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  BFH-Urteil vom 17.4.1996 (VI R 94/94) BStBl. 1996 II S. 450

Kosten eines Erststudiums sind stets als Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizieren (Fortführung bisheriger ständiger Rechtsprechung).

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1995, 10)

Sachverhalt

Der 1963 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ausgebildeter Sparkassenbetriebswirt und bei einer Sparkasse als Revisor tätig. Im Streitjahr 1991 war er bei der staatlich anerkannten Fachhochschule AKAD-Akademikergesellschaft für Erwachsenenfortbildung im Studiengang Betriebswirtschaft immatrikuliert. Zulassungsvoraussetzung für das Examen ist eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine fünfjährige Berufspraxis. Dieses Studium wird mit einer Prüfung abgeschlossen, bei deren Bestehen der Absolvent zur Führung des Titels "Diplom-Betriebswirt (FH)" berechtigt ist.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1991 machte der Kläger - soweit noch streitig - Aufwendungen für das Studium in Höhe von 6.287 DM (davon 4.320 DM Kursgebühren) als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug dieser Kosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ab und erkannte nur einen Sonderausgabenabzug in Höhe von 900 DM nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 10 veröffentlichten Gründen statt.

Das FA beantragt mit seiner Revision die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zählten Aufwendungen für ein erstmaliges Studium mit dem Ziel des Hochschulabschlusses zu den nur beschränkt abziehbaren Ausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Dies gelte in gleicher Weise für ein Fachhochschulstudium, welches mit der Verleihung eines akademischen Grades abgeschlossen werde. Im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die kaum zu bewältigenden Abgrenzungsschwierigkeiten könnten die Kosten eines Erststudiums an einer Universität, Hochschule oder - wie im Streitfall - Fachhochschule nur einheitlich als Berufsausbildungskosten gewertet werden, weil durch den erfolgreichen Abschluß eines solchen Studiums in der Regel eine neue Basis für gegenüber der bisherigen beruflichen Stellung höherrangige Tätigkeiten geschaffen werde. Der Umstand, daß der Kläger sein Studium neben der hauptberuflichen, in Vollzeit ausgeübten Tätigkeit betreibe, rechtfertige entgegen der Auffassung des FG keine andere Beurteilung; denn es sei nicht gerechtfertigt, die Kosten eines Studiums je nachdem unterschiedlich zu beurteilen, ob dieses noch vor Ergreifen des erstrebten Berufs oder erst dann durchgeführt werde, wenn der Steuerpflichtige bereits einen Beruf ausübe. Es könne auch nicht danach abgegrenzt werden, ob der Steuerpflichtige als Zweck seiner nachträglichen akademischen Bildung angebe, im bisher ausgeübten Beruf zu verbleiben, aber darin besser voranzukommen, oder ob er einräume, mit dem Hochschulstudium von vornherein einen Berufswechsel anzustreben.

Im Streitfall erstrebe der Kläger einen Studienabschluß im Bereich der Betriebswirtschaftslehre. Auch wenn er als Sparkassenbetriebswirt bereits für Führungsaufgaben innerhalb des Sparkassenbetriebs ausgebildet worden sei, eröffne ihm der angestrebte Studienabschluß eine andere Ausgangsbasis als bei seiner bisherigen Stellung. Denn ihm stünden nach Abschluß des Studiums berufliche Tätigkeitsbereiche offen, die er ohne das Studium entweder nur mit Schwierigkeiten oder überhaupt nicht hätte erreichen können. Das Fachhochschulstudium könne im Streitfall auch nicht einem Aufbau- oder Zweitstudium gleichgestellt werden. Der in der Regel sechsmonatige Sparkassenfachlehrgang mit dem Abschluß zum Sparkassenbetriebswirt sei mit einem mehrsemestrigen Fachhochschulstudium nicht vergleichbar. Der Sparkassenfachlehrgang stelle vielmehr einen fachspezifischen, auf die speziellen beruflichen Bedürfnisse eines Sparkassenangestellten zugeschnittenen Kurs dar. Das Studium an der Fachhochschule sei hingegen nicht auf die speziellen Bedürfnisse eines Sparkassenangestellten zugeschnitten, sondern sei ein allgemeines Studium der Betriebswirtschaftslehre, das den Zugang auch zu anders gearteten Berufswegen eröffne.

Der Kläger tritt der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage, weil das FG die Studienkosten zu Unrecht als Berufsfortbildungskosten anerkannt und deshalb als Werbungskosten zum Abzug zugelassen hat.

