgesellschaft. Der o. g. Kaufvertrag ist daher unwirksam, so daß die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung unterbleibt ...."

Die Schreiben enthalten keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Die Ablehnung der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung begründete das FA in der Folgezeit mit dem Hinweis auf den Erlaß des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 1994 S 4540-VA-2 (nicht veröffentlicht - NV -), der inhaltlich in etwa dem in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (DStR) 1994, 905 abgedruckten Erlaß des Ministeriums der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz vom 26. April 1994 S 4600 - A - 446 entspricht.

4. Am 17. März 1995 beantragte die GbR beim Finanzgericht (FG) den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, das FA zu verpflichten, die Unbedenklichkeitsbescheinigung zum Kaufvertrag vom 18. Mai 1994 gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Betrages der möglichen Grunderwerbsteuer zu erteilen. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 22 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Das FA habe in diesem Zusammenhang lediglich zu prüfen, ob der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch grunderwerbsteuerliche Bedenken entgegenstünden. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus den Verpflichtungen, die auf die Gesellschafterinnen der GbR zukämen, wenn die Erwerberin, die inzwischen mit der Bebauung bzw. Renovierung des Grundstücks begonnen habe, sie wegen Nichterfüllung des Vertrages schadensersatzpflichtig machte, weil die Eigentumsumschreibung aufgrund in der Sphäre der Veräußerin liegender Nichterteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung weiter verzögert werde oder gar scheitere. In diesem Zusammenhang legte sie eidesstattliche Versicherungen des X sowie der Geschäftsführer der Erwerberin vor.

Das FG hat dem Antrag mit Beschluß vom 29. März 1995 stattgegeben und das FA gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 550.000 DM durch Gestellung einer Bürgschaft einer inländischen Bank zur Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung verpflichtet. Es hat die Beschwerde in der Entscheidung zugelassen. Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung hat es berücksichtigt, daß außer dem Kaufpreis in Höhe von 19.103.385 DM möglicherweise auch die Renovierungsaufwendungen in Höhe von ca. 6 Mio DM sowie ggf. die Übernahme von die Veräußerin betreffenden Pflichten und Lasten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer eingingen.

Gegen diesen Beschluß hat das FA Beschwerde eingelegt, mit der es sinngemäß dessen Aufhebung sowie die Ablehnung des Antrags auf Erlaß der einstweiligen Anordnung begehrt. Der angefochtene Beschluß sei schon deshalb rechtswidrig, weil die GbR mangels Rechtsfähigkeit der A sowie der B nicht beteiligtenfähig sei. Die von der GbR vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, den Verwaltungssitz der A sowie der B in den Niederlanden ausreichend glaubhaft zu machen bzw. nachzuweisen, weshalb in Übereinstimmung mit dem oben angegebenen Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen von einem tatsächlichen Verwaltungssitz im Inland auszugehen sei. Da weder die A noch die B im Inland in das Handelsregister eingetragen seien, fehle ihnen folglich die Rechtsfähigkeit, was das FG auch in bezug auf den Anordnungsgrund verkannt habe. Schuldner eines eventuellen Schadensersatzanspruchs, den die Erwerberin geltend machen könnte, seien nicht die A und die B, sondern deren Anteilsinhaber. Entgegen der Ansicht des FG werde durch die Versagung der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht in das Grundbuchverfahren eingegriffen. Komme nämlich das FA - wie im vorliegenden Falle - zu dem Ergebnis, es sei kein Erwerbsvorgang verwirklicht worden, verbleibe allgemein für die Anwendung des Grunderwerbsteuergesetzes kein Raum.

Die GbR ist der Beschwerde entgegengetreten. Da die laufende Geschäftsführung ihrer Gesellschafterinnen stets in den Niederlanden stattgefunden habe, könne nicht von einem Verwaltungssitz im Inland ausgegangen werden. Die GbR hat ein Schreiben des Amtsgerichts .... (Grundbuch) vom 11. April 1995 an den den Kaufvertrag beurkundenden Notar vorgelegt, nach dessen Inhalt der Erledigung seines Antrags auf Eigentumsumschreibung nur das Fehlen der Unbedenklichkeitsbescheinigung entgegensteht. Die Feststellung des FA, daß der Kaufvertrag unwirksam sei, sei für das Grundbuchverfahren unbeachtlich. Die Rechtsfähigkeit der eingetragenen Eigentümer sei anhand der in den Akten befindlichen Urkunden nachgewiesen worden.

