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  BFH-Urteil vom 20.7.1995 (V R 18/94) BStBl. 1995 II S. 852

Ein Tierzucht- und Tierhaltungsbetrieb, der die für das Jahr 1990 geschuldete Steuer nach § 24 a UStG DDR kürzt, muß auch die Beschränkung der Kürzung nach § 24 a Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStG DDR wegen Überschreitens der Vieheinheitenobergrenze hinnehmen.

UStG DDR 1990 § 24 a.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine ehemalige Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) im Beitrittsgebiet. Im Streitjahr (1990) bewirtschaftete sie eine .... ha große landwirtschaftliche Nutzfläche; sie hielt Rinder, Schweine, Masthähnchen und Schafe.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1990 machte die Klägerin einen Kürzungsbetrag nach § 24 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend.

Im Anschluß an eine Außenprüfung gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Kürzungsbetrag nur für die Pflanzenproduktion, die Schafproduktion und die Hähnchenmast, nicht aber für die Rinder- und Schweinehaltung; hierbei berief sich das FA auf § 24 a Abs. 2 UStG und §§ 51, 51 a des Bewertungsgesetzes (BewG).

Einspruch und Klage gegen den Steuerbescheid hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, der Tatbestand des § 24 a Abs. 2 Satz 3 UStG 1980 sei erfüllt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 727 veröffentlicht.

Gegen das die Klage abweisende Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie meint, § 24 a Abs. 2 Satz 3 UStG 1980 sei nicht anwendbar, da diese Vorschrift auf die im vorangegangenen Wirtschaftsjahr erzeugten oder gehaltenen Vieheinheiten abstelle, sie (die Klägerin) vor dem 1. Juli 1990 aber kein Wirtschaftsjahr gehabt habe. Die Benachteiligung einer LPG-Tierproduktion gegenüber einer LPG-Pflanzenproduktion ohne Übergangsfrist verbiete sich auch deshalb, weil die Aufspaltung der Produktionsbereiche von LPG's nach Tier- und Pflanzenproduktion staatlich verordnet worden sei.

Einen ausdrücklichen Revisionsantrag hat die Klägerin nicht gestellt.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision ist trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Revisionsantrags zulässig (vgl. § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Nach dem Inhalt der Revisionsschrift und der Revisionsbegründung ist davon auszugehen, daß die Klägerin die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils beantragt und den dort aufgeführten Klageantrag aufrechterhält.

2. Die Revision ist aber im Ergebnis unbegründet.

Entgegen der Auffassung des FG und der Beteiligten kann das Klagebegehren nicht auf § 24 a UStG 1980, sondern nur auf § 24 a des Umsatzsteuergesetzes der Deutschen Demokratischen Republik (UStG DDR 1990) vom 22. Juni 1990 (Gesetzblatt - GBl - Sonderdruck Nr. 1432) gestützt werden. Dies folgt aus Art. 8 des Vertrages vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14. Danach trat das Recht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Besitz- und Verkehrsteuern im Beitrittsgebiet erst am 1. Januar 1991 in Kraft. Zu den Verkehrsteuern gehört auch die Umsatzsteuer (Bundesfinanzhof - BFH - Urteile vom 16. März 1995 V R 96/93, BFHE 177, 531 BStBl II 1995, 569 und vom 7. März 1995 XI R 69/93, BFHE 177, 168, BStBl II 1995, 521).

Die Kürzung für Umsätze aus Tierzucht- und Tierhaltungsbetrieben, um die es der Klägerin geht, wird nach § 24 a Abs. 2 Satz 3 UStG DDR nur gewährt, wenn im vorangegangenen Wirtschaftsjahr nicht mehr als insgesamt 330 Vieheinheiten erzeugt oder gehalten wurden. Übersteigt die Anzahl der Vieheinheiten diese Grenze, so ist Anhang Nr. 2 entsprechend anzuwenden (§ 24 a Abs. 2 Satz 4 UStG DDR). Obwohl das UStG DDR nicht ausdrücklich auf das BewG verweist, ist rechtlich unbedenklich, daß die Vieheinheiten nach dem BewG bestimmt wurden. Da das UStG DDR das UStG 1980 zum Vorbild hat, kann davon ausgegangen werden, daß es auch den Begriff der Vieheinheiten dem UStG 1980 und dem BewG entnommen hat.

Da der Kürzungsanspruch der Klägerin seine Rechtsgrundlage nur in § 24 a UStG DDR finden kann, muß die Klägerin auch dessen Beschränkung durch § 24 a Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStG DDR hinnehmen. Nach § 27 Abs. 1 UStG DDR ist dieses Gesetz, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30. Juni 1990 ausgeführt worden sind. Für § 24 a UStG DDR ist nichts anderes festgelegt, so daß für die nach dem 30. Juni 1990 ausgeführten Umsätze die gesamte Vorschrift des § 24 a UStG DDR gilt.

Eine andere Frage ist, welcher Zeitraum als "vorangegangenes Wirtschaftsjahr" i. S. des § 24 a Abs. 2 Satz 3 UStG DDR anzusehen ist. Für andere Vorschriften, die auf das vorangegangene Kalenderjahr verweisen, ordnet § 27 Abs. 5 UStG DDR an, daß für das Kalenderjahr 1990 auf das laufende Kalenderjahr abzustellen ist. Für § 24 a Abs. 2 Satz 3 UStG DDR fehlt eine entsprechende Vorschrift. Das FG hat die Zeit vom 1. Juli 1989 bis 30. Juni 1990 als "vorangegangenes Wirtschaftsjahr" i. S. von § 24 a Abs. 2 Satz 3 UStG angesehen; das FA hielt in der Einspruchsentscheidung die Verhältnisse des laufenden (am 1. Juli 1990 beginnenden) Wirtschaftsjahres für maßgeblich. Da sich der Umfang der Viehhaltung in diesem Zeitraum nicht wesentlich geändert hat, braucht der Senat hierzu im Streitfall keine Stellung zu nehmen. Entscheidend ist, daß die gesamte Vorschrift des § 24 a UStG DDR (einschließlich § 24 a Abs. 2 Sätze 3 und 4) auf die im zweiten Halbjahr 1990 getätigten Umsätze Anwendung findet.