1. Seit der Grundsatzentscheidung vom 16. März 1967 IV R 266/66 (BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723) geht der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Kosten eines erstmaligen Studiums an einer Universität, Hochschule oder Fachhochschule Kosten der Berufsausbildung sind, die nach Einfügung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 (jetzt Nr. 7) EStG durch das Steueränderungsgesetz 1968 nur in begrenzter Höhe als Sonderausgaben abziehbar sind. So hat er Aufwendungen für ein Studium an einer Universität oder technischen Hochschule (Urteil vom 24. Juli 1973 IV R 27/72, BFHE 110, 265, BStBl II 1973, 817), Aufwendungen für ein Studium an einer höheren Ingenieur-Fachschule, um graduierter Ingenieur zu werden (Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 150/70, BFHE 104, 223, BStBl II 1972, 254), Aufwendungen für ein Studium an einer höheren Wirtschaftsfachschule mit dem Ziel, graduierter Betriebswirt zu werden (Urteil vom 29. Mai 1974 VI R 182/71, BFHE 112, 490, BStBl II 1974, 636), oder an einer pädagogischen Hochschule (Urteile vom 3. Dezember 1974 VI R 31/74, BFHE 115, 26, BStBl II 1975, 446, und vom 18. Februar 1977 VI R 78/75, BFHE 121, 346, BStBl II 1977, 390), als Berufsausbildungskosten gewertet.

2. Durch Urteil vom 28. September 1984 VI R 44/83 (BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94) hat der Senat die vorbezeichnete Rechtsprechung auch auf ein "berufsintegrierendes" Erststudium an einer Fachhochschule mit dem Ziel, den Hochschulgrad "Diplom-Betriebswirt (FH)" zu erwerben, ausgedehnt. Dem Urteil lag der Fall zugrunde, daß ein als Groß- und Außenhandelskaufmann ausgebildeter und seit einigen Jahren bei einem Inkasso- und Auskunfteiunternehmen beschäftigter Steuerpflichtiger an einer Fachhochschule den o. g. Hochschulgrad anstrebte. Dem Studium lag ein "Kooperationsvertrag" zwischen der Fachhochschule und dem Arbeitgeber des damaligen Klägers zugrunde. Der Arbeitgeber hatte sich darin verpflichtet, dem Kläger für die Dauer des Studiums ein "studienrelevantes Tätigkeitsfeld" zur Verfügung zu stellen und ihm die Teilnahme an Vorlesungen, Übungen, Seminaren und Prüfungen zu ermöglichen.

Der Senat blieb auch für diesen Sonderfall des Erststudiums bei seiner bisherigen Rechtsprechung, weil Kosten eines Erststudiums an einer Universität, Hochschule oder Fachhochschule wegen der kaum zu bewältigenden Abgrenzungsschwierigkeiten und im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur einheitlich als Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG gewertet werden könnten; denn durch den erfolgreichen Abschluß eines solchen Studiums werde in der Regel eine neue Basis für gegenüber der bisherigen beruflichen Stellung höherrangige Berufe geschaffen. Da der erfolgreiche Abschluß eines Fachhochschulstudiums dem Kläger eine ganz andere berufliche Ausgangsbasis eröffnet habe als bei seiner bisherigen Stellung als kaufmännischer Angestellter mit zweijähriger Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann, könne das Studium nicht als eine bloße Weiterbildung in einem ausgeübten Beruf angesehen werden.

Diese typisierende Rechtsprechung hat der Senat zuletzt im Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 17. März 1994 VI R 68/93 in Bestätigung des Urteils des Hessischen FG vom 21. Juni 1993 2 K 742/93 (EFG 1993, 715) erneut bekräftigt.

3. Der Senat bleibt aus Gründen der Rechtssicherheit und der gleichmäßigen, auch einfacheren Handhabung des Rechts bei dieser Rechtsprechung. Sachgerechte und für die Praxis brauchbare Unterscheidungsmerkmale, bei deren Vorliegen ein Erststudium an einer Universität oder Fachhochschule ausnahmsweise als berufliche Fortbildung zu qualifizieren wäre und die außerdem im Vergleich zu einer ausnahmslosen Zuordnung der Aufwendungen zu den Sonderausgaben zu einem insgesamt als gerechter erscheinenden Ergebnis führen, sind für den Senat nicht erkennbar. Daher sind die Kosten des vom Kläger durchgeführten Erststudiums als Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizieren.