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  BFH-Urteil vom 15.3.1995 (II R 24/91) BStBl. 1995 II S. 653

1. Zur Darlegung einer Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO durch einen gegen eine Personengesellschaft gerichteten, auf 0 DM lautenden Vermögensteuerbescheid genügt es, daß die Klägerin geltend macht, sie unterliege als insoweit nicht steuerrechtsfähige Personengesellschaft nicht der Vermögensteuer und durch den Bescheid sei zu Unrecht ihre Vermögensteuerpflicht bejaht worden.

2. Die beschränkte Vermögensteuerpflicht einer Personenvereinigung, die im Inland weder Geschäftsleitung noch Sitz hat, setzt voraus, daß die Personenvereinigung nach den leitenden Gedanken des deutschen Steuerrechts einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 a bis g VStG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen vergleichbar ist. Eine Vennootschap onder Firma niederländischen Rechts, die einer offenen Handelsgesellschaft deutschen Rechts entspricht, unterliegt danach mit ihrem Inlandsvermögen nicht der beschränkten Vermögensteuerpflicht nach § 2 VStG.

FGO § 40 Abs. 2; VStG § 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Gesamtrechtsnachfolgerin der ehemaligen A Vennootschap onder Firma (VoF), einer im Jahre 1977 gegründeten offenen Handelsgesellschaft (OHG) niederländischen Rechts, die Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden hatte. Gesellschafter der VoF waren die Klägerin zu 99 v. H. und die B in X/Niederlande zu 1 v. H. Deren Beteiligung hat die Klägerin im Dezember 1982 erworben und trat dadurch in vollem Umfang die Gesamtrechtsnachfolge der VoF an. Das Aktivvermögen der VoF bestand zu den im Streitfall maßgebenden Veranlagungszeitpunkten im wesentlichen aus im Inland belegenem Grundbesitz, der an die Klägerin verpachtet war.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die VoF nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG) als Personenvereinigung im Sinne dieser Vorschrift beschränkt vermögensteuerpflichtig sei. Das FA lehnte deshalb die von den Gesellschaftern beantragte einheitliche und gesonderte Feststellung des Inlandsvermögens und dessen Aufteilung auf die Gesellschafter ab. Das FA ermittelte das Inlandsvermögen der VoF auf den 1. Januar 1978 und auf den 1. Januar 1979 mit . /.... DM sowie auf den 1. Januar 1980 mit . /.... DM und setzte dementsprechend mit Bescheiden vom 24. Juni 1982 die Vermögensteuer für die Jahre 1978 bis 1980 auf jeweils 0 DM fest.

Die Klägerin erhob als Rechtsnachfolgerin der VoF gegen die Vermögensteuerfestsetzungen nach erfolglosem Einspruch Klage; diese hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 359 veröffentlichten Urteil die Vermögensteuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1980 ersatzlos auf.

Das FG bejahte die Zulässigkeit der Klage, für die entgegen der Auffassung des FA ein Rechtsschutzinteresse auch insoweit zu bejahen sei, als die Klägerin sich nicht gegen die Höhe der Steuer, sondern gegen die Annahme wende, die VoF sei beschränkt vermögensteuerpflichtig gewesen. Zur Frage der selbständigen beschränkten Vermögensteuerpflicht der VoF vertrat das FG die Auffassung, daß zwar der reine Wortlaut des § 2 Abs. 1 VStG dafür spreche, daß die VoF als Personenvereinigung mit ihrem im Inland belegenen Grundvermögen der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliege; aus der Aufzählung der unbeschränkt vermögensteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 a bis g VStG ergebe sich aber, daß reine Personen- und Personenhandelsgesellschaften wie die OHG und die KG nicht selbständig vermögensteuerpflichtig sein sollen. Dies gelte auch für den Bereich der beschränkten Vermögensteuerpflicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 40 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG. Es beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Zu Unrecht sei das FG davon ausgegangen, daß die Klägerin durch die auf 0 DM lautenden Vermögensteuerbescheide i. S. des § 40 FGO beschwert sei.

Das angegriffene Urteil verstoße außerdem gegen den Wortlaut des § 2 Abs. 1 VStG. Danach sei die VoF als Personenvereinigung mit ihrem im Inland belegenen Grundvermögen beschränkt vermögensteuerpflichtig. Eine Abweichung vom Wortlaut sei nicht gerechtfertigt, da die wortgetreue Auslegung weder offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, noch erkennbar zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Zu Recht hat das FG die Zulässigkeit der Klage gegen die Vermögensteuerbescheide vom 24. Juni 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung bejaht.

