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  BFH-Urteil vom 9.11.1995 (IV R 39/95) BStBl. 1996 II S. 217

Auch wenn der Erbe eines landwirtschaftlichen Betriebes am 1. Juli 1985 vorhandene betriebliche Altschulden des Erblassers umgeschuldet hat und diese tilgt, kann er den Freibetrag nach § 14a Abs. 5 EStG in Anspruch nehmen. Das gilt auch bei der Umwandlung einer Kontokorrentverbindlichkeit in ein Darlehen.

EStG § 14a Abs. 5.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1995, 71)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger hatte von seinem am 20. März 1987 verstorbenen Vater einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geerbt. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Vertrag vom 10. April 1990 veräußerte der Kläger zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Boden zum Preis von 456.000 DM. Er verwandte den Veräußerungserlös zur Tilgung von Schulden.

Zum 1. Juli 1985 waren folgende, nach den Angaben des Klägers betriebliche Darlehensschulden vorhanden:

Girokonto Nr. 10565

166.744,16 DM

Darlehen Nr. 600063

14.021,34 DM

Darlehen Nr. 600128

58.084,53 DM

zusammen also

238.850,03 DM.

Im zweiten Halbjahr 1986 wurden die Darlehen zu zwei zinsgünstigeren Darlehen mit den Kontonrn. 600510 und 620502 zusammengefaßt.

Den von den Klägern in der Einkommensteuererklärung 1989 beantragten Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG in Höhe von 90.000 DM gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht, weil die am 30. Juni 1985 vorhandenen betrieblichen Schulden bereits im Zeitpunkt der Veräußerung des Grund und Bodens getilgt gewesen seien.

Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, bei den getilgten Schulden habe es sich um Altschulden i. S. des § 14 a Abs. 5 EStG gehandelt. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA führte aus, die Altschulden seien durch die Umwandlung in zinsgünstigere Darlehen im Jahr 1986 getilgt worden. Nur ausnahmsweise könne vom Fortbestehen einer begünstigten Altschuld ausgegangen werden, wenn die Umschuldung von den Gläubigern im Rahmen einer Gesamtsanierung erfolgt sei. Das sei hier nicht der Fall.

Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie brachten vor, zwar sei durch die Zusammenfassung der am 1. Juli 1985 vorhandenen Schulden zu zwei neuen Darlehen im Jahr 1986 eine "neue Schuld" entstanden. Wirtschaftlich betrachtet seien aber die alten Verbindlichkeiten fortgeführt worden. Ihrem wirtschaftlichen Grund sowie der Höhe nach hätten die Darlehen bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei es unschädlich, daß alte Schulden zivilrechtlich in eine neue Darlehensschuld umgewandelt würden und dann deren Tilgung durch die Veräußerung von Grund und Boden erfolge.

Die Klage hatte Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 71 veröffentlicht worden.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG). Außerdem macht es geltend, das FG hätte nicht ermittelt, in welcher Höhe die Schulden im Zeitpunkt der Tilgung noch bestanden hätten und ob sie seit dem 1. Juli 1985 immer mindestens in dieser Höhe bestanden hätten.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger den beantragten Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG anteilig in Anspruch nehmen kann. Nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 14 a Abs. 5 EStG konnte ein Steuerpflichtiger, der nach dem 31. Dezember 1985 und vor dem 1. Januar 1993 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens veräußerte und den Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten zur Tilgung von Schulden verwandte, beantragen, daß der Veräußerungsgewinn nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen wird, als er den Betrag von 90.000 DM übersteigt. Das setzte indes - neben anderen hier unstreitig erfüllten Kriterien - nach § 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG voraus, daß die Schulden zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören und vor dem 1. Juli 1985 bestanden haben.

2. a) Das Erfordernis, daß die Schulden vor dem 1. Juli 1985 als betriebliche Schulden bestanden haben, ist durch Art. 7 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735, 745 f.) eingeführt worden. Damit stellte § 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG 1986 - anders als die mit dem Jahr 1976 ausgelaufenen Vorläuferregelungen in § 14 a Abs. 4 EStG 1971 und EStG 1974 (dazu Senatsurteil vom 23. Juni 1983 IV R 77/80, BFHE 139, 45, BStBl II 1983, 633) - darauf ab, daß die betrieblichen Schulden bereits zu einem bestimmten Stichtag existiert hatten (BTDrucks 10/4513 S. 21 f.). Der Gesetzgeber wollte damit Mißbräuche ausschließen und zu einem Auslaufen der Vorschrift beitragen (Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 14 a EStG Anm. 209). Daraus folgt insbesondere, daß die Vergünstigung nicht gewährt werden kann, wenn eine ursprünglich private Schuld nach dem 30. Juni 1985 in eine betriebliche Schuld umgewandelt wurde (R 133 c Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1994).

b) Zu Recht hat das FG es für unerheblich gehalten, daß die getilgten Altschulden nicht im Betrieb des Klägers, sondern im Betrieb des Vaters des Klägers entstanden waren. § 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG 1986 stellt seinem Wortlaut nach nicht darauf ab, ob der Schuldner noch derselbe ist, der die betrieblichen Verbindlichkeiten eingegangen ist. Der Freibetrag ist vielmehr betriebsbezogen, so daß er auch bei unentgeltlichem Übergang des Betriebs (§ 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -) zu gewähren ist.

c) Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, bei Novation einer ursprünglich begünstigten Altschuld entstünde ein neues Schuldverhältnis und damit eine nicht i. S. von § 14 a Abs. 5 EStG begünstigte neue Schuld (Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 14 a Rz. 33; Kuhlmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 14 a Rz. 60), folgt der erkennende Senat dem nicht, und zwar auch nicht für den Fall, daß bei der Umschuldung ein Wechsel auf seiten des Gläubigers eintritt. Für die Ablösung eines Kontokorrentkredits kann nichts anderes gelten. Selbst die Finanzverwaltung hält offenbar die Umwandlung einer betrieblichen Kontokorrentschuld in eine langfristige Schuld für unschädlich; jedenfalls läßt sich dies der Regelung in R 133 c Abs. 2 Satz 2 EStR 1994 zur Kontokorrentschuld entnehmen (vgl. Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6. Aufl., Rdnr. 359).

Entgegen der Ansicht des FA ist nicht darauf abzustellen, ob die betriebliche Schuld im Zeitpunkt der Tilgung bei zivilrechtlicher Beurteilung (vgl. auch Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., D 329) noch dieselbe ist, die am Stichtag bereits bestanden hatte. Mit dem Stichtagserfordernis wollte der Gesetzgeber lediglich sicherstellen, daß die Vergünstigung nur bei Tilgung solcher Schulden gewährt wird, deren betriebliche Veranlassung bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hatte. Dies zu regeln bestand Anlaß, weil der erkennende Senat zuvor zur bereits ausgelaufenen Rechtslage (§ 14 a Abs. 4 EStG 1971 und 1974) entschieden hatte (Urteil in BFHE 139, 45, BStBl II 1983, 633), daß die Schulden nicht bereits eine gewisse Zeit bestanden haben mußten oder ein Zusammenhang mit der Veräußerung der Grundstücke gegeben sein mußte (vgl. Hiller in Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 14 a Rz. 65). Ebenso ist der ursprüngliche betriebliche Zusammenhang für die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen maßgebend, selbst wenn eine nach Betriebsaufgabe fortbestehende betriebliche Verbindlichkeit umgeschuldet wird (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 1980 I R 198/78, BFHE 133, 27, BStBl II 1981, 462). Das gilt in gleicher Weise für die Novation einer betrieblichen Altschuld, und zwar auch dann, wenn eine Kontokorrentschuld in ein langfristiges Darlehen umgewandelt wird (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C. II. 3. d und 4.; Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 1630; Märkle/Hiller, a. a. O., Rdnr. 359), nicht anders beim Wechsel des Gläubigers. Denn die neu eingegangene Verbindlichkeit hat weiterhin ihre Ursache in der Altschuld, und der wirtschaftliche Zusammenhang mit der alten Schuld bleibt bestehen (Leingärtner/Zaisch, a. a. O., Rdnr. 1629; Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O.; Pape in Felsmann, a. a. O., D 329 b; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 14 a EStG Rdnr. 60; Blümich/Fischer, Einkommensteuergesetz, § 14 a Rz. 57; Hiller in Lademann/Söffing, a. a. O.). Allein darauf kommt es an. Sinn und Zweck der Wiedereinführung eines Freibetrages für die Schuldentilgung war nämlich, den durch Schulden besonders belasteten kleineren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (vgl. § 14 a Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. § 14 a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG 1986) die Tilgung von Altschulden zu ermöglichen. Die Wiedereinführung war damit begründet worden, daß Land- und Forstwirte vielfach im Vertrauen auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung Investitionen vorgenommen und fremdfinanziert hätten, entgegen dieser Erwartung aber der Einkommensrückgang angehalten habe, so daß der Schuldendienst vielfach nur noch durch Substanzverzehr habe getragen werden können (vgl. BTDrucks 10/4513 S. 21 f.). Es ging also darum, den betroffenen Land- und Forstwirten den Verkauf von Grundstücken steuerlich zu erleichtern, damit sie die Erlöse voll zur Tilgung von Altschulden einsetzen könnten. Zu Recht macht der Kläger darauf aufmerksam, daß eine rein zivilrechtliche Beurteilung der Frage, ob die Schulden bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hatten, dazu führen würde, daß wirtschaftlich sinnvolle Umschuldungen sonst hinausgeschoben würden oder sogar gänzlich unterbleiben müßten.

3. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ist davon auszugehen, daß die getilgten Schulden zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gehört haben. Soweit das FA geltend macht, das FG habe bei der Kontokorrentschuld nicht den niedrigsten Schuldenstand seit dem 30. Juni 1985 ermittelt, ist ein Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß gerügt. Das FA hat nicht vorgetragen, warum es nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat, zumal die Höhe des betrieblichen Anteils der abgelösten Kontokorrentverbindlichkeit zum 30. Juni 1985 in der mündlichen Verhandlung erörtert und offenbar mit Zustimmung auch des FA der private Anteil auf ein Drittel angesetzt worden war. Ohnehin ist die Kontokorrentverbindlichkeit bereits im zweiten Halbjahr 1986 infolge der Umschuldung abgelöst worden.