Über die Beschwerde ist noch nicht entschieden.

5. Nach Vorlage der Beschwerde durch das FG an den BFH hat das FA beantragt, die Vollziehung der einstweiligen Anordnung des FG einstweilen auszusetzen. Da die Entscheidung des FG ernstlichen Zweifeln begegne und die sofortige Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen der daraufhin erfolgenden Eigentumsumschreibung das Ergebnis nicht nur eines späteren Hauptsacheverfahrens, sondern auch des Beschwerdeverfahrens vorwegnehmen würde, sei dem Antrag zu entsprechen. Das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag sei auch nicht etwa dadurch entfallen, daß das FA nach Stellung des Vollziehungsaussetzungsantrags die Unbedenklichkeitsbescheinigung unter dem Druck drohender Vollstreckungsmaßnahmen erteilt habe, denn es habe sich den Widerruf der Unbedenk-lichkeitsbescheinigung vorbehalten.

Die GbR beantragt die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des FG. Sie hält den Antrag unter Hinweis auf den Wortlaut des § 131 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig.

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist abzulehnen.

1. Der Antrag des FA ist jedenfalls unbegründet (s. unten zu 2.). Der Senat kann daher offenlassen, ob er in sinngemäßer Anwendung (§ 155 FGO) von § 572 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zulässig ist (grundsätzlich bejahend BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1984 VII S 25/84, BFHE 142, 427, BStBl II 1985, 221; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., Rz. 3 zu § 131; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., Tz. 15 zu § 131 FGO; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., Rz. 2 zu § 149 mit Hinweisen aus der Rechtsprechung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren; a. A. BFH-Beschluß vom 2. März 1982 VIII B 26/82, BFHE 135, 29, BStBl II 1982, 264 mit Hinweisen auf NV-Entscheidungen des BFH; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., Tz. 8 zu § 131 FGO), weil die Entscheidung über die einstweilige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen finanzgerichtlichen Beschlusses nicht in materielle Rechtskraft erwächst (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Februar 1977 VIII B 22/76, BFHE 121, 174, BStBl II 1977, 313), sie unterliegt der jederzeitigen Aufhebung oder Änderung (so zu § 572 Abs. 3 ZPO Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 53. Aufl., Rz. 6 zu § 572; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 19. Aufl., Anm. 2 zu § 572, und zu § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO Gräber/Ruban, a. a. O., Rz. 5 zu § 131; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Tz. 21 zu § 131 FGO; Tipke/Kruse, a. a. O., Tz. 12 zu § 131 FGO).

Da mit dem Antrag nur eine im übrigen auch von Amts wegen zu treffende einstweilige Regelung im Hinblick auf die nicht mit Suspensivwirkung ausgestattete Beschwerde begehrt wird, folgt das Rechtsschutzbedürfnis des FA für diesen dem Rechtsschutzbedürfnis für die vom FA eingelegte Beschwerde.

2. Der Antrag ist bei summarischer Beurteilung der Erfolgsaussichten der Beschwerde unter Berücksichtigung auch der Interessen der Beteiligten unbegründet.

a) Entgegen der Auffassung des FA fehlte der GbR, der im Grunderwerbsteuerrecht steuerliche Rechtsfähigkeit zukommt (vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 1987 II R 103/84, BFHE 149, 12, BStBl II 1987, 325), nicht die Beteiligtenfähigkeit für das Verfahren über den Erlaß der einstweiligen Anordnung. Denn ihr Rechtsschutzbegehren ist darauf zurückzuführen, daß das FA ihren Gesellschafterinnen die Rechtsfähigkeit abspricht und daraus durch ausdrückliche Ablehnung der Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung sie belastende Folgen gezogen hat. In einem solchen Fall verbietet es der von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) garantierte Rechtsschutz, dem Rechtsschutzsuchenden für ein die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung betreffendes Verfahren die Beteiligtenfähigkeit abzusprechen und ihm solcherweise den gerichtlichen Rechtsschutz zu verwehren. Das gilt gleicherweise für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

