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  BFH-Urteil vom 28.11.1995 (VII R 63/95) BStBl. 1996 II S. 105

Der nach § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO erforderliche Nachweis der Bevollmächtigung kann nur durch die Vorlage der schriftlichen Vollmacht im Original geführt werden; es reicht nicht aus, daß der Prozeßbevollmächtigte dem Gericht die ihm erteilte schriftliche Vollmacht durch Telefax übermittelt.

FGO § 62 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 14. März 1995, bei Gericht eingegangen am selben Tage, Klage gegen den Haftungsbescheid des beklagten und revisionsbeklagten Finanzamts (FA) in Gestalt der Einspruchsentscheidung erhoben. Dem Schriftsatz war keine Prozeßvollmacht beigefügt. Dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers wurde daraufhin unter Setzung einer Ausschlußfrist gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, bis zum 20. April 1995 eine schriftliche Prozeßvollmacht des Klägers vorzulegen. Mit beim Finanzgericht (FG) am 19. April 1995 eingegangenen Telefax übermittelte der Prozeßbevollmächtigte die auf ihn lautende Prozeßvollmacht des Klägers. Die Originalvollmacht ist am 21. April 1995 beim FG eingegangen.

Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Vollmacht innerhalb der Ausschlußfrist nicht im Original vorgelegt worden ist.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Die Telefaxkopie einer Originalvollmacht müsse die gleiche fristwahrende Wirkung entfalten wie das Original.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Klage unzulässig ist, weil der Prozeßbevollmächtigte seine Vollmacht nicht innerhalb der ihm gesetzten Ausschlußfrist durch Vorlage des Originals der ihm erteilten Vollmacht nachgewiesen hat.

Gemäß § 62 Abs. 3 FGO in der hier maßgebenden Fassung des Art. 1 Nr. 9 des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109) ist die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen (Satz 1). Nach Satz 3 dieser Vorschrift kann die Vollmacht nachgereicht werden; hierfür kann eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt werden.

a) Der Nachweis der Bevollmächtigung kann danach nur durch die Vorlage der schriftlichen Vollmacht im Original geführt werden; es reicht nicht aus, daß der Prozeßbevollmächtigte dem Gericht die ihm erteilte schriftliche Vollmacht durch Telefax (Telekopie) übermittelt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mehrfach zu der Frage Stellung genommen, welche Anforderungen an die schriftliche Erteilung der Vollmacht zu stellen sind. Er hat in diesem Zusammenhang entschieden, daß die Vollmacht auch durch ein an das Gericht gerichtetes Telegramm des Klägers (BFH, Urteil vom 23. Juni 1987 IX R 77/83, BFHE 150, 309, BStBl II 1987, 717) erteilt werden kann. Ebenso kann nach seiner Rechtsprechung die Vollmacht durch ein an den Prozeßbevollmächtigten gerichtetes Telefax des Klägers erteilt werden (BFH, Urteil vom 15. Juni 1994 II R 49/91, BFHE 174, 394, BStBl II 1994, 763). Er hat auch entschieden, daß die Schriftlichkeit der Vollmachterteilung gewahrt ist, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dem Gericht seine ihm erteilte Vollmacht im Telebriefverfahren übermittelt (BFH, Urteil vom 19. Januar 1989 IV R 21-23/87, BFHE 156, 350, BStBl II 1989, 567). Auf diese Entscheidungen, die die Verwendung moderner Nachrichtentechniken für die Erteilung der Vollmacht zulassen, kann sich der Kläger jedoch im Streitfall nicht stützen, weil es hier nicht um die für die Bevollmächtigung vorgeschriebene Form, sondern um den Nachweis der dem Prozeßbevollmächtigten erteilten Vollmacht geht.

Dies wird durch die im Streitfall maßgebende Neufassung des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO verdeutlicht. Sie hält den auch schon nach § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO a. F. geltenden Grundsatz aufrecht, daß die Vollmacht schriftlich zu erteilen ist, macht jedoch durch die Fassung in Anlehnung an § 80 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) deutlich, daß Gegenstand der Regelung lediglich der Nachweis der Vollmachtserteilung gegenüber dem Gericht ist (Begründung zu Art. 1 Nr. 8 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der FGO und anderer Gesetze, BTDrucks 12/1061, S. 14).

