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  BFH-Urteil vom 28.9.1995 (IV R 7/94) BStBl. 1996 II S. 440

Ein Land- und Forstwirt, der seinen Betrieb aufgrund eines Vermächtnisnießbrauchs bewirtschaftet, ist nicht berechtigt, AfA auf Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Erblassers in Anspruch zu nehmen.

EStG § 2 Abs. 2, § 7, § 13.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der 1935 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) führt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Eigentümerin des Betriebs war seine erste, im Februar 1979 verstorbene Ehefrau, die vom Sohn des Klägers beerbt wurde. Dem Kläger stand nach dem mit seiner Ehefrau vereinbarten Erbvertrag ein Nießbrauchsvermächtnis zu, das mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Berechtigten endet.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß nicht dem Kläger als Nießbraucher, sondern dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer die Abschreibungen auf die Wirtschaftsgüter des unbeweglichen Anlagevermögens zustünden. Bemessungsgrundlage und Höhe der Absetzung für Abnutzung (AfA) sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Das FA erließ die angefochtenen Einkommensteuerbescheide.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, der Kläger sei als Vermächtnisnehmer Nießbraucher und Unternehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs berechtigt, die AfA auf die von ihm zur Erzielung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft eingesetzten Wirtschaftsgüter des unbeweglichen Anlagevermögens vorzunehmen.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat den Kläger als Vermächtnisnießbraucher und Nutzungsberechtigten nach § 14 der Höfeordnung (HöfeO) für berechtigt gehalten, AfA auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die von der Erblasserin hinterlassenen Betriebsgebäude in Anspruch zu nehmen.

1. Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 7 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend zu machen, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 und 2 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281 m. w. N.).

a) Die Befugnis setzt nicht zwingend voraus, daß der Steuerpflichtige bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist (BFH-Urteil vom 24. April 1990 IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888). So hat der III. Senat des BFH für den Fall eines bei Schenkung eines Betriebsgrundstücks vorbehaltenen Nießbrauchs entschieden, daß der nießbrauchsberechtigte Betriebsinhaber, der das nießbrauchsbelastete Grundstück wie bisher betrieblich weiter nutzt, seine eigenen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der betrieblichen Nutzung stehen, gewinnmindernd berücksichtigen kann (Urteil vom 16. Dezember 1988 III R 113/85, BFHE 155, 380, BStBl II 1989, 763 m. w. N.). Wer hingegen ein Objekt aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchsrechts nutzt, kann keine AfA oder erhöhten Absetzungen in Anspruch nehmen, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat. Diese stellen für den aufgrund des unentgeltlich zugewendeten Rechts nutzenden Nießbraucher nichtabziehbaren Drittaufwand dar (Vorlagebeschluß des Senats vom 9. Juli 1992 IV R 115/90, BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948).

b) Nach diesen Grundsätzen hat der IX. Senat des BFH entgegen einer vom Bundesminister der Finanzen (BMF) vertretenen Auffassung (Schreiben vom 15. November 1984 IV B 1 - S 2253 - 139/84, BStBl I 1984, 561 Tz. 51) mehrfach entschieden, daß einem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielenden Vermächtnisnießbraucher anders als dem Vorbehaltsnießbraucher die AfA auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht zusteht (BFH-Urteile vom 28. September 1993 IX R 156/88, BFHE 172, 439, BStBl II 1994, 319; vom 20. Dezember 1994 IX R 25/92, BFH/NV 1995, 595, und vom 2. März 1995 IX R 69/93, BFH/NV 1996, 22).

c) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung auch für den betrieblichen Bereich an, für den nichts anderes gelten kann. Die vom Erblasser getragenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind nach dessen Tode nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen dem Erben und nicht dem Vermächtnisnießbraucher zuzurechnen. Denn mit dem Tod des Erblassers gehen sein Vermögen und damit auch die Wirtschaftsgüter, die der Erblasser mit dem strittigen Aufwand angeschafft oder hergestellt hat, auf den Erben als Gesamtrechtsnachfolger über (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Der Vermächtnisnießbraucher hingegen kann vom Erben aufgrund der letztwilligen Verfügung des Erblassers nur die Einräumung eines dinglichen Nutzungsrechts verlangen. Insofern sind - entgegen der Auffassung des FG - Vorbehaltsnießbrauch und Vermächtnisnießbrauch steuerlich unterschiedlich zu beurteilen.

