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  BFH-Urteil vom 28.11.1995 (VII R 106/94) BStBl. 1996 II S. 168

Wird ein inländischer Kraftfahrzeuganhänger, für dessen Halten die Kraftfahrzeugsteuer nicht erhoben wird, im Ausland hinter anderen als den in § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 (1994) bezeichneten Kraftfahrzeugen verwendet (mitgeführt), so liegt darin keine zur Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer verpflichtende Verwendung.

KraftStG 1979 (1994) § 10 Abs. 4, 1 und 2, § 7 Nr. 1, § 2 Abs. 5 Satz 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Halterin eines im Inland zugelassenen Kraftfahrzeuganhängers (Sattelauflieger), dessen Halten auf ihren Antrag von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 10 Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 freigestellt wurde. Nachdem das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) festgestellt hatte, daß der im grenzüberschreitenden Verkehr zum Gütertransport eingesetzte Anhänger im Ausland überwiegend von ausländischen Zugfahrzeugen gezogen worden war, setzte es dieserhalb gegen die Klägerin gemäß § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 Kraftfahrzeugsteuer ab Zulassung des Anhängers fest (Bescheid vom 7. Januar 1994 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 28. März 1994).

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 hätten nicht vorgelegen, da der Anhänger beim Transport im Ausland hinter ausländischen Zugmaschinen mitgeführt worden sei, für die kein (deutscher) Anhängerzuschlag erhoben worden sei. Werde der Anhänger im Ausland hinter ausländischen Fahrzeugen mitgeführt, so rechtfertige dies keinen Verzicht auf die Steuer; diese müsse vielmehr in dem Anhängerzuschlag einen entsprechenden Ausgleich finden.

Mit der Revision rügt die Klägerin im wesentlichen, die Vorentscheidung verletze § 10 Abs. 1 und 4 KraftStG 1979. Die steuerbegründenden Tatbestände des Mitführens und Verwendens könnten nur im Inland - auf inländischen öffentlichen Verkehrsflächen - verwirklicht werden. Die verkehrs- und steuerrechtliche Reglementierung des Verkehrs im Ausland sei nicht Gegenstand des deutschen Kraftfahrzeugsteuerrechts; im unbegleiteten intermodalen Verkehr komme eine Abgeltung von Wegekosten ebensowenig in Betracht wie bei der Inlandsbenutzung außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen. Eine Inlandsbesteuerung sei auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht veranlaßt.

Das FA meint, für die im Halten des Fahrzeugs begründete Besteuerung spiele es keine Rolle, ob und inwieweit von dem durch die Zulassung erworbenen Benutzungsrecht im Einzelfall tatsächlich Gebrauch gemacht werde. Hier liege kein ausschließliches Mitführen des Anhängers hinter Zugmaschinen i. S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 KraftStG 1979 vor.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Verwaltungsakte (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der die Vorentscheidung tragenden Rechtsauffassung, daß für das Halten eines inländischen Kraftfahrzeuganhängers die Kraftfahrzeugsteuer nach § 10 Abs. 4, Abs. 1 KraftStG 1979 (jetzt: 1994) zu entrichten sei, wenn das Fahrzeug im Ausland hinter ausländischen Zugmaschinen verwendet worden ist (ebenso Niedersächsisches FG, nicht veröffentlichtes Urteil vom 14. August 1991 XIV (III) 63/89; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, 1994, § 10 KraftStG Rz. 7; Heinz in Bischoff, Verkehrsteuern, 3. Aufl. 1991, S. 258 mit Hinweis auf einen entsprechend lautenden Ministerialerlaß; dagegen nicht einschlägig, weil Inlandsverwendung betreffend, FG Berlin, Urteil vom 4. Juni 1992 I 306/90, Entscheidungen der Finanzgerichte 1993, 179), ist nicht zu folgen. Der Senat hält vielmehr die von der Klägerin vertretene gegenteilige Ansicht für zutreffend. Auf ihrer Grundlage erweisen sich die auf § 12 Abs. 2 Nr. 2, § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 gestützten Steuerbescheide, anders als von der Vorinstanz erkannt, als rechtswidrig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Rechtsgrundlage für die Steuererhebung im Streitfall ist - wovon im Ergebnis auch das FG ausgeht - § 10 Abs. 4 KraftStG 1979. Diese Vorschrift enthält eine Spezialregelung für die Fälle unzulässiger Verwendung eines inländischen Kraftfahrzeuganhängers, für den die Steuer gemäß § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 nicht erhoben wird. Die allgemeinen Bestimmungen des KraftStG 1979 über den (Wieder-)Beginn der Steuerpflicht bei endgültigem oder vorübergehenden Wegfall der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 bzw. 4, hier i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979) finden keine Anwendung. Zwar handelt es sich auch bei § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 praktisch um eine Steuerbefreiung (Senat, Urteil vom 10. Februar 1987 VII R 152/84, BFHE 149, 329 f., BStBl II 1987, 510), indessen um eine solche eigener Art, die Gegenstand einer eigenständigen Regelung ist.

