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  BFH-Urteil vom 18.5.1995 (IV R 127/92) BStBl. 1996 II S. 126

Ein Grundstück, das zu mehr als der Hälfte seines Wertes dem Betrieb einer Rechtsanwaltssozietät dient und zum Gesamthandsvermögen einer aus mehreren Sozien und ihren Ehefrauen bestehenden vermögensverwaltenden GbR gehört, ist in vollem Umfang Betriebsgrundstück i. S. des § 99 BewG.

BewG §§ 26, 95, 96, 99.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu 1 und 2 sowie der Beigeladene (Ehemänner) hatten sich in den Streitjahren (1983 und 1984) in einer Anwaltssozietät zusammengeschlossen. Sie waren in den Streitjahren außerdem an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die ursprünglich im Jahre 1980 als GmbH & Co. KG (KG) gegründet und dann umgewandelt worden war. Zweck der GbR war die Errichtung eines Gebäudes auf dem von der KG erworbenen Grundstück sowie die Verwaltung dieses Gebäudes. Der Gesellschaftsvertrag enthält in § 12 die Bestimmung, daß Gesellschaftsanteile und Teile davon nur aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter abgetreten werden können. Die Abtretung an die Ehefrau eines Gesellschafters bedarf allerdings keiner Zustimmung, wenn die Ehefrau ihrem Ehemann eine unwiderrufliche Vollmacht zur Wahrnehmung der Gesellschafterrechte erteilt. Nach § 13 des Gesellschaftsvertrages kann die Gesellschaft nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Als wichtiger Grund ist das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Anwaltssozietät anzusehen. Wird in einem solchen Fall die Gesellschaft nicht gekündigt, so sind die Beteiligungen des ausscheidenden Rechtsanwalts und seiner Ehefrau den anderen Gesellschaftern auf Verlangen im gleichen Verhältnis zum Erwerb anzubieten.

Das Gebäude wurde im August 1983 fertiggestellt und anschließend zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von 31.135 DM zuzüglich Mehrwertsteuer an die Sozietät vermietet.

Am 30. Juni und 30. September 1983 traten die Kläger zu 1 und 2 jeweils 90 v.H. ihrer Beteiligungen an der GbR an ihre Ehefrauen ab. Die Abtretung sollte "schenkweise" erfolgen. Allerdings stellten die Erwerberinnen ihre Ehemänner anteilig von den Schulden der Gesellschaft frei. Die Ehefrauen erteilten ihren Ehemännern gleichzeitig die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen unwiderruflichen Vollmachten, ihre Rechte aus den übertragenen Beteiligungen unter Befreiung von den Einschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auszuüben. Am 13. Juli 1984 traf der Beigeladene mit seiner Ehefrau eine gleichlautende Vereinbarung. Auch er erhielt eine unwiderrufliche Vollmacht seiner Ehefrau.

Der Beigeladene und seine Ehefrau traten anläßlich des Ausscheidens des Ehemannes aus der Sozietät zum 31. Dezember 1985 aus der GbR aus. Für die Vermietungsgesellschaft waren für die Jahre 1981 und 1982 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt worden.

Im Anschluß an Außenprüfungen bei der Sozietät und der GbR vertrat der Prüfer die Auffassung, daß das Vermögen, das den Gesellschaftern der GbR zur gesamten Hand zustehe, - ungeachtet der Anteilsübertragung auf die Ehefrauen - in vollem Umfang den Klägern zu 1 und 2 sowie dem Beigeladenen zuzurechnen sei. Wegen der von vornherein beabsichtigten Nutzung des Gebäudes durch die Sozietät sei es zu je einem Drittel notwendiges Sonderbetriebsvermögen der Sozietätsmitglieder.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte der Auffassung des Prüfers. Er hob die Bescheide über die Feststellung der Einkünfte der GbR für 1981 und 1982 auf und lehnte die Anträge auf Feststellung der Einkünfte der GbR für 1983 und 1984 ab. Für die Jahre 1983 und 1984 erließ er außerdem gegenüber den Ehefrauen zusammengefaßte negative Feststellungsbescheide. In Übereinstimmung hiermit erließ das FA Bescheide über die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens der Sozietät auf den 1.Januar 1981, 1982 und 1984. Der letztgenannte Bescheid ist Gegenstand dieses Verfahrens.

