| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 19.4.1996 (VI R 24/95) BStBl. 1996 II S. 452

Aufwendungen für ein Studium mit dem Abschluß "Master of Business Administration" (MBA) können zu den als Werbungskosten abziehbaren Fortbildungskosten zählen.

EStG § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der 1962 geborene ledige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) absolvierte von 1979 bis 1981 erfolgreich eine Banklehre bei der A-Bank. Nach Ableistung seines sich daran anschließenden Grundwehrdienstes bei der Bundeswehr besuchte er von 1982 bis 1983 die Fachoberschule und legte das Fachabitur ab. Von 1983 bis 1986 studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule in S. Nach erfolgreichem Abschluß dieses Studiums ging er an die Texas Christian University in Fort Worth (USA) und legte dort die Prüfung als Master of Business Administration (MBA) ab. Das Studienprogramm ist wirtschaftlich orientiert mit stark praxisbezogenem Einfluß und vermittelt spezielles Wissen, besonders im Hinblick auf wirtschaftliche und operative Abläufe in Unternehmungen. Zulassungsvoraussetzung für ein MBA-Studium ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Ferner muß jeder Student einen formellen Test bestehen, der sprachliches und mathematisches Wissen überprüft. Das MBA-Studium ist als Vollzeitstudium auf zwei Jahre beschränkt. Es eignet sich, so das Finanzgericht (FG) aus seiner Kenntnis aus einem Parallelverfahren, als "exklusive Weiterbildung" für Betriebs- und Volkswirte, Techniker, Juristen, Natur- und Geisteswissenschaftler gleichermaßen. Ziel des Studiums ist es, mit allen Bereichen des Managements vertraut zu machen und damit Generalisten-Wissen zu vermitteln.

Nach Beendigung des MBA-Studiums zog der Kläger nach New York, wo er vom 1. Oktober 1988 bis 30. Juli 1989 eine Praktikantenstelle bei der B-Bank erhalten hatte. Am 1. September 1989 wurde der Kläger in der Bundesrepublik von der C-Bank in F - zunächst bis zum 1. März 1990 probeweise - für deren Management Associate Programm eingestellt. Danach wurde er von der C-Bank in ein festes Angestelltenverhältnis übernommen. Das Jahresgehalt für das Streitjahr 1990 belief sich auf 83.525 DM.

Der Kläger begehrte den Abzug der ihm für das MBA-Studium entstandenen Aufwendungen abzüglich eines erhaltenen Stipendiums als Werbungskosten, was der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ablehnte, da die streitigen Aufwendungen nicht als Fortbildungs-, sondern als Ausbildungskosten zu qualifizieren seien.

Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das FG ging davon aus, daß es sich bei den Aufwendungen für das MBA-Studium um als Werbungskosten abziehbare Fortbildungskosten gehandelt habe. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien die Kosten für ein Zweitstudium oder Aufbaustudium an einer Universität oder Fachhochschule regelmäßig den als Werbungskosten abziehbaren Fortbildungskosten zuzurechnen, wenn das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt habe und es sich bei dem Zweitstudium um ein Aufbaustudium handele, durch das die im Erststudium erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft würden und das nicht den Wechsel in eine andere Berufsart eröffne (BFH-Urteil vom 14. Februar 1992 VI R 69/90, BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961). Bei Anwendung dieser Kriterien auf den Streitfall seien die Aufwendungen des Klägers für das MBA-Studium als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Dem Werbungskostenabzug stehe nicht entgegen, daß sich das MBA-Studium an das Studium der Betriebswirtschaftslehre angeschlossen habe und daß der Kläger erst am 1. September 1989 von der C-Bank angestellt worden sei. Nach der Rechtsprechung des BFH seien auch Ausgaben, die vor dem Beginn einer Tätigkeit und vor der Erzielung von Einnahmen anfielen, als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn sie, wie im Streitfall, in einem hinreichend klaren Zusammenhang mit einer bestimmten in Aussicht genommenen Einkunftsart stünden.