Da gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, setzt die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Anfechtungsklage voraus, daß die Klägerin geltend macht, durch die angefochtenen Steuerbescheide in ihren Rechten verletzt worden zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO). Zwar führt die Festsetzung der Vermögensteuer auf 0 DM zu keiner Steuerzahlungsverpflichtung der Klägerin und beeinträchtigt deshalb nicht ihr Recht, nur die nach dem materiellen Vermögensteuerrecht geschuldete Steuer zahlen zu müssen. Doch genügt für die Darlegung einer Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO durch einen auf 0 DM lautenden Vermögensteuerbescheid, daß die Klägerin geltend macht, sie unterliege als insoweit nicht steuerrechtsfähige Personengesellschaft nicht der Vermögensteuer nach dem VStG und durch den Vermögensteuerbescheid sei zu Unrecht ihre Vermögensteuerpflicht bejaht worden. Würde in Fällen wie dem Streitfall die Beschwer verneint, könnte kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden. Anderenfalls könnte die Frage, ob die Klägerin als Personengesellschaft überhaupt der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliegt, nur geklärt werden, wenn sich für die Klägerin - abweichend von der Vermögenssituation an den hier maßgebenden Veranlagungszeitpunkten - ein positives Betriebsvermögen von mindestens 20.000 DM (vgl. § 8 Abs. 2 VStG) ergäbe. Bis dahin bliebe zu Lasten der Klägerin offen, ob sie nach § 19 Abs. 3 VStG zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung über ihr Inlandsvermögen verpflichtet ist.

Damit folgt der Senat der Rechtsprechung des I. Senats, wonach es zur Darlegung einer Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO durch einen auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid ausreicht, daß der Kläger geltend macht, er sei von der Körperschaftsteuer befreit und durch den Bescheid sei zu Unrecht seine Körperschaftsteuerpflicht bejaht worden (Urteil vom 13. Juli 1994 I R 5/93, BFHE 175, 484, BStBl II 1995, 134 m. w. N.).

2. Das FG hat zutreffend die beschränkte Vermögensteuerpflicht der VoF verneint.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG unterliegen "Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die im Inland weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz haben", der beschränkten Vermögensteuerpflicht, die sich gemäß § 2 Abs. 2 VStG nur auf das Inlandsvermögen der in § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) genannten Art erstreckt. Zwar schließt der in § 2 Abs. 1 Nr. 2 verwendete Begriff der "Personenvereinigung" nicht von vornherein aus, daß der Gesetzgeber damit auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen erfassen und sie mit ihrem Inlandsvermögen i. S. des § 121 BewG der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterwerfen wollte. Da aber die Auslegung des Gesetzes nicht an dessen isoliert betrachtetem Wortlaut endet, denn der normative Gesetzessinn läßt sich nicht allein aus dem Gesetzeswortlaut erschließen (s. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 93), kann nicht unbeachtet bleiben, daß die Vorschrift des § 2 VStG in einem engen systematischen Zusammenhang mit der die unbeschränkte Steuerpflicht regelnden Norm des § 1 VStG steht. Hierauf hat die Vorinstanz zutreffend hingewiesen. Beide Vorschriften folgen einander und gleichen einander im Aufbau und insoweit im Wortlaut, als jeweils in Abs. 1 Nr. 1 die natürlichen Personen und in Abs. 1 Nr. 2 "Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen" als Steuerschuldner angesprochen sind. Daraus ist zu folgern, daß der in beiden Bestimmungen verwendete Begriff der Personenvereinigung identisch ist, d. h. daß die Frage der beschränkten Vermögensteuerpflicht einer Personenvereinigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG nur dann bejaht werden kann, wenn diese Personenvereinigung, hätte sie Geschäftsleitung oder Sitz im Inland, nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 VStG unbeschränkt steuerpflichtig wäre. Da von § 1 Abs. 1 Nr. 2 VStG nur die unter a bis g genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, d. h. Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, sonstige juristische Personen des privaten Rechts, nichtrechtsfähige Vereine, Stiftungen, Zweckvermögen des privaten Rechts, Kreditanstalten des öffentlichen Rechts sowie Gewerbebetriebe von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfaßt werden, bedeutet dies, daß auch nur die den vorgenannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen nach den leitenden Gedanken des deutschen Steuerrechts vergleichbaren Rechtsträger, die im Inland weder Geschäftsleitung noch Sitz haben, beschränkt vermögensteuerpflichtig sein können.