2. Die Voraussetzungen von § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 liegen im Streitfall nicht vor. Zwar war der Anhänger auch bei Verwendung im Ausland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979 kraftfahrzeugsteuerbar, doch ist eine Kraftfahrzeugsteuerpflicht der Klägerin nicht gegeben. Die in § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 angesprochene unzulässige Verwendung, die die Pflicht zur Entrichtung der Steuer (durch denjenigen, auf den der Anhänger zugelassen ist; § 7 Nr. 1 KraftStG 1979) begründet, ist nach Ansicht des Senats als Verwendung im Inland zu verstehen und meint dabei die Benutzung hinter nicht zugelassenen Fahrzeugen einschließlich derjenigen Zugmaschinen, für die eine um einen Anhängerzuschlag erhöhte Steuer nicht erhoben wird (zu letzterem Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuerrecht, 3. Aufl. 1981, S. 300).

Die Anknüpfung der Steuerpflicht an einen Auslandssachverhalt - Verwendung des Anhängers im Ausland hinter Fahrzeugen, für deren Halten der deutsche Anhängerzuschlag (§ 10 Abs. 2 KraftStG 1979) nicht erhoben ist - wäre zwar an sich denkbar (insoweit richtig Niedersächsisches FG, a. a. O.), kommt aber im Wortlaut des Gesetzes nicht zum Ausdruck. Einer ausdrücklichen Regelung hätte es jedoch bedurft, weil die Anknüpfung an Auslandssachverhalte Ausnahmecharakter hat. Der Hinweis des FA auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 2 Abs. 5 KraftStG 1979 rechtfertigt keine andere Betrachtung. Ein Gegenschluß zu § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Abs. 5 KraftStG 1979, der als widerrechtliche Benutzung die Fahrzeugverwendung auf öffentlichen Straßen "im Inland" ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung definiert, kann nicht gezogen werden. Die Vorschrift legt einen Steuergegenstand (Steuerbarkeit) fest und betont das Territorialitätsprinzip im Hinblick auf die vorausgesetzte Verwendung "auf öffentlichen Straßen". Sie hat keine Bedeutung bei der Beurteilung der Frage des Umfangs der Steuerpflicht. Diese besteht, soweit eine Steuerbefreiung nicht eingreift (nichts anderes besagt das vom FA angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. März 1984 II R 40/80, BFHE 140, 480, 482, BStBl II 1984, 459). Der Steuerbefreiungstatbestand ist aus sich selbst heraus auszulegen. Allein dem Wortlaut nach läßt er mangels eines Bezugs des Tatbestandsmerkmals "mitführen" auf Auslandssachverhalte nicht erkennen, daß diese den für Inlandsverwendungen geltenden Beschränkungen unterworfen sein sollen.

Auch den bei der Auslegung heranzuziehenden Materialien (amtliche Begründung zu § 11 a KraftStG 1972 i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des KraftStG vom 22. Dezember 1978, BGBl I 1978, 2063, BStBl I 1979, 65 - BTDrucks. 8/1679, S. 20 -) ist nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber beabsichtigt habe, in § 10 Abs. 4 KraftStG 1979 an die Auslandsverwendung eines begünstigten Anhängers anzuknüpfen. Insbesondere ergeben sie - auch mit dem Hinweis, "im übrigen bleibt die geltende Anhängerbesteuerung unberührt" - nicht, daß im Hinblick auf eine derartige Verwendung ein "Ausgleich" durch entsprechenden Anhängerzuschlag bezweckt gewesen sei. Die in ihnen erwähnte Kontrolle durch die "Bundesanstalt für den Güterfernverkehr" könnte sogar eher dafür sprechen, daß nur die bei dieser Kontrolle feststellbare unzulässige Inlandsverwendung zur Steuerentrichtung führen soll. Es ist nicht ersichtlich, daß ein "Ausgleich" lediglich hierfür nicht genügen sollte.

Gibt somit auch die Gesetzesbegründung nichts für die vom FA vertretene Auslegung her, so muß es dabei verbleiben, daß der Begriff "mitführen" nur auf die Inlandsverwendung von Anhängern bezogen wird.

3. Auch die in § 10 Abs. 1 KraftStG 1979 festgelegten weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung sind im Streitfall erfüllt.

Der unzulässigen Verwendung (§ 10 Abs. 4 KraftStG 1979) steht die gebotene Verwendung gegenüber, das durch die Konjunktion "solange" gekennzeichnete ausschließliche Mitführen des Anhängers hinter berechtigten Fahrzeugen (§ 10 Abs. 1 KraftStG 1979). Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden (Urteil vom 23. Mai 1989 VII R 110/86, BFHE 157, 451 f., BStBl II 1989, 907 - zu § 3 Nr. 7 KraftStG 1979 -), daß die Wendung "solange ... ausschließlich" nur bedeutet, daß das Fahrzeug bei zweckgerechter Verwendung allein dem begünstigten Zweck dienen muß. Das gilt sinngemäß auch für § 10 Abs. 1 KraftStG 1979. Diese Vorschrift setzt mit der bezeichneten Wendung kein fortdauerndes Mitführen des Anhängers voraus (Ruhezeiten sind jedenfalls steuerunschädlich), sondern, für den Fall des Mitführens, daß dieses ausschließlich hinter Fahrzeugen geschieht, für die ein Anhängerzuschlag erhoben wird. Maßgebend bleibt somit, ob der Begriff des Mitführens einen Auslandsbezug aufweist, ob also im Falle des Auslandseinsatzes des Anhängers dieser im Ausland von berechtigten Fahrzeugen (solchen, für den der deutsche Anhängerzuschlag erhoben wird) gezogen werden muß. Dies ist indessen, wie ausgeführt, zu verneinen.