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  BFH-Urteil vom 28.6.1995 (XI R 66/94) BStBl. 1995 II S. 850

1. Die Zuwendung eines Lieferanten an einen Abnehmer als Belohnung für Warenbezüge in einer bestimmten Größenordnung begründet regelmäßig keinen besonderen Leistungsaustausch. Sie kann jedoch als Preisnachlaß durch den Lieferanten zu behandeln sein (Anschluß an das Senatsurteil vom 9. November 1994 XI R 81/92, BFHE 176, 283, BStBl II 1995, 277).

2. Die Verwendung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs mit Unfallfolge führt nicht zur Erfassung der vollen durch den Unfall verursachten Kosten als Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980. Diese gehen vielmehr in die Gesamtkosten als Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch nach Maßgabe des Anteils der nichtunternehmerischen Verwendung ein (Bestätigung des BFH-Urteils vom 28. Februar 1980 V R 138/72, BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309).

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb einen Friseursalon. Im Streitjahr 1982 wurde ihm von einer Lieferantenfirma für Warenabnahmen in einer bestimmten Größenordnung eine kostenlose Reise für zwei Personen zur Weltmeisterschaft der Friseure in Paris zugewendet. Im Mai 1983 schied der betrieblich genutzte PKW infolge eines vom Kläger verursachten (alkoholbedingten) Unfalltotalschadens aus dem Unternehmensvermögen aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte den Wert der Reise als Entgelt für eine sonstige Leistung des Klägers und den Untergang des PKW in Höhe des Restbuchwerts als Eigenverbrauch und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend fest.

2. Die Klage hatte Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, die gewährte Reise sei nicht Gegenstand eines Leistungsaustausches gewesen, da der Kläger die guten Verkaufsergebnisse im eigenen Geschäftsinteresse erzielt habe.

Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den unfallbedingten Eigenverbrauch gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Unfallkosten lediglich nach Maßgabe des für den Besteuerungszeitraum zutreffenden Aufteilungsverhältnisses zwischen unternehmerisch und nichtunternehmerisch veranlaßten Kosten zu berücksichtigen. Im Streitfall seien demgemäß nur 9 % des Restbuchwerts des PKW als Eigenverbrauch zu erfassen.

3. Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2 Buchst. b UStG 1980. Durch die Auslobung der Reise habe der Kläger angehalten werden sollen, die Produkte des Lieferanten gezielt und bevorzugt in seinen Salons einzusetzen. Seine Leistung habe sich somit nicht in der Kaufpreisentrichtung erschöpft. Sollte ein Leistungsaustausch zu verneinen sein, sei die Zuwendung jedenfalls als Entgeltsminderung (Rabatt) für die Warenlieferungen an den Kläger zu beurteilen. Dann wäre sein Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Im übrigen liege Verwendungseigenverbrauch vor. Hinsichtlich der Beurteilung des Unfalls sei die Befolgung der überkommenen Rechtsprechung des BFH unter zwei Gesichtspunkten bedenklich. Sie beruhe zum einen noch auf der sog. Fiktionstheorie, die der BFH erst später zugunsten der Realakttheorie aufgegeben habe. Danach sei der Substanzverlust des PKW in Höhe des Totalschadens maßgebend. Zum anderen bemesse sich der Verwendungseigenverbrauch entsprechend dem geänderten Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 nach den bei der Ausführung des Eigenverbrauchstatbestandes entstandenen Kosten. Dies könnten aber nicht nur die dem privaten Nutzungsanteil entsprechenden anteiligen Kosten sein. Das erweise sich besonders deutlich, wenn der Totalschaden bereits unmittelbar nach Jahresbeginn eintrete.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer für beide Streitjahre seinem Vorbringen entsprechend höher festzusetzen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision. Er verweist im wesentlichen auf die Gründe der Vorentscheidung. In der Zuwendung der Reise könne keine Entgeltsminderung für die Warenlieferungen gesehen werden, da ein unmittelbarer Zusammenhang fehle. Im übrigen sei im Vorfeld nicht abzusehen gewesen, daß der Kläger die Zielvorgaben des Lieferanten überhaupt erreichen werde.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt für das Streitjahr 1982 zur Aufhebung der Vorentscheidung und Festsetzung der Umsatzsteuer auf 37.964 DM (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen ist die Revision zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Das FG hat die Zuwendung der Reise im Streitjahr 1982 umsatzsteuerrechtlich im Ergebnis nicht zutreffend beurteilt. Zwar hat der erkennende Senat mit Urteil vom 9. November 1994 XI R 81/92 (BFHE 176, 283, BStBl II 1995, 277) entschieden, daß die Teilnahme eines Händlers an einem Verkaufswettbewerb seines Lieferanten, dessen Gegenstand die vertriebenen Produkte sind, regelmäßig keinen besonderen Leistungsaustausch begründet. Das gilt auch im Streitfall. Die mit der Auslobung bezweckte bevorzugte Abnahme der Produkte des Lieferanten erfolgte vornehmlich im eigenen Geschäftsinteresse des Klägers, zumal das Erreichen des Auslobungsziels nicht von vornherein abzusehen war. Seine eigentliche Leistung dem Lieferanten gegenüber bestand in der Entrichtung des Kaufpreises.