b) Zutreffend ist das FG unter der Voraussetzung der Sicherstellung der (möglicherweise) entstandenen Grunderwerbsteuer vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ausgegangen. Nach § 22 Abs. 1 GrEStG 1983 darf der Erwerber eines Grundstücks erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde vorgelegt wird, daß der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen. Die Grundbuchsperre dient der Sicherung des Eingangs der Grunderwerbsteuer (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Januar 1987 II B 102/86, BFHE 148, 440, BStBl II 1987, 269). Dementsprechend hat die zuständige Finanzbehörde nach § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 die erforderliche Bescheinigung, die Unbedenklichkeitsbescheinigung, insbesondere zu erteilen, wenn Steuerfreiheit gegeben ist bzw. wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet oder sichergestellt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so besteht auf die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ein Rechtsanspruch.

Dem Grundbuchamt obliegt es, als Voraussetzung für die Eigentumsumschreibung im Grundbuch die Wirksamkeit der von den Beteiligten erklärten Auflassung zu prüfen (§ 20 der Grundbuchordnung - GBO -), folglich auch zu prüfen, ob die in der GbR verbundenen Personen ausländischen Rechts, die A und die B, als solche nach niederländischem Recht ordnungsgemäß gegründet wurden, ob sie bei der Abgabe dieser Erklärung im Inland als rechtsfähig behandelt werden können und ob sie ordnungsgemäß vertreten waren. Die Entscheidung der Frage, ob der Erwerber aufgrund wirksamer Auflassung als Eigentümer in das Grundbuch einzutragen ist, steht allein dem Grundbuchamt zu. Wenngleich dieses einen Eigentumswechsel erst nach Vorlage der grunderwerbsteuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung eintragen darf (§ 22 Abs. 1 GrEStG 1983), darf jedoch die Finanzbehörde in diese Entscheidungskompetenz nicht eingreifen. Es darf die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht deshalb versagen, weil es die Unwirksamkeit der bürgerlich-rechtlichen Erklärungen annimmt. Es hat diese vielmehr zu erteilen, sofern der Erwerbsvorgang entweder von der Grunderwerbsteuer ausgenommen oder eine möglicherweise entstandene Grunderwerbsteuer sichergestellt ist (vgl. schon Senatsurteil vom 12. Juli 1972 II R 168/70, BFHE 106, 277 unter II. 3. a).

Unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 ist auch demjenigen die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, der behauptet, die für die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch erforderliche Auflassung sei wirksam erklärt, wenn er als Veräußerer eines Grundstücks aufgetreten und dementsprechend als Schuldner der Grunderwerbsteuer (§ 13 Nr. 1 GrEStG 1983) in Betracht zu ziehen ist, um ihm die Erfüllung der von ihm behaupteten Vertragspflicht aus einem Kaufvertrag zu ermöglichen. Das gilt unbeschadet dessen, daß die Finanzbehörde ihrerseits allein zur Entscheidung darüber berufen ist, ob ein grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Erwerbsvorgang vorliegt, weil der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht die Bedeutung einer Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Grunderwerbsteueranspruchs zukommt (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 1962 II 169/60 U, BFHE 76, 601, BStBl III 1963, 219, und vom 14. März 1979 II R 97/78, BFHE 127, 554, BStBl II 1979, 526).

c) Entgegen der Ansicht des FA ist das FG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß ein Anordnungsgrund gegeben ist. Insoweit ist erforderlich aber auch ausreichend, daß derjenige, der den Erlaß einer einstweiligen Anordnung begehrt, glaubhaft macht, daß die begehrte Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile, die ihm sonst entstünden, nötig ist. In diesem Zusammenhang ist - anders als zu a) - auch zu prüfen, ob die Rechtsfähigkeit der Gesellschafterinnen der GbR glaubhaft gemacht ist.