Das FA begehrt mit seiner Revision die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor: Nach der Rechtsprechung des BFH seien Aufwendungen für ein Zweitstudium nur dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt und das Zweitstudium nicht den Wechsel in eine andere Berufsart eröffnet habe. Hieran fehle es jedoch im Streitfall. Der Kläger habe zunächst den Beruf eines Bankkaufmannes erlernt. Nach Ableistung seines Grundwehrdienstes habe er diesen Beruf jedoch nicht weiter ausgeübt, sondern nach Ablegung des Abiturs sein Erststudium (Betriebswirtschaft) und direkt anschließend sein Zweitstudium (MBA-Studium) absolviert. Berufliches Ziel des Klägers sei die Anstellung in einem international tätigen Unternehmen gewesen. Sowohl das Erst- als auch das Zweitstudium hätten somit dazu gedient, die Voraussetzungen für die Ausübung dieses vom Kläger angestrebten Berufs zu schaffen, der inhaltlich anders geartet sei als der vor Beginn des Studiums ausgeübte Beruf. Eine Berücksichtigung der Aufwendungen als Fortbildungskosten wegen einer höheren Qualifikation im ausgeübten Beruf des Bankkaufmannes komme somit nicht in Betracht. Zu Beginn des Zweitstudiums sei noch völlig offen gewesen, in welcher Art von Unternehmen (z. B. Automobilkonzern) der Kläger eine Anstellung angestrebt habe. Der Berufsabschluß als Diplom-Betriebswirt lasse, unabhängig von etwaigen Zusatzqualifikationen wie das MBA-Studium, eine Tätigkeit in verschiedenen Berufszweigen zu. Allein die Tatsache, daß der Kläger nunmehr wieder bei einer Bank und nicht z. B. bei einem Automobilkonzern oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beschäftigt sei, rechtfertige keine Aufteilung der Studienkosten in Aus- und Fortbildungskosten nach objektiven Merkmalen, so daß auch eine Berücksichtigung als vorweggenommene Werbungskosten ausscheide.

Der Kläger tritt der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die mit dem MBA-Studium zusammenhängenden Aufwendungen dem Grunde nach als Fortbildungskosten qualifiziert werden können. Es fehlen hingegen Feststellungen darüber, daß die Fortbildungskosten zur Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen aufgewendet worden sind und ob ein Teil der geltend gemachten Kosten unter dem Gesichtspunkt einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehbar ist.

1. Durch Grundsatzurteile vom 14. Februar 1992 VI R 26/90 (BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556), VI R 106/90 (BFHE 167, 505, BStBl II 1992, 962), und VI R 69/90 (BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961) hat der erkennende Senat unter Aufgabe früherer anderslautender Rechtsprechung entschieden, daß die Kosten für ein Zweitstudium als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind, wenn bereits das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt hat und es sich bei dem Zweitstudium um ein darauf aufbauendes Zusatzstudium handelt, durch das die im Rahmen des Erststudiums erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden und das nicht den Wechsel zu einem anders gearteten Beruf ermöglicht. Demgemäß hat er die Aufwendungen für ein ergänzendes Hochschulstudium eines zur Sekundarstufe I befähigten Steuerpflichtigen zur Erlangung der Befähigung zum Lehramt der Sekundarstufe II, für ein Hochschulstudium einer Grund- und Hauptschullehrerin zur Vorbereitung auf die zweite Dienstprüfung für das Lehramt an den Realschulen sowie für ein zweites Hochschulstudium eines B-Schein-Kirchenmusikers mit dem Ziel der Ablegung des A-Examens zum Werbungskostenabzug zugelassen. Diese Rechtsprechung hat der Senat durch Urteile vom 8. Mai 1992 VI R 134/88 (BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965), und vom 2. Dezember 1994 VI R 14/94 (BFH/NV 1995, 594) für Aufwendungen approbierter Humanmediziner für das Studium der Zahnmedizin mit dem Ziel, Kieferchirurg zu werden, fortgeführt. Entsprechend wurden auch Aufwendungen eines Diplom-Ingenieurs für ein nur wenige Semester umfassendes Studium zur Erlangung der Berufsbezeichnung "Diplom-Wirtschaftsingenieur" zum Werbungskostenabzug zugelassen (Urteile vom 10. Juli 1992 VI R 19/91, BFHE 168, 341, BStBl II 1992, 966, und vom 30. Oktober 1992 VI R 25/90, BFH/NV 1994, 154).

