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BFH-Urteil vom 27.6.1995 (IX R 48/93) BStBl. 1996 II S. 151

1. Wohnung i. S. des § 10 e Abs. 6 i. V. m. Abs. 1 EStG kann auch eine vor dem 1. Januar 1987 angeschaffte Wohnung sein.

2. Vier Jahre nach dem Erwerb einer Eigentumswohnung aufgewendete Zinsen für ein Darlehen, das zum Kauf dieser Wohnung aufgenommen worden war, hängen noch unmittelbar mit der Anschaffung i. S. des § 10 e Abs. 6 Satz 1 EStG zusammen.

EStG § 10 e Abs. 1 und 6.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1993, 439)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben Ende 1984 je zur Hälfte das Eigentum an einer Wohnung in Hamburg, die sie ab Mitte Februar 1985 vermieteten. Das Mietverhältnis endete mit dem 30. November 1987. Seit dem 1. April 1988 bewohnen die Kläger die Wohnung selbst.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 machten die Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1988 folgende Aufwendungen zunächst als sog. Vorkosten gemäß § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend:

Grundsteuer 1986 und 1987                                                                        232 DM

Renovierungskosten                                                                              10.364 DM

Laufende Betriebskosten und anteilige

Absetzung für Abnutzung (AfA)                                                                1.525 DM

Zinsen                                                                                                   4.899 DM

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Summe                                                                                                17.020 DM

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ diese Beträge nicht zum Abzug gemäß § 10 e Abs. 6 EStG zu. Der Einspruch des Klägers, wurde vom FA als unbegründet zurückgewiesen. Zu dem Einspruchsverfahren war die Klägerin gemäß § 360 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) hinzugezogen worden.

Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte die für die Jahre 1986 und 1987 gezahlte Grundsteuer in Höhe von insgesamt 232 DM als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Im übrigen wies es die Klage als unbegründet ab (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 439).

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 10 e Abs. 6, 52 Abs. 14 und 21 i. V. m. §§ 2 Abs. 2 Ziff. 2 und 9 EStG.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils weitere Aufwendungen in Höhe von 16.788,55 DM zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer 1988 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat § 10 e Abs. 1 und 6 i. V. m. § 52 Abs. 14 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung unzutreffend ausgelegt.

1. Das FG hat allerdings dem Grunde nach zu Recht die im Streitjahr gezahlten Grundsteuern für die Jahre 1986 und 1987 (2 u 116,28 DM) zum Abzug als nachträgliche Werbungskosten gemäß §§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zugelassen.

Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen, bei denen ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung oder Verpachtung besteht und die zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (BFH-Urteile vom 8. Dezember 1992 IX R 68/89, BFHE 170, 134, BStBl II 1993, 434, und vom 21. Juni 1994 IX R 62/91, BFH/NV 1995, 108 m. w. N.). Nachträgliche Werbungskosten sind Aufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer früheren auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit stehen (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1992 IX R 138/89, BFHE 170, 316, BStBl II 1993, 432 m. w. N.). In den Jahren 1986 und 1987 (bis einschließlich November) hatten die Kläger die Wohnung vermietet und daraus Einkünfte gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Die Grundsteuern können allerdings nur für den Zeitraum, in dem die Wohnung vermietet war, d. h. im Jahr 1987 für 11 Monate, als Werbungskosten berücksichtigt werden (106,59 DM). Nur insofern stehen sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit der Kläger.

2. Das FG hat ferner zu Recht den Abzug der umstrittenen Aufwendungen als Werbungskosten verneint.

a) Die geltend gemachten Finanzierungskosten sind keine nachträglichen Werbungskosten. Sie entfallen auf die Zeit nach der Beendigung des Mietverhältnisses. Nach der Rechtsprechung des BFH sind sie auch dann keine Werbungskosten, wenn das Mietverhältnis gegen den Willen des Steuerpflichtigen beendet worden sein sollte (BFH-Urteil vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289 m. w. N.).

Die Finanzierungskosten können auch nicht als sog. vorab entstandene Werbungskosten geltend gemacht werden, d. h. als Aufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer künftigen auf die Erzielung von Einnahmen (§ 8 EStG) gerichteten Tätigkeit stehen; denn die von den Klägern beabsichtigte Selbstnutzung der Wohnung im Jahre 1988 führte nicht mehr zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

b) Die Kosten der Maler- und Tapezierarbeiten sowie der Erneuerung des Teppich- und Parkettbodens (insgesamt 10.364 DM) sind ebenfalls keine Werbungskosten. Dabei kann der Senat unerörtert lassen, ob derartige Aufwendungen deshalb als Werbungskosten zu beurteilen sein können, weil sie der Mieter zu tragen hatte. Der Kläger hat zwar im Revisionsverfahren vorgetragen, er habe die dem letzten Mieter obliegenden Renovierungsmaßnahmen selbst durchführen müssen. Hierbei handelt es sich jedoch um neues tatsächliches Vorbringen, das der Senat als Revisionsgericht nicht berücksichtigen kann (§ 118 Abs. 2 FGO). Es ist also davon auszugehen, daß die Kosten auch aufgewendet worden sind, um die Wohnung selbst nutzen zu können. Damit stehen sie auch im Zusammenhang mit der privaten Verwendung der Wohnung, die dem Lebensführungsbereich (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) zuzuordnen ist. Eine Aufteilung der Aufwendungen ist nicht möglich. Sie sind insgesamt nicht zum Abzug zuzulassen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 108; vgl. zum sog. Aufteilungsverbot BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17).

c) Keine Werbungskosten sind schließlich die laufenden Betriebskosten (Wohngeld, Strom 895 DM), Versicherungsbeiträge (Haftpflicht, Rechtsschutz 163 DM) sowie die anteilige AfA (467 DM) für die Zeit vor dem Bezug der Wohnung in Höhe von 1.525 DM. Sie stehen nicht im Zusammenhang mit der früheren Vermietungstätigkeit und soweit sie mit der bevorstehenden Eigennutzung zusammenhängen sollten, sind sie als Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) nicht als Werbungskosten abziehbar.

3. Die Kläger können aber die im Streitjahr gezahlten Zinsen, soweit sie auf die Zeit vor der Selbstnutzung der Wohnung entfallen, als sog. Vorkosten gemäß § 10 e Abs. 6 EStG wie Sonderausgaben abziehen, d. h. Zinsen für Darlehen Allg. Hypothekenbank in Höhe von 3.873,45 DM, Zinsen BHW-Darlehen in Höhe von 750 DM und 276 DM, insgesamt 4.899,45 DM.

Nach § 10 e Abs. 6 EStG kann der Steuerpflichtige Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, die

- bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung im Sinne des Abs. 1 zu eigenen Wohnzwecken entstehen,

- unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen,

- nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören und

- im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.

a) Die Wohnung der Kläger ist eine Wohnung i. S. des § 10 e Abs. 1 EStG. Voraussetzung ist, daß die allgemeinen Merkmale des Wohnungsbegriffs gegeben sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 113/89, BFHE 167, 396, 399, BStBl II 1992, 886). Das ist hier der Fall. Darüber hinaus ist nicht erforderlich, daß die Wohnung nach dem 31. Dezember 1986 angeschafft oder hergestellt wurde.

Nach § 52 Abs. 14 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist § 10 e Abs. 1 bis 5 EStG erstmals bei Wohnungen im eigenen Haus oder bei Eigentumswohnungen oder bei Ausbauten und Erweiterungen anzuwenden, wenn das Haus oder die Eigentumswohnung nach dem 31. Dezember 1986 hergestellt oder angeschafft worden ist oder der Ausbau oder die Erweiterung nach dem 31. Dezember 1986 fertiggestellt worden ist.

Entgegen der im Schrifttum vertretenen Ansicht (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 10 e Anm. 9 b; gleicher Ansicht B. Meyer, Finanz-Rundschau - FR - 1993, 181 f.; derselbe in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 e EStG Anm. 513; Baumdicker, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1994, 161, 164; Anders, Betriebs-Berater - BB - 1991, 2421; grundsätzlich wohl auch Apitz, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1995, 241; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 31. Dezember 1994, BStBl I 1994, 887, Tz. 85) können Vorkosten auch bei einer vor dem 1. Januar 1987 angeschafften Wohnung wirksam geltend gemacht werden. Obwohl die gegenteilige Auffassung folgerichtig die Möglichkeit, Vorkosten abzuziehen mit der Grundförderung verbindet, sprechen Wortlaut und Begründung des § 52 Abs. 14 EStG eindeutig für die hier vertretene Auffassung. Nach § 52 Abs. 14 EStG ist § 10 e Abs. 1 bis 5 EStG erstmals auf Wohnungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1986 hergestellt oder angeschafft worden sind. Abs. 6 des § 10 e EStG, der den Abzug der Vorkosten regelt, ist nicht genannt. Das geschah ausdrücklich in der Absicht, den Abzug der sog. Vorkosten auch bei Wohnungen zu ermöglichen, die vor dem 31. Dezember 1986 fertiggestellt oder angeschafft worden sind (vgl. auch Entwurf der Bundesregierung, BTDrucks 10/3633, § 52 Abs. 19 c EStG noch ohne Einschränkung auf die Abs. 1 bis 5; demgegenüber der Vorschlag des Finanzausschusses, BTDrucks 10/5208, S. 15, 41). In der Begründung zu § 52 Abs. 14 EStG (BTDrucks 10/5208, S. 41) wird ferner angeführt: "Durch die Ergänzung des Absatzes um die Worte 'Abs. 1 bis Abs. 5' wird klargestellt, daß § 10 e Abs. 6 EStG (Abzug der vor Beginn der erstmaligen Selbstnutzung entstehenden Kosten) auch dann anwendbar ist, wenn die Wohnung im eigenen Haus oder die Eigentumswohnung vor dem 1. Januar 1987 angeschafft oder fertiggestellt worden ist."

