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  BFH-Urteil vom 17.4.1996 (VI R 29/94) BStBl. 1996 II S. 444

Die Aufwendungen eines als Diplom-Verwaltungswirt (FH) ausgebildeten städtischen Beamten für ein nebenberufliches Universitätsstudium der Sozialwissenschaften sind nicht als Werbungskosten (Fortbildungskosten) abziehbar.

EStG 1987 § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat ein Studium an einer Fachhochschule für Verwaltung als Diplom-Verwaltungswirt (FH) abgeschlossen. Er war im Streitjahr 1988 bei der Stadt A im gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst tätig. Daneben studierte er an der Gesamthochschule (Fernuniversität) B als Teilzeitstudierender Sozialwissenschaften (Soziologie, Politikwissenschaft und Psychologie mit den Pflichtnebenfächern Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Philosophie). Das Studium beabsichtigte er mit der Prüfung zum Magister Artium abzuschließen. Die Regelstudienzeit hierfür ist auf vier Jahre angelegt und verlängert sich bei einem berufsbegleitenden Teilzeitstudium entsprechend.

Im Lohnsteuer-Jahresausgleich machte der Kläger die Aufwendungen für das Fernstudium in Höhe von 3.000 DM vergeblich als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte lediglich 900 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Seine hiergegen erhobene Klage begründete der Kläger im wesentlichen damit, daß bei seinem Fachhochschulstudium die sozialwissenschaftlichen Disziplinen zu kurz gekommen seien. Verwaltungsbeamte benötigten jedoch in heutiger Zeit vertiefte Kenntnisse im Bereich des Sozialen. Das sozialwissenschaftliche Studium sei als berufsbegleitendes Zweit- und Ergänzungsstudium anzusehen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, nach der typisierenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehöre ein Vollstudium grundsätzlich zur Berufsausbildung. Bei einem Zweitstudium in Form eines Aufbau- oder Ergänzungsstudiums sei allerdings unter bestimmten engeren Voraussetzungen ausnahmsweise Berufsfortbildung angenommen worden (BFH-Urteile vom 14. Februar 1992 VI R 69/90, BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961, und VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556; vom 8. Mai 1992 VI R 134/88, BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965). Hierauf könne sich der Kläger aber nicht berufen. Denn in den entschiedenen Fällen sei das Ergänzungsstudium - anders als im Streitfall - jeweils gesetzlich oder in Berufsordnungen als solches geregelt gewesen. Für die Anerkennung als Fortbildungsmaßnahme reiche es im Streitfall nicht aus, daß die Fernuniversität dem Kläger einzelne an der Verwaltungsfachhochschule erbrachte Studienleistungen angerechnet habe. Dies könne eine gesetzliche oder berufsordnungsmäßige Bestimmung des Soziologiestudiums als Fortbildungsmaßnahme für Diplom-Verwaltungswirte nicht ersetzen. Hinzu komme, daß das Erststudium lediglich an einer Fachhochschule stattgefunden habe, während das Studium der Soziologie als vollakademisches Studium zum Abschlußexamen des Magister Artium führe. Nach der Rechtsprechung sei das Studium an einer Universität oder wissenschaftlichen Hochschule die Grundlage für eine neue Lebensgestaltung; dem akademisch Vorgebildeten werde eine ganz andere Berufsqualifikation zuerkannt als einem Nichtakademiker. Für die steuerliche Anerkennung komme es nach der Rechtsprechung u. a. auch auf die Dauer des Zweitstudiums an. Bei einer Dauer von nur drei Semestern seien die Studienkosten den Werbungskosten zugeordnet worden. Im Streitfall dauere das Studium dagegen mindestens acht Semester.

Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 9 Abs. 1 EStG. Zur Begründung trägt er vor:

Es komme nicht darauf an, ob das Ergänzungsstudium gesetzlich oder in Berufsordnungen als solches geregelt sei, sondern ausschließlich darauf, ob er das Studium für seinen Beruf verwenden könne, um ein breiteres Spektrum für die Bewältigung seiner beruflichen Tätigkeit zu erhalten. Dies sei hier der Fall. Das Ergänzungsstudium decke den Bereich ab, den er für seine Tätigkeit benötige.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, daß anstelle von 900 DM Sonderausgaben weitere Werbungskosten von 2.705 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Aufwendungen des Klägers für sein Zweitstudium nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Fortbildungskosten) darstellen, sondern gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur beschränkt als Sonderausgaben (Ausbildungskosten) abziehbar sind.

1. Aufwendungen für ein Hochschulstudium sind nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich als Berufsausbildungskosten zu beurteilen, sofern es sich um ein erstmaliges Studium handelt (vgl. Urteil vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616). Dagegen können Aufwendungen für ein Zweitstudium nach neuerer Rechtsprechung den als Werbungskosten abziehbaren Fortbildungskosten zugerechnet werden, wenn bereits das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt hat und es sich bei dem Zweitstudium um ein darauf aufbauendes Zusatzstudium handelt, durch das die im Rahmen des Erststudiums erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden, und das nicht den Wechsel in eine andere Berufssparte ermöglicht ("Aufbaustudium", vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der vom Kläger hervorgehobene Umstand, daß er die mit dem Zweitstudium gewonnenen Kenntnisse für seinen ausgeübten Beruf als Kommunalbeamter nutzen kann, ist nicht ausreichend, um das Studium als Fortbildung - mit entsprechendem Werbungskostenabzug - anzusehen. Aufgrund seines Studiums an der Fachhochschule für Verwaltung hatte der Kläger einen Abschluß erworben, der ihn zur Ausübung seines Berufes befähigte. Das zusätzliche Studium der Sozialwissenschaften an einer Universität stellt demgegenüber nicht lediglich eine auf der Grundausbildung aufbauende Spezialisierung oder Qualifizierung innerhalb desselben Berufsbildes dar, was die Anerkennung als Fortbildung rechtfertigen würde. Auch der Umstand, daß einige Studienleistungen aus dem Fachhochschulstudium als Leistungsnachweise für das sozialwissenschaftliche Studium anerkannt wurden, spricht nicht für die Annahme eines Ergänzungsstudiums. Denn es ist nicht ersichtlich, daß sich der Studiengang dadurch erheblich verkürzt hätte. Das Studium des Klägers war vielmehr als Vollstudium angelegt. Ein "Aufbaustudium" im Sinne der neueren Rechtsprechung des Senats liegt nach alledem nicht vor. Die Studienkosten sind daher vom FA zu Recht nur mit dem Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben steuerlich berücksichtigt worden.