Mit dieser Rechtsprechung hat der Senat der allgemeinen Entwicklung im Berufsleben Rechnung getragen, die immer mehr zur Auflösung der bisherigen Berufsbilder führt. So haben sich die Anforderungen an leitende Angestellte im betriebswirtschaftlich-organisatorischen Bereich dahingehend verändert, daß technische Führungskräfte ohne betriebswirtschaftliches Basiswissen und betriebswirtschaftlich ausgebildete Führungskräfte ohne jegliche technische Kenntnisse häufig ihre Aufgaben nicht mehr umfassend erfüllen können. Dieses Zusatzwissen wird vielfach durch Aufbaustudien erworben. Diese Entwicklung ist nicht nur im Verhältnis von Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften zu beobachten, sondern es handelt sich um einen Entwicklungsprozeß in immer weiteren Bereichen, wie auch der vom Hessischen FG im Urteil vom 20. Oktober 1995 4 K 3768/92 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 174) rechtskräftig entschiedene Fall belegt, in welchem die Aufwendungen eines Arztes für ein Aufbaustudium mit dem Abschluß "Diplom-Wirtschafts-Mediziner" als Berufsfortbildungskosten beurteilt worden sind.

2. Das FG hat die durch die vorgezeichnete Rechtsprechung entwickelten Kriterien zutreffend auf den Streitfall angewendet und zu Recht entschieden, daß die strittigen Aufwendungen als Fortbildungskosten beurteilt werden können. Der Kläger hat das MBA-Studium nach seinem Fachhochschulstudium und damit nach seiner abgeschlossenen Berufsausbildung als Betriebswirt aufgenommen. Die abgeschlossene Hochschulausbildung war Zulassungsvoraussetzung zum MBA-Studium, das mit vier Semestern auch zeitlich kürzer war als das Erststudium des Klägers. Durch den erfolgreichen Abschluß des Zusatzstudiums hat sich die Berufsart des Klägers nicht geändert. Nach den Feststellungen des FG ist das MBA-Studium darauf angelegt, mit allen Bereichen des Managements vertraut zu machen und Generalisten-Wissen zu vermitteln, um dadurch Betriebs- und Volkswirten, Technikern, Juristen, Natur- und Geisteswissenschaftlern gleichermaßen Spezialwissen für Führungsaufgaben zu vermitteln. Es erfüllt damit als stark praxisorientiertes Kurzstudium die Kriterien eines Aufbaustudiums, welches nicht einen Wechsel in eine andere Berufsart ermöglicht, sondern den Kläger als einen mit speziellem Zusatzwissen ausgestatteten Betriebswirt ausweist.

3. Der Qualifizierung der strittigen Aufwendungen als Werbungskosten steht nicht entgegen, daß der Kläger das MBA-Studium vor Aufnahme seiner eigentlichen Berufstätigkeit durchgeführt hat. Es ist seit jeher anerkannt, daß bei abgeschlossener Berufsausbildung vor Aufnahme der Berufstätigkeit Fortbildungskosten in Form vorabentstandener Werbungskosten anfallen können, sofern es sich nicht um Aufwendungen handelt, die "gleichsam ins Blaue hinein" getätigt worden sind (BFH-Urteil vom 29. Februar 1980 VI R 165/78, BFHE 130, 282, BStBl II 1980, 395), sondern bei denen der Zusammenhang zur späteren Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen feststeht (Urteile in BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961; in BFH/NV 1995, 594; vom 20. Oktober 1978 VI R 132/76, BFHE 126, 275, BStBl II 1979, 114; vom 24. August 1962 VI 218/60 U, BFHE 75, 545, BStBl III 1962, 467, jeweils m. w. N.). Diesen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für das MBA-Studium und den späteren steuerpflichtigen Lohneinnahmen hat das FG - vorbehaltlich der nachfolgenden Ausführungen unter 4. - in nicht zu beanstandender Weise bejaht.