Dieser Schlußfolgerung steht nicht entgegen, daß es in § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG an einer § 1 Abs. 1 Nr. 2 a bis g VStG vergleichbaren Aufzählung an näher bezeichneten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen fehlt. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, daß einer derartigen Aufzählung bereits die Vielzahl der nach ausländischem Recht möglichen Formen von Personenvereinigungen entgegensteht, die der deutsche Gesetzgeber weder vollständig noch partiell mit ihren wesentlichen Erscheinungsformen in die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VStG hätte aufnehmen können. Da die Begriffe "Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen" in § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG nicht definiert sind, erschließt sich ihr Begriffsinhalt erst durch die zum selben Oberbegriff in § 1 Abs. 1 Nr. 2 VStG enthaltene Aufzählung. Der Senat folgt insoweit der Entscheidung des I. Senats vom 3. Februar 1988 I R 134/84 (BFHE 153, 14, BStBl II 1988, 588), der die Frage der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht einer Personengesellschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 - im Streitfall handelte es sich um eine ausländische KG - nur unter der Voraussetzung bejaht hat, daß die Personengesellschaft nach den leitenden Gedanken des deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts einer der in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 KStG 1968 genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen vergleichbar ist; das gelte auch dann, wenn die ausländische Personengesellschaft (KG) im Sitzstaat zivilrechtlich als juristische Person anerkannt sei.

Für den Streitfall bedeutet dies, daß die VoF als eine Personengesellschaft niederländischen Rechts, die unstreitig einer deutschen OHG entspricht, ebensowenig der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliegt wie eine im Inland ansässige OHG der unbeschränkten Vermögensteuerpflicht. Vielmehr ist das Inlandsvermögen der VoF i. S. des § 121 BewG - vergleichbar der Behandlung des Vermögens einer inländischen Personengesellschaft - gemäß § 180 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ggf. i. V. m. § 19 BewG gesondert festzustellen und den Gesellschaftern der VoF zuzurechnen. Ob diese mit ihrem Anteil am Inlandsvermögen der unbeschränkten oder beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliegen, beurteilt sich danach, ob sie die Voraussetzungen des § 1 VStG oder des § 2 VStG erfüllen.

Entgegen der Auffassung der Revision steht diesem Ergebnis nicht entgegen, daß im VStG keine dem § 3 KStG vergleichbare Regelung enthalten ist. Nach dieser Vorschrift sind nichtrechtsfähige Personenvereinigungen dann körperschaftsteuerpflichtig, wenn ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist. Zwar trifft der Einwand des FA zu, daß sich der I. Senat in seinem Urteil in BFHE 153, 14, BStBl II 1988, 588 auch auf § 3 KStG gestützt hat, durch den er seine Auffassung bestätigt sieht, daß auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG unterliegen können. Doch ändert dies nichts daran, daß nach den überzeugenden Ausführungen des I. Senats die Frage der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht einer ausländischen Personengesellschaft primär nicht nach deren Rechtsfähigkeit, sondern danach zu beurteilen ist, ob diese Gesellschaft nach den leitenden Gedanken des deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 KStG vergleichbar ist. Für diese Auslegung nach logisch-systematischen Kriterien bedarf es deshalb nicht der Heranziehung des § 3 KStG. Das Fehlen einer § 3 KStG entsprechenden Vorschrift im VStG führt deshalb nach Auffassung des Senats in der Frage der selbständig beschränkten Vermögensteuerpflicht einer ausländischen Personengesellschaft zu keinem anderen Ergebnis.

Der Senat schließt sich damit der im Schrifttum von Rössler/Troll (Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 16. Aufl., § 2 VStG Anm. 15), Moench/Glier/Knobel/Viskorf (Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, 3. Aufl., § 2 VStG Rdnr. 6), sowie von Krabbe (Der Betrieb - DB - 1985, 2585, 2587 und Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters - RIW/AWD - 1976, 135, 137) vertretenen Auffassung an, wonach bei einer ausländischen Personengesellschaft nicht die Gesellschaft als solche, sondern die Gesellschafter der Vermögensteuerpflicht unterliegen.

Diese Lösung steht auch im Einklang mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet vom 16. Juni 1959 - DBA-Niederlande - (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382), wonach nur Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die als solche der Besteuerung wie eine juristische Person unterliegen, sowie die niederländischen "commanditaire vennootschappen op aandelen" (KG auf Aktien) als juristische Personen gelten.