d) Allerdings ist der Senat in seinem Urteil vom 5. August 1971 IV 243/65 (BFHE 103, 345, BStBl II 1972, 114) davon ausgegangen, daß der Gegenstand des Vermächtnisses mit dem Tode des Erblassers unmittelbar auf den Vermächtnisnehmer übergehe. Durch den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) zur Erbauseinandersetzung ist diese Vorstellung eines unmittelbaren Erwerbs des Vermächtnisnießbrauchers vom Erblasser, die der Bejahung der AfA-Berechtigung des Vermächtnisnießbrauchers zugrunde liegt, jedoch überholt. Denn in dieser Entscheidung hat der BFH sowohl für den Bereich des Privatvermögens als auch für den des Betriebsvermögens die steuerrechtliche Fiktion einer rechtlichen Einheit von Erbfall und Erbauseinandersetzung aufgegeben. Damit aber geht auch der Gegenstand eines Vermächtnisses als Teil des Nachlasses auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über.

2. Im Streitfall ergibt sich auch aus dem Regelungsgehalt des § 14 HöfeO nichts anderes. Das nach dieser Vorschrift begründete Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des überlebenden Ehegatten begründet kein wirtschaftliches Eigentum an den Wirtschaftsgütern des Betriebs (a. A. wohl Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A 275). Denn der Hoferbe ist für die Dauer der Bestellung des Nutzungsrechts nicht an Verfügungen über die in seinem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter gehindert, während der überlebende Ehegatte nur mit Zustimmung des Hoferben über den Hof oder die betrieblichen Grundstücke verfügen darf (Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Höfeordnung, 9. Aufl., 1991, § 14 Rz. 29). Wird das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht aus § 14 HöfeO - wie im Streitfall - durch einen Nießbrauch gemäß §§ 1030 ff. BGB ersetzt, kann der Eigentümer sogar ohne Zustimmung des Nießbrauchers den Hof ganz oder teilweise veräußern und belasten (vgl. Wöhrmann, Landwirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 14 HöfeO Rz. 8; Lange/Wolff/Lüdtke-Handjery, a. a. O.).

a) Der Kläger hat hiergegen eingewandt, die AfA müsse ihm schon deshalb zustehen, weil er auch die laufenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erziele. Dies allein kann den Abzug von AfA aber nicht rechtfertigen, wenn der Nutzungsberechtigte nicht zugleich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die entsprechenden Wirtschaftsgüter getragen oder als Rechtsnachfolger übernommen hat. Auch der Eigentümer und Erbe erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und ist daher befugt, AfA vorzunehmen. Dies hat der Senat für den Fall einer Nutzungsüberlassung durch Wirtschaftsüberlassungsvertrag entschieden (Urteil vom 23. Januar 1992 IV R 104/90, BFHE 167, 84, BStBl II 1993, 327). Wie beim Wirtschaftsüberlassungsvertrag oder der Betriebsverpachtung führt aber auch die Bestellung eines Nießbrauchs an einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Entstehung zweier Betriebe, eines ruhenden Eigentümerbetriebs und eines wirtschaftenden Betriebs in der Hand des Nießbrauchers (BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 325/84, BFHE 150, 321, BStBl II 1987, 772). Etwaige Gewinne aus der Veräußerung oder Entnahme von Anlagegütern sind dem Eigentümer daher so lange als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen, als er nicht die Betriebsaufgabe erklärt hat.

b) Auch der Einwand des Klägers, zivil- und handelsrechtlich stehe dem Unternehmensnießbraucher die AfA zu, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Denn abgesehen davon, daß die AfA-Befugnis im Zivilrecht durchaus umstritten ist (siehe die Nachweise bei Schön, Der Nießbrauch an Sachen, Köln 1992, S. 207, Fn. 19), handelt es sich bei der Frage, welcher Ertrag dem Nutzungsberechtigten gebührt, beim Unternehmensnießbrauch wie bei der Betriebsverpachtung um rein schuldrechtliche Fragen, die regelmäßig im Nießbrauchsvertrag besonders ausgehandelt werden (Karsten Schmidt, Handelsrecht, 3. Aufl., 1987, S. 148).

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).