Dem gefundenen Ergebnis steht nicht § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Aufwendungen für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben abziehbar. Diese durch das Steueränderungsgesetz 1968 als § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG eingefügte Vorschrift läßt vorabentstandene Werbungskosten unberührt. Mit § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG wollte der Gesetzgeber nicht etwa bestehende Abzugsmöglichkeiten einschränken; ihm ging es vielmehr darum, den Steuerpflichtigen eine - wenn auch beschränkte - Abzugsmöglichkeit in den Fällen zu eröffnen, in denen die Rechtsprechung einen Abzug verneinte. Für vorabentstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben war der steuermindernde Abzug aber seinerzeit schon gegeben. Vielmehr hatte der Gesetzgeber die Fälle im Auge, in denen ein Steuerpflichtiger nach dem Abschluß der Berufsausbildung aus dem Erwerbsleben ausscheidet und damit die Absicht, Einkünfte zu erzielen, zunächst aufgibt. Solchen Steuerpflichtigen sollte für den - noch nicht sicheren - Fall des späteren Wiedereintritts in das Erwerbsleben die Möglichkeit gegeben werden, Aufwendungen, die dazu dienen, den Anschluß an die zwischenzeitliche berufliche Entwicklung nicht zu verlieren, in begrenztem Umfang steuermindernd als Sonderausgaben abzuziehen. Ein Steuerpflichtiger, der sich im Hinblick auf eine angestrebte Anstellung fortbildet, hat aber nicht seine Absicht zur Einkunftserzielung aufgegeben, sondern tätigt Aufwendungen im Hinblick auf eine fortbestehende Einkunftserzielungsabsicht.

4. Wenn auch das FG zutreffend davon ausgegangen ist, daß die Kosten für ein MBA-Studium die Voraussetzung der vorab entstandenen Werbungskosten erfüllen können, so ist die Vorentscheidung dennoch aus folgenden Gründen aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen:

a) Voraussetzung für den Abzug von Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten ist, daß die Aufwendungen im Hinblick auf spätere steuerpflichtige Einnahmen getätigt werden, also durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlaßt sind. Insoweit bedarf der Streitfall weiterer Aufklärung. Der Kläger hat vorgetragen, er habe das MBA-Studium im Hinblick auf eine Anstellung bei einem international tätigen Unternehmen durchgeführt. Nach dem MBA-Studium war der Kläger für 10 Monate als Praktikant bei einer Bank in New York tätig. Das FG wird im Hinblick auf § 3 c EStG der Frage nachzugehen haben, ob der Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen für das MBA-Studium und steuerpflichtigen Einnahmen gegeben ist oder ob der Kläger in Erwägung gezogen hatte, eine Auslandstätigkeit anzustreben. Von Bedeutung könnte ferner sein, ob das MBA-Studium eine Voraussetzung für die Praktikantentätigkeit in New York war.

b) Das FG hat erhebliche Unterkunfts- und Verpflegungskosten unter dem Gesichtspunkt der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten anerkannt. Zwar haben sich die Beteiligten auf die Höhe der Kosten verständigt. Die Vorentscheidung läßt aber keine Überprüfung darauf zu, ob die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung oder der sog. quasi-doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach gegeben sind. Dazu wird das FG weitere Feststellungen zu treffen haben.