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  BFH-Urteil vom 6.12.1995 (X R 116/91) BStBl. 1996 II S. 358

Nutzt der Erbe das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworbene Einfamilienhaus von vornherein nicht zur Einkünfteerzielung, sondern läßt er es abbrechen und ein neues Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke errichten, kann er weder den Restwert des alten Hauses noch die Abbruchkosten als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehen.

EStG § 10e Abs. 6.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1991, 610)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Erbe seiner im Juli 1984 verstorbenen Tante. Er erhielt aus dem Nachlaß ein Grundstück, das mit einem Einfamilienhaus bebaut war, in dem die Tante und ihr Lebensgefährte gemeinsam gelebt hatten. Bis zu seinem Tod im November 1984 bewohnte der Lebensgefährte das Haus allein. Anschließend stand es leer. Anfang 1987 ließ der Kläger das Gebäude abreißen und ein neues Einfamilienhaus errichten, in das er nach Fertigstellung am 1. August 1988 einzog.

In der Einkommensteuererklärung für 1987 machte der Kläger die Abbruchkosten in Höhe von 10.495 DM, den geschätzten Restwert des Gebäudes in Höhe von 4.000 DM sowie die Bewirtschaftungskosten des Grundstücks (Stadtreinigung, Wasserwerke, Grundsteuer, Versicherung) in Höhe von 486 DM als Verlust aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug mangels Einkünfteerzielungsabsicht ab. Der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 war insoweit erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte die Abbruchkosten sowie den Restwert des Gebäudes als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1987. Die übrigen Kosten ließ es nicht zum Abzug als Vorkosten zu, weil Bewirtschaftungskosten des Grundstücks nicht unmittelbar mit den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zusammenhingen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 610 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 e Abs. 6 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid 1987 vom 13. März 1991.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zu Unrecht hat das FG die Abbruchkosten und den (geschätzten) Restwert des abgebrochenen Gebäudes nach § 10 e Abs. 6 EStG als Vorkosten berücksichtigt.

a) Der Abzug als Vorkosten setzt unter anderem voraus, daß die vor Bezug entstandenen Aufwendungen nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wohnung gehören und im Falle der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abziehbar wären (§ 10 e Abs. 6 Satz 1 EStG).

b) Es ist daher zu prüfen, wie Restwert und Abbruchkosten steuerrechtlich zu behandeln wären, wenn der Steuerpflichtige die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung vermieten würde. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können der Restwert des abgebrochenen Gebäudes und die Abbruchkosten entweder Herstellungskosten des neuen Gebäudes oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sein.

War das abgebrochene Gebäude vermietet und soll auch das neue Gebäude zur Einkünfteerzielung genutzt werden, dürfen im Jahr des Abbruchs die restlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes im Wege einer Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung - AfaA - (§ 7 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 letzter Satz EStG) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Die Abbruchkosten sind dann ebenfalls als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Voraussetzung für den Werbungskostenabzug ist, daß der Steuerpflichtige das alte Gebäude in der Absicht erworben hat, es zur Einkünfteerzielung zu nutzen (z. B. BFH-Beschluß vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; BFH-Urteile vom 4. Dezember 1984 IX R 5/79, BFHE 142, 477, BStBl II 1985, 208; vom 20. April 1993 IX R 122/88, BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504).

Hat der Steuerpflichtige dagegen ein - technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchtes - Gebäude bereits in Abbruchabsicht erworben, gehören die Anschaffungskosten und die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes (z. B. BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; BFHE 142, 477, BStBl II 1985, 208; BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504).

Die Grundsätze zur Behandlung des Restwerts und der Abbruchkosten bei entgeltlichem Erwerb eines bebauten Grundstücks hat der IX. Senat entsprechend auf den unentgeltlichen Erwerb im Wege der Einzelrechtsnachfolge angewendet (BFH-Urteile vom 7. Oktober 1986 IX R 93/82, BFHE 148, 495, BStBl II 1987, 330, und vom 7. April 1987 IX R 100/83, BFH/NV 1988, 26). Beabsichtige der Beschenkte bereits beim (unentgeltlichen) Erwerb, keine Einkünfte mit dem Gebäude zu erzielen, sondern dieses abzubrechen, um ein neues Gebäude zu errichten, bestehe - wie beim entgeltlichen Erwerb in Abbruchabsicht - ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Abbruch des nicht zur Einkünfteerzielung verwendeten Gebäudes und der Herstellung des Neubaus. Der Restwert des abgebrochenen Hauses in Form der AfaA und die Abbruchkosten seien daher keine sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern Herstellungskosten des neuen Gebäudes.

c) Ob diese Grundsätze auch im Fall des Erwerbs eines Gebäudes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall gelten, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Nach Auffassung des Senats ist auch bei der Gesamtrechtsnachfolge danach zu unterscheiden, ob der Erbe mit dem geerbten Haus Einkünfte erzielen will oder von vornherein dessen Abbruch beabsichtigt.