Die Zuwendung des Werts der Reise führte aber zu einem Preisnachlaß durch den Lieferanten und damit zu einer Verminderung der Bemessungsgrundlage für die Vorsteuer des Klägers (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980). Entgegen der Auffassung des Klägers steht dem nicht entgegen, daß kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den einzelnen Warenlieferungen und der Zuwendung bestand. Wie der Senat im vorgenannten Urteil ausgeführt hat, genügt eine Änderung der Bemessungsgrundlage auch in Form eines Gesamtpreisnachlasses, der auf alle Lieferungen eines bestimmten Artikels während einer bestimmten Zeit oder nach Erreichen einer bestimmten Absatzmenge abstellt und sich nach allen für diesen Artikel gezahlten Entgelten errechnet. Die aufgrund der Entgeltsminderung vorzunehmende Kürzung des Vorsteueranspruchs des Klägers führt im Ergebnis zu der vom FA für das Streitjahr 1982 beantragten Festsetzung der Umsatzsteuer.

Ob die Zuwendung der Reise als Eigenverbrauch anzusehen ist, kann daneben unentschieden bleiben.

2. Indessen hat das FG das unfallbedingte Ausscheiden des PKW aus dem Unternehmen im Streitjahr 1983 zu Recht nur nach Maßgabe des bezeichneten Aufteilungsmaßstabes als Verwendungseigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 behandelt. Nach dem BFH-Urteil vom 28. Februar 1980 V R 138/72 (BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309), auf das sich die Vorentscheidung bezieht, bestimmen sich die auf die nichtunternehmerische Verwendung eines Kraftfahrzeugs entfallenden Kosten als Maßstab für den zu besteuernden Eigenverbrauch (anteilig) anhand der Gesamtkosten dieses Kraftfahrzeugs im gesamten Besteuerungszeitraum. Zu diesen Kosten seien auch die (unternehmerisch oder nichtunternehmerisch) veranlaßten Unfallkosten zu zählen. Der volle Einbezug dieser Wertabgabe in die Kosten der Verwendung würde die Besteuerung einer (fiktiven) Schadensregulierung bedeuten, die im Rahmen von Mietverhältnissen unter Dritten nicht eingreife, den Selbstversorger wie im Streitfall demgegenüber also schlechter stellen würde. Die Zielsetzung der Eigenverbrauchsbesteuerung, den Selbstversorger nicht zu bevorzugen, dürfe nicht in dessen Schlechterstellung umschlagen. Der erkennende Senat hält die Grundsätze dieser Entscheidung, auf deren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen im einzelnen verwiesen wird, für die Tatbestände des Verwendungseigenverbrauchs gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 unverändert für anwendbar. Dem folgt auch die Literatur (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 6. Aufl., § 1 Anm. 587 - zur überkommenen Rechtslage -; Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 10 Anm. 511; Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 10 Anm. 40; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, III Rz. 350; wohl auch Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 1 Anm. 209). Die Änderung der für die Streitjahre anzuwendenden Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 gegenüber der des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967/1973, die Gegenstand der Entscheidung in BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309 war, trug der Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) Rechnung. Die zuvor auf die private Verwendung betrieblicher Gegenstände beschränkte Besteuerung dieses Eigenverbrauchstatbestandes wurde auf alle Vorgänge erstreckt, mit denen ein Unternehmer private Zwecke verfolgt und die gegenüber Dritten als sonstige Leistungen i. S. des § 3 Abs. 9 des Gesetzes anzusehen sind. Die Anwendung der Vorschrift wurde damit auf jede Wertabgabe für unternehmensfremde Zwecke erweitert, die sich nicht in der Entnahme eines Gegenstandes verkörpert (BFH-Urteil vom 5. April 1984 V R 51/82, BFHE 140, 393, BStBl II 1984, 499 mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien). Eine inhaltliche Änderung der bisherigen Besteuerung der Verwendung dem Unternehmen dienender Gegenstände für nichtunternehmerische Zwecke sollte damit nicht verbunden sein. Der tatbestandlichen Erweiterung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1980 entspricht die Regelung der Bemessungsgrundlage in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980, wonach die "bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten" zugrunde zu legen sind. Eine inhaltliche Änderung gegenüber der Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1967/1973, in der als Bemessungsgrundlage die auf die Verwendung des Gegenstandes entfallenden Kosten vorgesehen waren, ist insoweit entgegen der Auffassung des FA nicht zu erkennen.

