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  BFH-Urteil vom 9.11.1995 (IV R 60/92) BStBl. 1996 II S. 192

Enthält ein beiden Ehegatten gehörendes Einfamilienhaus ein betriebliches Arbeitszimmer des Ehemannes und haben beide Eheleute das Bauvorhaben jeweils zur Hälfte finanziert, kann der Ehemann nur die Hälfte der auf das Arbeitszimmer entfallenden AfA in Anspruch nehmen (Bestätigung des Senatsurteils vom 20. September 1990 IV R 300/84, BFHE 162, 86, BStBl II 1991, 82). In der Übernahme der laufenden Grundstückskosten durch den Ehemann kann jedoch ein der Ehefrau gewährtes Nutzungsentgelt liegen.

EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit 1978 als Hautarzt freiberuflich tätig und ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Seit September 1981 bewohnt er gemeinsam mit seiner Ehefrau ein neuerrichtetes Einfamilienhaus; das Haus steht im Miteigentum der Eheleute. Seine Praxis übt der Kläger außerhalb des Einfamilienhauses aus. Er unterhält im Dachgeschoß dieses Hauses jedoch ein Arbeitszimmer für betriebliche Zwecke, auf das 31 v. H. der Nutzfläche entfallen. Im Rahmen der gesonderten Feststellung des Praxisgewinns für die Jahre 1981 und 1982 machte er demgemäß 31 v. H. der auf das Haus entfallenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 b bzw. § 7 Abs. 4 EStG als Betriebsausgaben geltend.

Nach einer Außenprüfung für die Jahre 1980 bis 1983 berücksichtigte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Hinblick auf das Miteigentum seiner Ehefrau an den Baulichkeiten in den Streitjahren 1981 und 1982 jedoch nur 15,5 v. H. der AfA.

Mit der Klage zum Finanzgericht (FG) begehrte der Kläger den Abzug der vollen AfA sowie die Berücksichtigung noch weiterer Praxisaufwendungen. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG gewährte die AfA in voller Höhe, weil der Kläger entsprechend dem zu Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Februar 1988 IV R 141/85 (BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764 - sog. Arbeitszimmer-Urteil -) die ihm für das Gesamtgebäude zustehende AfA vorrangig bei seinen betrieblichen Einkünften geltend machen könne.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des FA, mit der es geltend macht, daß nach Auffassung des erkennenden Senats das vom FG herangezogene Urteil im Falle von Gewinneinkünften keine Anwendung finde (BFH-Urteil vom 20. September 1990 IV R 300/84, BFHE 162, 86, BStBl II 1991, 82).

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage in weiterem Umfang abgewiesen werden. Das FG hat dem Kläger zu Unrecht die gesamten AfA für das von ihm genutzte Arbeitszimmer gewährt.

a) Errichten Eheleute gemeinsam ein Gebäude, dessen einen Teil sie als Familienwohnung benutzen und dessen anderer Teil für die freiberufliche Arztpraxis eines Ehegatten verwendet wird, so kann der freiberuflich tätige Ehegatte nach der Rechtsprechung des Senats AfA nur für seinen Hälfteanteil an den als selbständiges Wirtschaftsgut anzusehenden Praxisräumen absetzen, weil sie nur insoweit Bestandteil seines Betriebsvermögens geworden sind (BFH-Urteil in BFHE 162, 86, BStBl II 1991, 82; BFH-Beschluß vom 9. Juli 1992 IV R 115/90, BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948). Er hat in dieser Entscheidung darüber hinaus ausgeführt, daß der Arzt-Ehegatte die auf den Hälfteanteil des Ehepartners entfallende AfA auch nicht als sog. Drittaufwand absetzen könne und daß die Erwägungen des sog. Arbeitszimmer-Urteils (BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764) nicht auf Gewinneinkünfte übertragen werden können.