Entgegen der Ansicht des FG erübrigt sich die Anführung des Abs. 6 des § 10 e EStG in § 52 Abs. 14 EStG nicht. Aus der Bezugnahme auf die "Wohnung im Sinne des Abs. 1" in § 10 e Abs. 6 EStG ergibt sich nämlich noch nicht, daß es sich um eine Wohnung handeln muß, die nach dem 31. Dezember 1986 fertiggestellt wurde. Unter den in Abs. 1 genannten Merkmalen einer Wohnung ist der Herstellungs- oder Anschaffungszeitpunkt nicht genannt, und Abs. 1 nimmt auch nicht auf § 52 Abs. 14 EStG Bezug.

b) Die Zinsen hängen auch unmittelbar mit der Anschaffung der Wohnung und des dazugehörenden Grund und Bodens zusammen. Bei Darlehenszinsen kann Unmittelbarkeit bejaht werden, wenn das Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten der Wohnung aufgenommen worden ist (so im Ergebnis auch BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 30/92, BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893; vgl. ferner BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 626 Tz. 50). Das ist hier der Fall. Ein einmal bestehender unmittelbarer Zusammenhang geht grundsätzlich nicht durch bloßen Zeitablauf verloren. Der X. Senat des BFH (Urteil in BFHE 167, 396, 400, BStBl II 1992, 886) hat allerdings bei vor Bezug aufgewendeten Renovierungsarbeiten einen engen zeitlichen Zusammenhang dem unmittelbaren Zusammenhang gleichgewertet und diesen allein deshalb verneint, weil der zeitliche Zusammenhang nicht mehr gegeben war (BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 X R 61/91, BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944). Zinsaufwendungen sind durch diese Rechtsprechung nicht berührt.

Entgegen der Ansicht des FG Münster (Urteil vom 26. April 1994 11 K 2955/93, rkr., EFG 1994, 1094) und des FG Nürnberg (Urteil vom 20. Juli 1993 II [V] 437/92, rkr., EFG 1994, 208) wird der Zusammenhang der Finanzierungskosten mit der Anschaffung der Wohnung auch nicht dadurch gelöst, daß die Wohnung vor der Eigennutzung vermietet war (FG des Saarlandes vom 1. Februar 1991 1 K 154/90, rkr., EFG 1991, 612; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 626 zu Tz. 50). § 10 e Abs. 6 EStG verlangt keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Herstellung oder Anschaffung "einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken", sondern nur mit der "Herstellung oder Anschaffung ... der Eigentumswohnung".

c) Die übrigen Voraussetzungen des § 10 e Abs. 6 EStG sind erfüllt: Die Finanzierungskosten gehören nicht zu den Anschaffungskosten der Wohnung oder des dazugehörigen Grund und Bodens (vgl. auch § 255 Abs. 3 des Handelsgesetzbuches - HGB -); sie wären ferner als vorab entstandene Werbungskosten absetzbar, wenn die Wohnung nicht von den Klägern selbst bewohnt sondern zum 1. April 1988 vermietet worden wäre.

d) Die 1988 gezahlten Zinsen sind nur insoweit als Vorkosten absetzbar, als sie auf den Zeitraum vor der eigenen Nutzung der Wohnung entfallen (BFH-Urteil in BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893; BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 626 zu Tz. 49). Mehr haben die Kläger auch nicht geltend gemacht.

4. Die übrigen Aufwendungen, d. h. Erhaltungsaufwand und laufende Betriebskosten, darunter Beiträge zur Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung, sind keine Vorkosten, weil sie nicht unmittelbar mit der Anschaffung der Wohnung i. S. des § 10 e Abs. 6 EStG zusammenhängen. Ein unmittelbarer Zusammenhang wäre allenfalls dann zu bejahren, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stünden (vgl. BFH in BFHE 167, 396, 400, BStBl II 1992, 886). Bei einem Abstand von vier Jahren ist ein enger zeitlicher Zusammenhang jedoch zu verneinen.