Hiergegen erhoben die Kläger Klage.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts und auf Verfahrensmängel stützen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Allerdings sind FA und FG zu Unrecht davon ausgegangen, daß das Gesamthandsvermögen der seinerzeit aus den Klägern, dem Beigeladenen und deren Ehefrauen bestehenden GbR in vollem Umfang im wirtschaftlichen Eigentum der Ehemänner stand (s. Urteile in den Sachen IV R 125/92, BFHE 178, 63, BStBl II 1996, 5 und IVR126/92 vom heutigen Tag). Die Entscheidung erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als zutreffend (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 95 Abs. 1 i. V. m. § 96 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der im Streitjahr geltenden Fassung gehören zum Betriebsvermögen alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die der Ausübung eines freien Berufs dienen, soweit die Wirtschaftsgüter dem Betriebsinhaber gehören.

Nach § 99 BewG gelten für Betriebsgrundstücke besondere Vorschriften. So gilt gemäß § 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG das ganze Grundstück (nur dann) als Betriebsgrundstück, wenn es zu mehr als der Hälfte seines Wertes dem Betrieb dient. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nach den nicht mit der Revision angegriffenen Feststellungen des FG erfüllt.

Nach § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG gilt das Grundstück in vollem Umfang dann nicht als Betriebsgrundstück, wenn an ihm neben dem Betriebsinhaber noch weitere Personen beteiligt sind. Wird das Unternehmen von mehreren Personen in Form einer Gesellschaft oder Gemeinschaft betrieben, so gehört das Grundstück zum Betriebsvermögen, wenn alle Miteigentümer des Grundstücks zugleich als Gesellschafter oder Gemeinschafter an dem Unternehmen beteiligt sind, ohne daß außer ihnen ein anderer an ihm als Miteigentümer beteiligt wäre (Abschn. 36 Abs. 3 der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR -; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, 16. Aufl., § 99 Rdnr. 9). Das Grundstück gehört dann zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter oder Gemeinschafter.

Im Streitfall waren außer den Klägern und dem Beigeladenen, die alle Mitglieder der Rechtsanwaltssozietät waren, noch deren Ehefrauen an der Grundstücksgesellschaft beteiligt. Die Vorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG gilt jedoch insoweit nicht, als es sich bei der anderen Person um den Ehegatten des Betriebsinhabers handelt und das Vermögen der Ehegatten - wie es vorliegend der Fall ist - nach § 119 Abs. 1 BewG zusammenzurechnen ist. Das folgt aus der Regelung des § 26 BewG, derzufolge die Tatsache, daß die Eheleute mehrere Personen sind, außer Betracht bleibt. § 26 BewG geht insoweit der Regelung des § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG vor (so zu § 49 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz, der Vorgängervorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 3: Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. April 1971 III R 9/70, BFHE 102, 404, BStBl II 1971, 669; ebenso unveröffentlichtes BFH-Urteil vom 3. Dezember 1982 III R 178/81).

Das gilt nach dem vorstehend ausgeführten auch dann, wenn der das Grundstück nutzende Ehegatte nicht Alleininhaber des Unternehmens, sondern Mitglied einer Personengesellschaft ist, deren Betrieb das Grundstück zu mehr als 50 v.H. dient (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1973 III R 40/73, BFHE 111, 158, BStBl II 1974, 79; Rössler/Troll, a. a. O., § 99 Rdnr. 9).

Etwas anderes folgt schließlich nicht daraus, daß das streitige Grundstück den Klägern, dem Beigeladenen und den jeweiligen Ehefrauen nicht zu Bruchteilen, sondern zur gesamten Hand im Rahmen einer GbR gehörte. Nach § 3 BewG und § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ist Gesamthandseigentum bewertungsrechtlich nicht anders zu behandeln als Bruchteilseigentum (s. auch Rössler/Troll, a. a. O., § 3 Rdnr. 3). Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft wirkt sich - wie sich aus dem Umkehrschluß aus § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG ergibt - nur dann auf die Qualifizierung als Grund- oder Betriebsvermögen aus, wenn die Gesellschaft unternehmerische Einkünfte erzielt. Ebenso wie im Ertragsteuerrecht (Senats-Urteil vom 25. April 1985 IV R 36/82, BFHE 144, 20, BStBl II 1985, 622) können daher Grundstücke, die im Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden GbR stehen, zum Betriebsvermögen bei einer beteiligungsidentischen gewerblichen oder freiberuflichen Gesellschaft gehören (so wohl auch Abschn. 36 Abs. 3 Satz 2 VStR).