Zwar wären sowohl die A als auch die B im Inland nicht als rechtsfähig anzusehen, wenn ihr Verwaltungssitz - sei es von Anfang an oder inzwischen, und sei es auch nur vorübergehend - sich in der Bundesrepublik befinden würde, weil sie nicht unter Beachtung der deutschen Gründungsvorschriften für eine GmbH bzw. eine AG in dem zuständigen inländischen Handelsregister eingetragen sind. Denn nach herrschender deutscher Rechtsauffassung beurteilt sich die Frage, ob eine im Ausland gegründete juristische Person rechtsfähig ist, grundsätzlich nach dem Recht, das am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes gilt (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. Januar 1970 V ZR 139/68, BGHZ 53, 181; vom 5. November 1980 VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318; vom 21. März 1986 V ZR 10/85, BGHZ 97, 269; Großfeld in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Internationales Gesellschaftsrecht, 13. Bearbeitung, Rdnr. 33 ff.; Heldrich in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 54. Aufl., Anhang zu Art. 12 EGBGB, Rz. 2; s. auch BFH-Beschluß vom 13. November 1991 I B 72/91, BFHE 166, 238, BStBl II 1992, 263 sowie BFH-Urteil vom 23. Juni 1992 IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972 unter II. 2.). Unter Verwaltungssitz ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane zu verstehen, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäfte umgesetzt werden (BGH in BGHZ 97, 269; Ebenroth in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., Rdnr. 179 ff. nach Art. 10 EGBGB). Die GbR bzw. ihre Gesellschafterinnen haben durch Vorlage von Verträgen und weiterer Unterlagen sowie eidesstattlicher Versicherung des alleinvertretungsberechtigten (Haupt)Direktors der Y, X, glaubhaft gemacht, daß die A sowie die B ihren Verwaltungssitz in den Niederlanden beibehalten haben. Dort trafen sich beispielsweise mindestens einmal monatlich die beiden Geschäftsführer der A, wie auch aus den vorgelegten Time Sheets der Y folgt. Hinzu tritt, daß die Aktivitäten der A sich nicht in Grundstücksinvestitionen (sei es auch gemeinsam mit einem anderen) in der Bundesrepublik erschöpfen, sie vielmehr auch - entsprechend ihrem Gesellschaftszweck - die ordinary shares der M B.V. hält. Für das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist insgesamt glaubhaft dargelegt, daß die bei verzögerter Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch drohende Inanspruchnahme durch die Veräußerin auf Schadensersatz usw. sich gegen die - insoweit bürgerlich-rechtlich allein betroffenen - Gesellschafterinnen der GbR richten würde.

Das Vorbringen des FA ist nicht geeignet, Zweifel an den Darlegungen der GbR zu erzeugen. Soweit das FA darauf verweist, nach den Informationen der Informationszentrale des Bundesamts für Finanzen übernehme die Y "geschäftsmäßig die Verwaltung von Domizilgesellschaften", wobei dreizehn andere Fälle bekannt seien, ist dieser Vortrag angesichts des Personalstammes der Y, der zur Bewältigung von Geschäftsführungsaufgaben zur Verfügung steht, nicht für sich selbst geeignet, den Verwaltungssitz der A und der B in den Niederlanden als unglaubhaft erscheinen zu lassen. Die offenbar tatsächlich von der Y bzw. ihren Organen und Beschäftigten entfalteten Aktivitäten für die A sprechen gegen den vom FA angenommenen, als für Domizilgesellschaften typisch bezeichneten, begrenzten Aufgabenbereich der Y, die übrigens ihrerseits in Abstimmung mit D, dem weiteren alleinvertretungsberechtigten Direktor der A, tätig wird.

Im übrigen wird auch vom FA nicht bestritten, daß - wie glaubhaft gemacht - schon die Verzögerung der Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch zu nahezu unübersehbaren finanziellen Folgen in Millionenhöhe für die Gesellschafterinnen der GbR führen würde. Diesen gravierenden Nachteilen hat das FG in Abwägung mit den grunderwerbsteuerrechtlichen Interessen des FA, auf die allein abzustellen ist, zutreffend ein solches Gewicht beigemessen, daß sie die Verpflichtung des FA, die Unbedenklichkeitsbescheinigung im Wege der einstweiligen Anordnung bei gleichzeitiger Anordnung von Sicherheitsleistung für die Grunderwerbsteuer zu erteilen, rechtfertigten (vgl. dazu Senat in BFHE 148, 440, BStBl II 1987, 269).

d) Aus den Ausführungen unter b) und c) folgt zugleich, daß bei Abwägung der beiderseitigen Interessen der Beteiligten kein Anlaß besteht, die Vollziehung des Beschlusses des FG vom 29. März 1995 einstweilen auszusetzen.