Soweit sich der BFH schon unter Geltung des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO a. F. mit dem erforderlichen Nachweis der dem Prozeßbevollmächtigten erteilten Vollmacht auseinandergesetzt hat, hat er jeweils die Vorlage des Originals der dem Prozeßbevollmächtigten erteilten Vollmacht verlangt (BFH, Urteile vom 18. Februar 1987 II R 213/84, BFHE 149, 19, BStBl II 1987, 392, und vom 2. August 1994 IX R 102/91, BFH/NV 1995, 534). Das gilt ebenfalls für das Urteil in BFHE 174, 394, BStBl II 1994, 763. Auch danach war das Formerfordernis des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO a. F. nur deswegen als erfüllt erachtet worden, weil die dem Prozeßbevollmächtigten durch Übermittlung einer Telekopie erteilte Vollmacht dem Gericht im Original vorgelegt worden war. Denn bei der dem Gericht vorgelegten Telekopie handelte es sich um dieselbe Urkunde, durch welche die Vollmacht dem Prozeßbevollmächtigten erteilt worden war. In BFHE 156, 350, BStBl II 1989, 567 hat zwar der IV. Senat des BFH die Übermittlung der dem Prozeßbevollmächtigten erteilten Vollmacht durch den Prozeßbevollmächtigten im Telebriefverfahren als ausreichend angesehen. Diese ebenfalls zu § 62 Abs. 3 FGO a. F. ergangene Entscheidung setzt sich aber nur mit dem Erfordernis der Schriftform und nicht mit der Nachweisproblematik auseinander.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu § 80 Abs. 1 ZPO, dem § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes angeglichen worden ist, entschieden, daß zum Nachweis der Bevollmächtigung das Original der Vollmachtsurkunde vorzulegen ist. Schriftstücke, die lediglich einen durch technische Übertragungsverfahren hergestellten Abdruck der Originalurkunde darstellen (Telefaxe, Fotokopien), sind danach nicht geeignet, die Erteilung der schriftlichen Vollmacht nachzuweisen (BGH, Urteil vom 23. Juni 1994 I ZR 106/92, BGHZ 126, 266-269). Im Schrifttum wird diese Auffassung geteilt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 53. Aufl., § 80 Anm. 2 B a; Vollkommer in Zöller, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 80 Rz. 8).

Der Senat hält die Auffassung des BGH für zutreffend und schließt sich ihr bei der im Streitfall erforderlichen Auslegung des dem Wortlaut des § 80 Abs. 1 ZPO nunmehr angeglichenen § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO an. Auch diese Vorschrift verlangt nämlich, daß die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen ist. Daraus ergibt sich, daß der Nachweis der Bevollmächtigung durch Vorlage der schriftlichen Vollmacht geführt werden muß (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 62 Rz. 29; a. A. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 62 FGO Rz. 105; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 62 FGO Rz. 9).

Die Richtigkeit dieser Folgerung wird durch den Wortlaut des § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO bestätigt, der es gestattet, die Vollmacht nachzureichen. Die danach eingeräumte Möglichkeit des Nachreichens der Vollmacht kann sich aber nur auf die erteilte Vollmacht selbst, d. h. auf die Vollmachtsurkunde als solche beziehen. Muß der Nachweis durch die Vorlage der Urkunde erfolgen, so reicht es - wie der BGH (a. a. O.) mit Recht ausgeführt hat - nicht aus, nur eine Kopie der Urkunde zu überreichen. Erforderlich ist vielmehr die Vorlage der Urkunde selbst, d. h. das Original.

Dem steht weder die vom Kläger angeführte Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78 (BGHZ 75, 340) noch der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Februar 1987 1 BvR 475/85 (BVerfGE 74, 228) entgegen. Beide Entscheidungen setzen sich nur mit den Voraussetzungen auseinander, unter denen die prozeßrechtlich vorgeschriebene Schriftform als gewahrt anzusehen ist (bei Schriftsätzen von Behörden usw. statt eigenhändiger Unterschrift, der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verantwortlichen mit Beglaubigungsvermerk; Übermittlung der Begründung von Rechtsmitteln durch Fernschreiben). Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat in diesem Zusammenhang in BGHZ 75, 340, 348 ausgeführt, daß die Verfahrensvorschriften des Prozeßrechts nicht Selbstzweck sind, sondern letztlich der Wahrung des materiellen Rechts der Prozeßbeteiligten dienen. Nach der Entscheidung des BVerfG spielt in diesem Zusammenhang der Umstand, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung die Verwendung moderner Nachrichtentechnik akzeptiert hat, bei der Übermittlung von Schriftsätzen unter dem Gesichtspunkt des gleichen Zugangs aller Bürger zu den Gerichten eine wesentliche Rolle (vgl. BVerfGE 74, 228, 234). Um das Formerfordernis der Schriftlichkeit geht es jedoch im Streitfall - wie bereits ausgeführt - nicht. Die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen können für den durch § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO verlangten Nachweis der Vollmacht keine Bedeutung haben, weil die Vorschrift selbst den Nachweis der Bevollmächtigung in bestimmter Form, nämlich durch die schriftliche Vollmacht im Original, vorschreibt.

Die vom Kläger aufgezeigten Schwierigkeiten (Manipulationsgefahr), die sich bei dieser Auslegung der Vorschrift dadurch ergeben, daß der Nachweis der Vollmacht davon abhängen kann, ob der Kläger oder dessen Prozeßbevollmächtigter Absender der Telekopie ist (vgl. BFH, Urteil in BFHE 150, 309, BStBl II 1987, 717), sind in Anbetracht der klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Derartige Schwierigkeiten lassen sich im übrigen dadurch vermeiden, daß in der Telekopie jeweils eindeutig und im Zweifelsfall nachprüfbar ihr Absender angegeben wird.

b) Die nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO gesetzte Ausschlußfrist für das Nachreichen der Vollmacht ist nicht eingehalten worden, weil die Vollmacht innerhalb dieser Frist nicht - wie erforderlich - im Original vorgelegt worden ist. Es reicht nicht aus, daß - wie im Streitfall - innerhalb der Ausschlußfrist die Vollmacht in Kopie mittels Telefax und erst danach im Original vorgelegt worden ist (so aber Gräber/Koch, a. a. O., § 62 Rz. 29). Eine solche Verfahrensweise läuft dem Zweck der Vorschrift, innerhalb einer bestimmten Frist die Tatsache der Bevollmächtigung eindeutig und abschließend zu klären, zuwider.