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  BFH-Urteil vom 7.3.1996 (IV R 52/93) BStBl. 1996 II S. 415

Bei der Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe eines buchmäßig überschuldeten Betriebs mindert der Überschuldungsbetrag nicht den Aufgabegewinn.

EStG § 14, § 16 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze 2 und 3.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1994, 36)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) betrieben als Mitunternehmer auf dem ihnen gemeinschaftlich gehörenden landwirtschaftlichen Grundbesitz eine Hühnerfarm und erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die bis zum Wirtschaftsjahr 1982/83 nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) berechnet wurden; ab 1. Juli 1983 ermittelten sie den Gewinn durch Einnahmenüberschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Nach Abschaffung der letzten Legehennen gaben sie den Betrieb zum Jahresende 1984 auf. Die Betriebsvorrichtungen (Legebatterien) wurden verschrottet, die Gebäude und Grundstücksflächen einschließlich der hierauf noch lastenden Verbindlichkeiten in das Privatvermögen übernommen.

Anläßlich einer Betriebsprüfung ermittelte der Prüfer nach Vorlage eines Gutachtens über den Verkehrswert der in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter einen Gewinn aus der Aufgabe des Betriebs in Höhe von 428.434 DM. Der Aufgabegewinn wurde nach den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter (Verkehrswert minus Buchwert) ermittelt; die bestehenden Verbindlichkeiten blieben unberücksichtigt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) schloß sich den Feststellungen und der Auffassung des Prüfers an und erließ den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 36 veröffentlichten Entscheidung der Klage überwiegend mit der Begründung statt, der zur Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns anzusetzende Wert des Betriebsvermögens ergebe sich regelmäßig aus einer Gegenüberstellung des Aktiv- und Passivvermögens. Der Betrieb sei bei Beginn der Betriebsaufgabe buchmäßig überschuldet gewesen; der Überschuldungsbetrag sei von den aufgelösten stillen Reserven abzusetzen, mindere also den Aufgabegewinn.

Mit der dagegen gerichteten vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 16 Abs. 2 und 3 EStG.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 14 i. V. m. § 16 EStG gehören zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erzielt werden. Als Veräußerung in diesem Sinne gilt gemäß § 16 Abs. 3 EStG auch die Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, von der im Streitfall in Übereinstimmung mit den Beteiligten auszugehen ist. Das FG hat den Aufgabegewinn jedoch unzutreffend berechnet.

Der Aufgabegewinn kann in unterschiedlicher Weise berechnet werden.

a) Er läßt sich zunächst im Wege des Vermögensvergleichs durch Gegenüberstellung des bis zum Aufgabebeginn fortentwickelten letzten Betriebsvermögens als Aufgabeanfangsvermögen mit dem sich durch Ansatz der Werte des § 16 Abs. 3 EStG ergebenden Aufgabeendvermögen ermitteln (so Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juli 1991 X R 163-164/87, BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802). Da sich der Vergleich auf den Bestand des Reinvermögens bezieht, sind Verbindlichkeiten sowohl im Ausgangs- als auch im Endvermögen zu berücksichtigen. Im Streitfall hatte das letzte Betriebsvermögen aufgrund der buchmäßigen Überschuldung einen negativen Wert, das Aufgabeendvermögen dagegen einen positiven Wert. Der Aufgabegewinn entspricht der Differenz zwischen beiden Vermögenswerten. Als Aufgabeanfangsvermögen ist also nicht ein Betrag von 0 DM anzusetzen, wie dies der Auffassung des FG entsprechen würde.

b) Der Aufgabegewinn läßt sich auch durch Gegenüberstellung von Ertrag und Aufwand des Aufgabevorgangs ermitteln. Dies entspricht der in § 16 Abs. 2 EStG für den Veräußerungsgewinn vorgesehenen Berechnung; danach sind dem Veräußerungspreis der Wert des abgehenden Betriebsvermögens und die Veräußerungskosten gegenüberzustellen (in diesem Sinne BFH-Urteil vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294). Im Streitfall hätten die Kläger danach den gemeinen Wert der in das Privatvermögen übernommenen aktiven Wirtschaftsgüter abzüglich der ebenfalls in das Privatvermögen übernommenen Verbindlichkeiten anzusetzen und dem zuletzt negativen Wert des Betriebsvermögens gegenüberzustellen. Der hiernach berechnete Aufgabegewinn stimmt mit dem durch Vermögensvergleich ermittelten Ergebnis überein; der Wert des Betriebsvermögens kann wiederum nicht mit 0 DM angesetzt werden.

c) Werden die vorhandenen Verbindlichkeiten in das Privatvermögen übernommen, können sie zu Vereinfachungszwecken bei der Gegenüberstellung von Aufgabeanfangs- und Aufgabeendvermögen weggelassen werden. Der Aufgabegewinn ergibt sich im Streitfall dann durch Vergleich des Buchwerts des Aktivvermögens (Bruttovermögens) mit seinem gemeinen Wert. In dieser Weise ist das FA vorgegangen, indem es die stillen Reserven des aufgegebenen Vermögens ermittelt hat. Auch in der Rechtsprechung wird auf diese Berechnungsweise hingewiesen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1962 I 280/61 U, BFHE 75, 414, BStBl III 1962, 418; Beschluß vom 26. März 1991 VIII R 315/84, BFHE 166, 7, 14, BStBl II 1992, 472, 476).

2. Durch Abzug des Überschuldungsbetrags will das FG im Ergebnis in der Vergangenheit entstandene Verluste durch Minderung des Aufgabegewinns berücksichtigen. Dies ist nicht zulässig; die Verluste hätten in den Entstehungsjahren berücksichtigt werden müssen. Solange indes die Kläger ihren Gewinn gemäß § 13 a EStG nach Durchschnittssätzen ermittelten, konnten sich für sie keine Verluste ergeben. Die Kläger hatten es aber in der Hand, durch Übergang zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG oder, wie später tatsächlich geschehen, zur Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG den Verlust steuerlich wirksam werden zu lassen. Verfassungsrechtlichen Bedenken wird durch diese Wahlmöglichkeit begegnet (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 360 f.; vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, Neue Juristische Wochenschrift 1993, 2093 zu 1. e).

Den Klägern sind anläßlich der Aufgabe keine Mittel zur Steuerzahlung zugeflossen. Dieses Problem stellt sich bei einer Entnahme oder Betriebsaufgabe auch sonst, ohne daß deswegen auf die Erfassung der abgehenden stillen Reserven verzichtet werden könnte. Im vorliegenden Fall der Betriebsaufgabe ist der entstehende Gewinn jedoch nach § 16 Abs. 4 i. V. m. § 34 EStG steuerbegünstigt.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Kläger für das Wohnhaus die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG in Anspruch genommen haben. Davon aber hängt der für die Berechnung des Aufgabegewinns erforderliche Buchwert ab. Entgegen der Auffassung der Kläger konnten die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG auch für Wohnungen des notwendigen Betriebsvermögens in Anspruch genommen werden.