| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 8.2.1996 (III R 35/93) BStBl. 1996 II S. 427

Zahlt eine Personengesellschaft, die ein Betriebsgebäude errichtet, einem ihrer Gesellschafter für die Bauaufsicht und für die Koordinierung der Handwerkerarbeiten Arbeitslohn, so geht dieser auch dann in die Herstellungskosten des Gebäudes und damit in die Bemessungsgrundlage zur Gewährung von Investitionszulage ein, wenn es sich um eine Tätigkeitsvergütung i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG handelt.

InvZulG 1982 § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 255 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG, die eine Fabrik betreibt. Sie errichtete einen im Jahre 1984 (Streitjahr) fertiggestellten Erweiterungsbau. Für die in diesem Jahr angefallenen Herstellungskosten von 928.965 DM beantragte sie die Gewährung von Investitionszulagen nach § 1 sowie nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes 1982 (InvZulG 1982). In dem genannten Betrag ist auch eine Tätigkeitsvergütung für den mit einem Anteil von 5 v. H. an der Klägerin beteiligten Kommanditisten H enthalten. Diesem oblag die Bauaufsicht und die Koordinierung der Handwerkerarbeiten; er war Ansprechpartner für Handwerker und Architekten. In dieser Eigenschaft erhielt er von der Klägerin für die Monate März bis September 1984 einen Bruttolohn von 32.251,68 DM. Der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung belief sich auf 3.725,07 DM. Die Aufwendungen waren im Jahresabschluß 1984 der Klägerin in Höhe eines Betrags von 35.000 DM als Herstellungskosten des Neubaus aktiviert. Im Anschluß an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die Tätigkeitsvergütung (auch) zulagenrechtlich nicht in die Herstellungskosten des Neubaus einzubeziehen sei. In den Bescheiden vom 12. September 1986 minderte das FA dementsprechend die beantragte Zulage nach § 1 InvZulG 1982 um 3.062,50 DM (= 8,75 v. H. aus 35.000 DM) und die Zulage nach § 4 b InvZulG 1982 um 3.500 DM (= 10 v. H. aus 35.000 DM).

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage statt und setzte die Investitionszulagen unter Einbeziehung der Tätigkeitsvergütung fest. Zur Begründung führte es aus, der für das Handels- und Steuerrecht maßgebliche Begriff der Herstellungskosten gelte auch für das Investitionszulagenrecht. Handelsrechtlich würden Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern als sog. Drittgeschäfte anerkannt. Deshalb sei die an den Kommanditisten H für dessen Dienstleistungen gezahlte Vergütung den Herstellungskosten zuzurechnen. Das FA berufe sich zu Unrecht auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Eine dieser Vorschrift vergleichbare Regelung sei weder in § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB) noch im Investitionszulagenrecht enthalten. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß die Arbeitsleistung eines Kommanditisten der eines Einzelunternehmers gleichzustellen sei.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Zur Begründung führt es aus, die eigene Arbeitsleistung gehe nicht in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts ein. Die Arbeitsleistung eines Mitunternehmers sei der eines Einzelunternehmers gleichzustellen. Durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG würden Vergütungen der Gesellschaft an die Gesellschafter in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert. Insoweit lägen keine Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Diensten und somit auch keine Herstellungskosten vor.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend die an den Kommanditisten H geleistete Tätigkeitsvergütung in die Herstellungskosten des Neubaus einbezogen.

a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 sowie § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982 ist u. a. die Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bei Vorliegen weiterer, hier nicht streitiger Voraussetzungen durch Investitionszulage begünstigt. Die Herstellungskosten solcher Wirtschaftsgüter gehen in die Bemessungsgrundlage zur Gewährung der Zulage ein (§ 1 Abs. 4 sowie § 4 b Abs. 3 und 4 InvZulG 1982). Der im Investitionszulagenrecht verwendete Begriff der Herstellungskosten entspricht der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1985 III R 110/80, BFHE 145, 482, BStBl II 1986, 367). Der steuerrechtliche Herstellungskostenbegriff ist wiederum aus dem Handelsrecht abzuleiten (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830).

b) Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2355, BStBl I 1985, 704) in das HGB aufgenommene Definition beruht auf der Steuerrechtspraxis (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830) und war daher bereits im Streitjahr 1984 maßgebend. Zu den Herstellungskosten gehören gemäß § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB u. a. die Fertigungskosten, die bei der Herstellung eines bestimmten Wirtschaftsguts anfallen, somit auch Arbeitslöhne (Blümich/Ehmcke, Einkommensteuergesetz, § 6 Rz. 436 ff.). Diese sind in Höhe der Bruttogehälter sowie des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung anzusetzen (Blümich/Ehmcke, a. a. O., Rz. 439). Nicht tatsächlich entstandene, lediglich kalkulatorische Kosten wie z. B. der fiktive Unternehmerlohn des Einzelunternehmers, sind nicht einzubeziehen (Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 6 Rdnr. B 221; R 33 Abs. 1 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien).

c) Auch Vergütungen, die ein Gesellschafter von seiner Personengesellschaft erhält und die der Herstellung eines bestimmten Wirtschaftsguts zuzuordnen sind, gehen als Fertigungskosten in die Herstellungskosten ein. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wonach u. a. Vergütungen für Tätigkeiten im Dienst der Gesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar weist das FA zutreffend darauf hin, daß mit der Hinzurechnung von Sondervergütungen der Zweck verfolgt wird, die Mitunternehmer einer Personengesellschaft dem Einzelunternehmer anzunähern, weil dieser keine Verträge mit sich selbst abschließen kann (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, 698). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur, soweit das Gesetz eine Gleichstellung des Mitunternehmers mit dem Einzelunternehmer zuläßt. Die handelsrechtliche Selbständigkeit von Personengesellschaften darf nicht als unbeachtlich angesehen werden (BFH-Beschluß in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, 698). Die Regelung über Vorwegvergütungen in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bietet keine rechtliche Handhabe, den in § 255 Abs. 2 HGB festgelegten Begriff der Herstellungskosten zu modifizieren. Sie wirkt sich nicht auf die handels- und steuerrechtlich gebotene Aktivierung solcher Kosten aus (BFH-Urteile vom 23. Mai 1979 I R 56/77, BFHE 128, 505, BStBl II 1979, 763; vom 11. Dezember 1986 IV R 222/84, BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553; vgl. auch L. Schmidt, Finanz-Rundschau 1979, 587; Blümich/Ehmcke, a. a. O., Rz. 530, Stichwort "Unternehmerlohn").

d) Das angefochtene Urteil entspricht den vorstehenden Rechtsgrundsätzen. Die Revision war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).