Der Hinweis des FA auf die Realakttheorie (BFH-Urteil vom 3. November 1983 V R 4/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169) führt zu keiner anderen Beurteilung. Bereits in der Verwendung des betrieblich genutzten Gegenstandes für nichtunternehmerische Zwecke (Privatfahrt) liegt der willentlich veranlaßte Tatbestand des Eigenverbrauchs. Er umfaßt auch den Schadensvorgang und beendet ihn wegen Untergangs der verwendeten Sache. Eine zusätzliche willentliche Entnahmehandlung ist daher für den unzerstörten Gegenstand nicht möglich (BFH-Urteil in BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309, 310) und kann für den Unfalltatbestand selbst erkennbar nicht verlangt werden (zur Behandlung der vom FA genannten besonderen Fallgestaltungen vgl. Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1980, 184). Die Frage des Verschuldens ist dabei nicht erheblich. Auch ein alkoholbedingter Unfall mit der Folge des Totalschadens eines PKW kann nicht wie eine einkommensteuerliche Entnahme behandelt werden.

Auch die Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 1988 gingen in Abschn. 155 Abs. 2 Sätze 1 bis 6 davon aus, daß unternehmerisch oder nichtunternehmerisch veranlaßte Unfallkosten zu den Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs im Besteuerungszeitraum zählen, die die Bemessungsgrundlage für die bei der Ausführung der Leistung entstandenen Kosten i. S. des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 bilden.

Die Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1980 durch Art. 7 Nr. 1 des Wohnungsbauförderungsgesetzes (WoBauFG) vom 22. Dezember 1989 (BStBl I 1989, 505) durch Einbeziehung der Tatbestände des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ist erst für die Besteuerungszeiträume ab 1. Januar 1990 anzuwenden (Art. 17 Abs. 2 WoBauFG). Eine vorherige entsprechende Anwendung dieser Neufassung scheidet aus (BFH-Urteil vom 30. April 1987 V R 154/78, BFHE 150, 178, BStBl II 1987, 688, 690). Ob aufgrund dieser Neuregelung im Streitfall eine andere Beurteilung vorzunehmen wäre (vgl. dazu Husmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a. a. O.; Bunjes/Geist, a. a. O.; Abschn. 155 Abs. 2 Satz 9 UStR 1992), braucht daher nicht entschieden zu werden.

Das FG hat die zugrundezulegenden Unfallkosten zu Recht aus dem Restbuchwert des PKW des Klägers im Unfallzeitpunkt abgeleitet. Dies wird auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt. Die Kosten der Selbstversorgung sind aus der Kostenrechnung des Unternehmens im Sinne der - auch einkommensteuerrechtlich zugrundezulegenden - Selbstkosten abzuleiten (BFH-Urteil in BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309, 310; Hartmann/Metzenmacher, a. a. O., § 10 Anm. 509; Bunjes/Geist, a. a. O.). Sie umfassen auch die Absetzungen für Abnutzung bis zum Unfallzeitpunkt. Da vorgenommene Abschreibungen somit bereits in die Gesamtkosten eingehen, ist es folgerichtig, die zusätzlichen Unfallkosten nach dem (sich aufgrund dieser Abschreibungen ergebenden) Buchwert zu bemessen (vgl. Widmann, Umsatzsteuerkongreß-Bericht 1982/1983, 51 (70); a. A. Weiß, UR 1980, 181, der den Teilwert zugrunde legen will). Ein anderer Ansatz könnte nur gerechtfertigt sein, wenn das Abschreibungsvolumen des ausgeschiedenen Gegenstandes nicht den tatsächlich aufgewendeten Anschaffungskosten entspricht - etwa bei Übertragung einer steuerfreien Rücklage oder soweit Sonderabschreibungen nicht in die Gesamtkosten eingegangen sind (vgl. Söhn, Deutsche Steuer-Zeitung 1987, 367, 375). Dafür ist im Streitfall nichts vorgetragen oder ersichtlich.

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Der Wert der im Streitjahr 1982 zugewandten Reise ist mit 2.584 DM nicht streitig. Daraus ergibt sich entsprechend dem Antrag des FA eine gegenüber der Vorentscheidung um 335,92 DM erhöhte Festsetzung der Umsatzsteuer 1982 mit 37.964 DM.