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  BFH-Urteil vom 7.9.1995 (V R 25/94) BStBl. 1996 II S. 109

Die Nachhaltigkeit des An- und Verkaufs mehrerer neuer Kfz kann nicht allein unter Berufung darauf verneint werden, es habe sich um "private Gefälligkeiten" gehandelt.

UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gastwirt. Nachdem er bereits in den Jahren 1982 und 1985 jeweils ein Fahrzeug von der Kfz-Herstellerfirma X (X) erworben und umgehend zum Einkaufspreis an Kfz-Händler weiterveräußert hatte, kaufte er in den Streitjahren (1986 und 1987) erneut jeweils ein Fahrzeug dieser Firma und verkaufte die Fahrzeuge ebenfalls sogleich zum Einkaufspreis an einen Kfz-Händler, der von X nicht beliefert wurde. Ab 1989 handelte der Kläger im größeren Umfang mit Kfz.

Der Kläger erfaßte die beiden Kfz-Verkäufe der Streitjahre in seinen Umsatzsteuererklärungen und machte die Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen über den Ankauf der Fahrzeuge geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verweigerte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, daß die beiden Veräußerungen nicht im Rahmen des Unternehmens des Klägers erfolgt seien, und nahm den Kläger wegen der in den Verkaufsrechnungen gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 in Anspruch.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus, der Kläger habe die Fahrzeuge nicht im Rahmen seines Gaststättenbetriebs veräußert. Er habe auch keine unternehmerische Tätigkeit als Kfz-Händler ausgeübt, weil er durch den Verkauf der Fahrzeuge nicht "nachhaltig" tätig geworden sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger beim An- und Verkauf der Kfz in den Streitjahren nur aus Gefälligkeit und damit nichtunternehmerisch tätig geworden sei. In Fällen zweifelhafter Nachhaltigkeit weise ein Verhalten, das nicht so sehr vom Gewinnstreben, als mehr vom Motiv eines Freundschaftsdienstes getragen sei, in die Richtung privaten Verhaltens.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Auffassung, er habe die Neuwagengeschäfte in den Streitjahren als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 ausgeführt. Insbesondere sei er "nachhaltig" im Sinne dieser Vorschrift tätig geworden, da es sich um eine mehrjährige wiederholte An- und Verkaufstätigkeit gehandelt habe. Gefälligkeit als Motiv sei - entgegen der Auffassung des FG - im Umsatzsteuerrecht kein Indiz gegen das Vorliegen von Unternehmereigenschaft.

Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und unter Änderung der angefochtenen Steuerbescheide die Umsatzsteuer für 1986 um 16 593,81 DM und für 1987 um 15 452,80 DM herabzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht verneint, daß der Kläger die Kfz-Geschäfte, um die es hier geht, als Unternehmer getätigt hat.

Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1980, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Das Unternehmen umfaßt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers.

1. Der Kläger könnte die Neuwagengeschäfte unabhängig von der Frage der Nachhaltigkeit dieser Tätigkeit bereits deshalb als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 ausgeführt haben, weil sie in den Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit als Wirt fielen. Eine entsprechende Zurechnung wäre selbst dann möglich, wenn es sich bei dem Käufer - wie der Kläger behauptet - lediglich zufällig um einen Gast des Klägers handelte und die Neuwagengeschäfte mithin nicht Ausfluß seiner Tätigkeit als Wirt waren. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 1993 V R 103/88 (BFHE 173, 262, BStBl II 1994, 278 unter 1. b) ist eine Tätigkeit, die mit der bisherigen Tätigkeit eines Unternehmers in keinem sachlichen Zusammenhang steht, seiner unternehmerischen Sphäre zwar erst dann zuzurechnen, wenn der Unternehmer auch im Rahmen des neuen Tätigkeitsfeldes nachhaltig Leistungen gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erbringt. Der Begriff des sachlichen Zusammenhangs ist aber weit zu verstehen. Im Streitfall spricht vieles dafür, daß zwischen der Tätigkeit des Klägers als Wirt und seinen Neuwagengeschäften ein sachlicher Zusammenhang bestand. In beiden Fällen handelte es sich um eine Ein- und Verkaufstätigkeit im Einzelhandel. Der Senat braucht diese Frage aber nicht abschließend zu beantworten, da der Kläger die Kfz-Verkäufe - auch gesondert betrachtet - nachhaltig und damit im Rahmen seines Gesamtunternehmens ausgeführt hat.