Der Anfall der Erbschaft vollzieht sich zwar kraft Gesetzes "ohne Wissen und Willen" der Erben (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 53/91, BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346), so daß ein Erwerb "in" Abbruchabsicht - wie ihn der Große Senat des BFH in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 vorausgesetzt hat - nicht vorliegen kann. Will der Erbe das geerbte Gebäude nicht zur Einkünfteerzielung nutzen, sondern es abreißen, um ein neues Gebäude zu errichten, fehlt aber - wie beim Erwerb "in" Abbruchabsicht - jeder Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des abgebrochenen Gebäudes. Mangels Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des abgebrochenen Gebäudes kann der Erbe insoweit keine Werbungskosten abziehen. Da aber das neue Gebäude nur errichtet werden kann, wenn das alte abgebrochen wird, besteht ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Abbruch des Gebäudes und der Neuherstellung, der es rechtfertigt, grundsätzlich alle mit dem Abbruch verbundenen Aufwendungen als Herstellungskosten des neuen Hauses zu behandeln.

Denn Herstellungskosten sind Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (§ 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs - HGB -). Dieser handelsrechtliche Herstellungskostenbegriff gilt auch für das Einkommensteuerrecht (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830). Zu den Herstellungskosten gehören nicht nur die unmittelbar der Herstellung dienenden Aufwendungen, sondern auch solche, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes anfallen. Ohne den Abbruch ist keine Neuerrichtung möglich. Mit dem Abbruch beginnt die Herstellung des neuen Gebäudes. Daher sind die Abbruchkosten Herstellungskosten des Neubaus, wenn der Altbau nicht der Einkünfteerzielung diente.

d) Der Kläger hat das geerbte Einfamilienhaus weder vermietet noch vermieten wollen. Der Nutzungswert des Hauses (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG) war zunächst der Erblasserin und nach ihrem Tod im Juli 1984 ihrem Lebensgefährten zuzurechnen, der das Einfamilienhaus aufgrund einer gesicherten Rechtsposition nutzte. Nach dem Tod des Lebensgefährten stand das Haus ohne Nutzungsabsicht des Klägers leer, so daß keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern waren (BFH-Urteil vom 12. September 1995 IX R 87/94 zum Streitjahr 1986, BFH/NV 1996, 302). Die Abbruchkosten sind daher Herstellungskosten des neu erbauten Einfamilienhauses und somit nicht als Vorkosten abziehbar.

e) Ob der vom Kläger als Vorkosten geltend gemachte (geschätzte) Restwert des Gebäudes ebenfalls den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zuzuordnen wäre (vgl. B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 e EStG Anm. 700 "Gebäuderestwert", m. w. N.), kann der Senat offenlassen. Der Abzug als Vorkosten scheitert jedenfalls daran, daß der Restwert im Falle der Vermietung der eigengenutzten Wohnung nicht als Werbungskosten abziehbar wäre. Denn der Kläger wollte mit dem abgebrochenen Haus keine Einkünfte erzielen.

2. Aus diesen Gründen können entgegen der Auffassung des Klägers der Restwert des geerbten Hauses und die Abbruchkosten auch nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.

3. Im Ergebnis zu Recht hat das FG den Abzug der übrigen Aufwendungen (Stadtreinigung, Wasserwerke, Versicherung, Grundsteuer) abgelehnt. Zwar können auch laufende Grundstückskosten grundsätzlich zu den nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbaren Vorkosten gehören (BFH-Urteil vom 24. März 1993 X R 25/91, BFHE 171, 202, BStBl II 1993, 704). Soweit die Aufwendungen den Grund und Boden betreffen, kommt ihr Abzug als Vorkosten aber nicht in Betracht, weil der Kläger das Grundstück unentgeltlich erworben und somit nicht i. S. des § 10 e Abs. 6 EStG angeschafft hat (BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 53/91, BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346). Die das abgerissene Gebäude betreffenden Aufwendungen stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Herstellung des neuen Gebäudes. Dafür, daß einzelne der geltend gemachten Aufwendungen unmittelbar mit der Errichtung des neuen Gebäudes zusammenhängen, liegen keine Anhaltspunkte vor.