b) Der Senat bleibt bei dieser Auffassung. Sie wird auch nicht durch die Entscheidung des Großen Senats vom 30. Januar 1995 GrS 4/92 (BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281) in Frage gestellt. Der Große Senat hat sich weder die Vorstellungen vom abziehbaren Drittaufwand noch auch die Auffassung des Arbeitszimmer-Urteils zu eigen gemacht (vgl. Drenseck, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1995, 509, 511). Der Große Senat hat vielmehr daran festgehalten, daß der Praxisteil dem nutzenden Ehegatten nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil zuzurechnen sei. Die im Arbeitszimmer-Urteil vertretene Auffassung, nach der ein Arbeitnehmer in vergleichbarer Situation die ihm insgesamt für das Gebäude zustehende AfA vorab für einen von ihm beruflich genutzten Raum beanspruchen könne, würde für den Arzt-Ehegatten bedeuten, daß ihm der betrieblich genutzte Gebäudeteil vorab bis zur Höhe seiner Mitberechtigung am gesamten Gebäudekomplex zuzurechnen ist, während sein Anteil am Wohnungsteil entsprechend geringer ausfällt. Dies hätte aber - anders als im Fall des Arbeitnehmers - zur Folge, daß der Arzt-Ehegatte auch die auf den zusätzlichen Anteil entfallenden stillen Reserven bei einem Verkauf des Hauses als Veräußerungsgewinn oder bei einer Nutzungsänderung als Entnahmegewinn zu versteuern hätte.

Diese Auffassung des Senats bedeutet allerdings, daß der Ehegatte des Praxisinhabers die auf seinen Miteigentumsanteil entfallende AfA nur geltend machen kann, wenn der Arzt-Ehegatte ihm eine Nutzungsentschädigung gewährt und er dadurch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt; für eine derartige Entschädigung besteht ein wirtschaftlicher Grund, weil der Arzt-Ehegatte im Hinblick auf die Mitnutzung der Familienwohnung das Grundstück insgesamt in weiterem Umfang nutzt als dies seinem Miteigentumsanteil entspricht. Ein Nutzungsentgelt kann auch in der Übernahme der den anderen Ehegatten treffenden (anteiligen) Grundstückskosten liegen; sofern danach ein Totalüberschuß über die Dauer der Vermietung angestrebt wird, können sich hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1988 IX R 20/84, BFH/NV 1989, 160). Dies setzt jedoch voraus, daß die Ehegatten eine rechtsverbindliche Vereinbarung getroffen und diese wie zwischen Fremden abgewickelt haben. Hierfür hat das FG aber nichts festgestellt.

c) Trägt allerdings der Arzt-Ehegatte die Kosten für die Errichtung des Hauses, kann nach der Rechtsprechung davon ausgegangen werden, daß er, was den Miteigentumsanteil seines Ehegatten an den Praxisräumen angeht, diese Aufwendungen im Hinblick auf ein ihm vom Ehegatten zugestandenes Nutzungsrecht tätigt und sie bei ihm wie ein materielles Wirtschaftsgut zu aktivieren und abzuschreiben sind (vgl. Großer Senat in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281). Im Streitfall muß jedoch angenommen werden, daß der Neubau von beiden Ehegatten in gleichem Umfang finanziert worden ist. Aus der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung des FA ergibt sich, daß die Ehefrau zunächst eigene Barmittel, später einen eigenen Bausparvertrag eingesetzt und damit etwa die Hälfte der Anschaffungs- und Herstellungskosten abgedeckt hat.

Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Kläger die von ihm aufgewendeten Mittel vorrangig für die Herstellungskosten des Arbeitszimmers eingesetzt und dadurch neben seinem Hälfteanteil ein zusätzliches Nutzungsrecht erlangt habe. Die Mittel wurden für die Finanzierung seines Hälfteanteils am gesamten Grundstück benötigt. Seine Ehefrau hatte bei dieser Sachlage auch keinen Anlaß, ihm ein zusätzliches Nutzungsrecht einzuräumen.

Die Berücksichtigung zusätzlicher AfA beim Kläger erscheint auch vom Ergebnis her nicht geboten. Hätte der Kläger als Alleineigentümer das gesamte Vorhaben finanziert, hätte er entsprechend dem Verhältnis der Nutzflächen 31 v. H. seiner Aufwendungen im Wege von AfA als Betriebsausgaben geltend machen können; dieser Anteil kann bei unveränderter Nutzung nicht auf 62 v. H. steigen, wenn er nur die Hälfte der Baukosten trägt.