2. Entgegen der Auffassung des FG war der Kläger mit dem An- und Verkauf der Fahrzeuge bereits in den Streitjahren nachhaltig tätig.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. Juli 1991 V R 86/87 (BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776) ausgeführt, daß die Frage, ob im Einzelfall jemand "nachhaltig" i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 tätig geworden ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden sei, und hat Kriterien aufgezählt, die für die Nachhaltigkeit sprechen können. Dies ist dahin zu verstehen, daß eine nachhaltige Betätigung nicht aufgrund des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines dieser Merkmale bejaht oder verneint werden dürfte. Die für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale müssen vielmehr gegeneinander abgewogen werden. Im Einzelfall kann eine nachhaltige Tätigkeit sogar bei einem einzigen Umsatz vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1995 V R 72/93, nicht veröffentlicht).

Die vom Senat in seinem Urteil in BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776 genannten Kriterien sind zwar nicht abschließend. Das vom FG herangezogene zusätzliche Kriterium der "privaten Gefälligkeit" mag auch in geeigneten Fällen als zusätzliches Abgrenzungskriterium von Bedeutung sein. Das FG hat dem Umstand der "privaten Gefälligkeit" jedoch zu Unrecht das entscheidende Gewicht beigemessen, so daß im Ergebnis eine Abwägung aller für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Umstände nicht stattfand.

Es ist bereits zweifelhaft, ob bei den Kfz-Geschäften des Klägers von "privater Gefälligkeit" gesprochen werden kann. Eine derartige Gefälligkeit mag z. B. vorliegen, wenn jemand Gegenstände des täglichen Bedarfs für einen Nachbarn einkauft. Anders ist es jedoch beim An- und Verkauf von Kfz, was mit einem erheblichen Kapitaleinsatz und einem nicht unerheblichen Verkaufsrisiko verbunden ist. Insoweit liegt eine über die "private Gefälligkeit" hinausgehende wirtschaftliche Betätigung vor.

Bei der Berücksichtigung aller für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Umstände ist ebenfalls zu bedenken: Der Kläger war - auch außerhalb der Streitjahre - über mehrere Jahre hinweg wiederholt als An- und Verkäufer von Kfz tätig. Die Tatsache, daß er die Fahrzeuge zum Teil mit der üblichen und zum Teil mit einer verkürzten Lieferfrist bezog, steht einem planmäßigen Handeln hinsichtlich seiner Umsatztätigkeit (Verkauf) nicht entgegen. Die Intensität der wirtschaftlichen Betätigung des Klägers als Fahrzeughändler war auch nicht so gering, daß eine unternehmerische Betätigung entfallen wäre. Hiervon ist der Senat in seinem Urteil in BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776 für den Fall ausgegangen, daß der Angehörige eines Automobilwerks sein Fahrzeug jeweils nach mehr als einem Jahr veräußert, wodurch er in die Nähe eines Privatmannes rückt, der ebenfalls in regelmäßigen Abständen sein Auto zu verkaufen pflegt. Hiervon unterscheidet sich die Betätigung des Klägers als Fahrzeughändler wesentlich.

Im Gegensatz zu einem Werksangehörigen, der seinen Jahreswagen verkauft, und zu einem Amateurrennfahrer, der seine Fahrzeuge nach einigen Renneinsätzen stets wieder veräußert (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1984 V R 32/74, BFHE 142, 327, BStBl II 1985, 173), kaufte der Kläger die Fahrzeuge nicht für die eigene Nutzung als Beförderungsmittel, um sie nach kürzerer oder längerer Zeit eigener Nutzung zu veräußern. Er kaufte sie vielmehr ausschließlich zu dem Zweck, sie umgehend wieder zu verkaufen. Im Rahmen der Gesamtverhältnisse spielt dies eine besonders wichtige Rolle. Ob der Kläger die Fahrzeuge lediglich aufgrund privater Beziehungen zum Käufer unter Berechnung des Einkaufspreises verkauft hat oder ob von Anfang an eine "Verkaufsprovision" vorgesehen war, ist nicht entscheidend. Die Höhe von Verkaufspreisen wird vielfach nicht nur durch geschäftliche, sondern auch durch private Beziehungen beeinflußt.

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.

Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da möglicherweise die am 15. Dezember 1987 in Rechnung gestellte "Verkaufsprovision" bislang nicht besteuert wurde. Im zweiten Rechtsgang wird das FG Gelegenheit haben, die näheren Umstände der Provisionsvereinbarung zu ermitteln. Von dem Ergebnis dieser Ermittlungen hängt auch ab, ob die "Verkaufsprovision" für das im Jahre 1986 veräußerte Fahrzeug bereits in diesem Jahr als Entgelt für die Fahrzeuglieferung zu erfassen ist, oder ob eine nachträgliche Änderung der Bemessungsgrundlage i. S. von § 17 UStG 1980 vorliegt.