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  BFH-Urteil vom 26.4.1995 (XI R 5/94) BStBl. 1996 II S. 248

Baut ein Unternehmer ein in seinem Miteigentum stehendes Gebäude im Einverständnis mit dem Miteigentümer auf seine Kosten um und überträgt die Miteigentümergemeinschaft das Grundstück anschließend unentgeltlich auf einen Dritten, so wird dadurch das Wirtschaftsgut "Gebäudeumbau" nicht zum Eigenverbrauch entnommen, wenn der Unternehmer das Gebäude ununterbrochen weiterhin für sein Unternehmen nutzt.

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 15a Abs. 1, 3, 4.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb als selbständiger Unternehmer eine Fahrschule. Er war zusammen mit seiner Ehefrau, mit der er im Güterstand der Gütergemeinschaft lebte, Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Das Gebäude ließ der Kläger im November 1978 teilweise abbrechen und um- und ausbauen. Es entstanden Unterrichts- und Büroräume sowie Garagen für den Fahrschulbetrieb und ein Großraumladen. Der Kläger beantragte im eigenen Namen die Baugenehmigung und vergab die Bauaufträge für die Baumaßnahmen. Er trug die Kosten. Die ihm in den Baurechnungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog er in den Umsatzsteuererklärungen 1979 bis 1981 als Vorsteuerbeträge ab. Er vermietete den Großraumladen ab 1. Oktober 1979 an die Firma A unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) fest, daß der Kläger und seine Ehefrau mit Vertrag vom 19. Dezember 1981 das Eigentum an dem Unternehmensgrundstück - mit sofortigem Vollzug der Auflassung - auf den gemeinsamen Sohn übertragen hatten, wobei sie sich den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch am Vertragsgrundstück vorbehalten hatten. An den tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der Nutzung zum Fahrschulbetrieb und der Vermietung des Ladens durch den Kläger hatte sich nichts geändert.

Das FA beurteilte die Übertragung des Grundstücks auf den Sohn als Entnahmeeigenverbrauch und berichtigte den Vorsteuerabzug nach § 15 a Abs. 4 UStG. Mit Bescheid vom 7. Oktober 1985 änderte es die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung 1981. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Der Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, der durch § 15 a Abs. 4 UStG in Bezug genommene Eigenverbrauchstatbestand (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) erfasse den Fall, daß der Unternehmer den der unternehmerischen Verwendung unterliegenden Gegenstand nachträglich einem nichtunternehmerischen Zweck zuführe. Dementsprechend habe der Bundesfinanzhof (BFH) die schenkweise Übertragung eines Grundstücks mit einem Fabrikgebäude - trotz Rückverpachtung an den Unternehmer - und auch die unentgeltliche Übertragung der wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens an Familienangehörige jeweils als Entnahmeeigenverbrauch beurteilt (BFH-Urteile vom 2. Oktober 1986 V R 91/78, BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44; vom 25. Juni 1987 V R 92/78, BFHE 150, 200, BStBl II 1987, 655, und vom 28. Juni 1990 V R 110/87, BFH/NV 1991, 203). Im Streitfall habe das Eigentum an den Gegenständen der nicht unternehmerisch tätigen Gesamthandsgemeinschaft zugestanden. Die Befugnis zur unternehmerischen Nutzung der Baulichkeiten durch den Kläger habe auf einer stillschweigend getroffenen Nutzungsregelung der an der Gemeinschaft beteiligten Ehegatten beruht. Die Eigentumsübertragung, die sich in der nichtunternehmerischen Sphäre der Gütergemeinschaft abgespielt habe, habe auf die Zuordnungsentscheidung des Klägers in bezug auf das für sein Unternehmen gelieferte und dort weitergenutzte Bauwerk keinen Einfluß. Da dem Kläger trotz Änderung der Eigentumsverhältnisse die Nutzungsberechtigung verblieben sei und er jedenfalls im Streitjahr 1981 auch tatsächlich die Nutzungen weiterhin gezogen habe, sei die Bindung des Bauwerks im Unternehmen des Klägers nicht durch die Auflassung des Grundstücks beendet worden. Dies werde besonders deutlich durch den Vorbehalt der Nießbrauchsrechte zugunsten des Klägers und der gesamthandsberechtigten Ehefrau.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 15 a Abs. 4 UStG. Es trägt u. a. vor, die Befugnis des Klägers zur unternehmerischen Nutzung beruhe zum Teil auf seiner Stellung als Gesamthandseigentümer. Er habe mit der Bestellung und Bezahlung auf seinen Namen und für seine Rechnung ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden errichtet. Dieses Bauwerk habe er mit der Eigennutzung für seinen Fahrschulbetrieb sowie der Vermietung an A seinem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen zugeführt. Damit die Ehegattengemeinschaft das Grundstück und damit auch das Gebäude auf den Sohn übertragen konnte, habe der Kläger auf seine Stellung als Gesamthandseigentümer verzichten müssen. Außerdem habe er auf den Wertersatzanspruch, den er durch den Bau des Gebäudes gegenüber der Ehegattengemeinschaft erworben habe, verzichtet. Damit habe er dieser die Verfügungsmacht am Gebäude, nämlich Substanz, Wert und Ertrag des Bauwerks zugewendet. Da der Kläger das Grundstück an die Gesamthandsgemeinschaft geliefert habe, um dieser die Schenkung an den Sohn zu ermöglichen, die Schenkung eines Grundstücks als privater Vorgang jedoch nur im außerunternehmerischen Bereich erfolgen könne, sei eine Entnahme Voraussetzung für die Weiterlieferung. Es liege daher ein nach § 4 Nr. 9 a UStG steuerfreier Entnahmeeigenverbrauch vor.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er führt im wesentlichen aus, die unternehmerische Zuordnung des Grundstücks sei unverändert geblieben; es gehöre nach wie vor zu seinem unternehmerisch gewidmeten Vermögen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Sie ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Zu Recht hat das FG die vom FA vorgenommene Berichtigung des Vorsteuerabzugs rückgängig gemacht.

Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von fünf Jahren nach dem Beginn der Verwendung, so ist nach § 15 a Abs. 1 UStG 1980 für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein solcher von zehn Jahren. Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch vor, wenn das Wirtschaftsgut Grundstück vor Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert oder zum Eigenverbrauch entnommen wird und dieser Umsatz für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen ist als die Verwendung im ersten Kalenderjahr (§ 15 a Abs. 4 UStG 1980). Eigenverbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn ein Unternehmer Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980). Es muß sich um eine unentgeltliche, vom Willen des Unternehmers gesteuerte endgültige Wertabgabe aus dem Unternehmen für unternehmensfremde Zwecke handeln (vgl. u. a. BFH-Urteile in BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44; vom 3. November 1983 V R 4/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169, und vom 28. Februar 1980 V R 138/72, BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben; denn hinsichtlich des dem Unternehmen des Klägers zugeordneten Wirtschaftsguts haben sich die Verhältnisse durch die Übertragung des Grundstücks auf den Sohn nicht geändert.

1. Das Grundstück einschließlich Gebäude stand bürgerlich-rechtlich im Eigentum der aus dem Kläger und dessen Ehefrau bestehenden Gesamthandsgemeinschaft. Für sein Unternehmen i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 bezogen hat der Kläger lediglich die Um- und Ausbauleistungen der Bauunternehmen am Gebäude. Der den Gegenstand dieser Werklieferung bildende Gebäudeum- und -anbau ist das Wirtschaftsgut, dessen Verwendung für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs maßgeblich ist (vgl. § 15 a Abs. 3 UStG 1980). Bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des um- und ausgebauten Gebäudes ist zwar nach § 946 i. V. m. § 94 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Gesamthandsgemeinschaft geworden. Dieser gesetzliche Eigentumserwerb stand aber der Zuordnung des Gebäudeum- und -anbaus zum Unternehmen des Klägers nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1976 V R 132/73, BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309). Dies gilt unabhängig davon, welchem der Ehegatten das Recht zur Verwaltung des Gesamtguts zustand (vgl. § 1421 ff. BGB); denn die Ehefrau des Klägers war jedenfalls damit einverstanden, daß der Kläger das Gebäude für seine unternehmerischen Zwecke umbauen ließ und allein und unentgeltlich nutzte. Sie erlangte nach dem Willen der Beteiligten keine Verfügungsmacht an dem Gegenstand der Werklieferung für das Unternehmen des Klägers (vgl. BFH-Urteile in BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309, und vom 11. Dezember 1986 V R 57/76, BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233).

Entgegen der Auffassung des FA wendete der Kläger das seinem Unternehmen zugeordnete Wirtschaftsgut Gebäudeum- und -anbau nicht unmittelbar vor Übertragung des Grundstücks auf den Sohn der Gesamthandsgemeinschaft zu. Rechtlich bedurfte es zur Übertragung des Eigentums am Grundstück wie auch zum Vorbehalt der Nießbrauchsrechte durch die Gesamthänder dieser Zuwendung nicht; denn Eigentümer des Grundstücks einschließlich des umgebauten Gebäudes war die Gesamthandsgemeinschaft (§ 946, § 94 Abs. 2 BGB). Tatsächlich sollte nach deren Willen das dem Unternehmen des Klägers zugeordnete Wirtschaftsgut weiterhin im Unternehmen des Klägers zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet werden, wie die tatsächliche Handhabung zeigt.

2. Durch die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks auf den Sohn ist das Wirtschaftsgut Gebäudeum- und -anbau nicht aus dem Unternehmen des Klägers zum Eigenverbrauch entnommen worden; denn es hat sich dadurch weder an seiner Zuordnung zum unternehmerischen Tätigkeitsbereich noch an der Art der Verwendung etwas geändert. Da das Grundstück im Eigentum der Gesamthandsgemeinschaft stand, nicht aber im Alleineigentum des Klägers, beruhte die Zuordnung des Gegenstandes der Werklieferung zum Unternehmen des Klägers von vornherein auf der Gestattung durch einen Dritten. Im Gegensatz zu dem dem Urteil in BFHE 147, 548, BStBl II 1987, 44 zugrundeliegenden Fall verwendete der Kläger das Wirtschaftsgut im Rahmen eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses, nicht in Ausübung seines (Gesamthands-)Eigentums am Grundstück. Die Befugnis, das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zuzuordnen, war vom Eigentum unabhängig und blieb deshalb durch den Eigentumsübergang unberührt. Der Kläger leitete seine Befugnis, das Wirtschaftsgut für seine unternehmerischen Zwecke zu verwenden, nach wie vor von einem Dritten ab. Der Übergang des Eigentums auf den Sohn führte nicht zu einer Wertabgabe der vom Kläger bezogenen Bauleistungen für nichtunternehmerische Zwecke.

Das gleiche gilt für die Bestellung der Nießbrauchsrechte. Auch insoweit verwendete der Kläger das aus den Bauleistungen hervorgegangene Wirtschaftsgut nach wie vor aufgrund seiner ursprünglichen Zuordnungsentscheidung.