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  BFH-Urteil vom 27.3.1996 (I R 87/95) BStBl. 1996 II S. 473

Die Körperschaftsteuer ist nicht gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG auf die Einkommensteuer anzurechnen, wenn die entsprechenden Einnahmen aus Kapitalvermögen bei der Veranlagung nicht erfaßt werden.

EStG 1987 § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1; EStG 1990 § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f, § 52 Abs. 25 Satz 2; KStG § 51.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1995, 1061)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Steuererklärung für 1989 haben sie u. a. folgende Kapitalerträge des Klägers erklärt: Inländische Kapitalerträge (Dividendenerträge aus Aktien) in Höhe von 14.259 DM, die hierauf anzurechnende Körperschaftsteuer mit 5.133,40 DM und die Kapitalertragsteuer mit 2.281,50 DM sowie ausländische Kapitalerträge in Höhe von 6.958 DM. Außerdem wurden Zinserträge aus Spar- und Bausparguthaben des Klägers in Höhe von 238 DM und hierauf entfallende Kapitalertragsteuer von 23,19 DM erklärt. Die Werbungskosten beliefen sich auf insgesamt 56.029 DM, worin Schuldzinsen von 53.252 DM enthalten waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung demgegenüber zunächst lediglich die Zinserträge aus den Spar- und Bausparguthaben und setzte die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit 0 DM an, weil "bei der Anschaffung der Wertpapiere ... die Absicht zur Realisierung von Wertsteigerungen der Kapitalanlage im Vordergrund gestanden habe". Eine Anrechnung der Körperschaftsteuer und - bis auf den Betrag von 23,19 DM - auch der Kapitalertragsteuer unterblieb. Im anschließenden Einspruchsverfahren wurde die Kapitalertragsteuer von 2.281,50 DM erstattet. Außerdem wurde das Körperschaftsteuerguthaben insoweit - in Höhe von 324 DM - angerechnet, als dieses auf Einkünfte aus Genossenschaftsanteilen entfiel. Im übrigen aber ging das FA weiterhin davon aus, daß die Wertpapiere als Spekulationsobjekte und nicht zur Erzielung von Dividendenerträgen angeschafft worden seien. Infolgedessen entfalle auch die Anrechnung der entsprechenden Körperschaftsteuer.

Das FA erließ einen entsprechenden Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), gegen den die Kläger Sprungklage erhoben haben. Diese blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 1061 abgedruckt.

Ihre Revision begründen die Kläger mit Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die zu erstattende Einkommensteuer 1989 auf 25.775,90 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1987 ist auf die Einkommensteuer die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 9/16 der Einnahmen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG 1987 anzurechnen. Die Anrechnung ist nur möglich, wenn zunächst die Einnahmen aus Kapitalvermögen bei der Veranlagung erfaßt werden. Das ist für Einkommensteuerveranlagungen ab dem Veranlagungszeitraum 1990 und auch für das Streitjahr ausdrücklich geregelt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG), ergab sich aber auch zuvor aus dem System des Anrechnungsverfahrens (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 28. April 1993 I R 100/92, BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836; vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191; vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362, m. w. N.; Beschluß vom 13. Juli 1994 I B 53/94, BFHE 175, 101, BStBl II 1995, 65; s. auch Urteile vom 12. Dezember 1990 I R 43/89, BFHE 163, 162, BStBl II 1991, 427; vom 31. Juli 1991 I R 4/89, BFHE 165, 387, BStBl II 1992, 98). § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG ist deshalb auch für Veranlagungszeiträume vor 1990 - und damit auch im Streitfall - anzuwenden (§ 52 Abs. 25 Satz 2 EStG 1990), ohne daß darin eine verfassungsrechtlich möglicherweise bedenkliche gesetzliche Rückwirkung zu sehen wäre. Die Anrechnung setzt bei einer einkommensteuerpflichtigen Person sonach voraus, daß die mit der Anrechnung korrespondierenden Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 oder Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG 1987 bei der Veranlagung der einkommensteuerpflichtigen Person erfaßt werden.

2. Hiervon ausgehend kommt die Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens im Streitfall nicht in Betracht. Zwar wird in § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG 1990 nicht zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien, steuerbaren und nicht steuerbaren Einnahmen unterschieden. Die Anrechnung setzt dem Wortlaut der Vorschrift nach vielmehr nur voraus, daß die entsprechenden Einnahmen bei der Veranlagung "erfaßt" werden. Darin weicht die Vorschrift von § 51 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ab, der den Ausschluß der Anrechnung bei Körperschaften als Anteilseigner regelt. § 51 KStG differenziert zwischen Einnahmen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG 1987, die "nicht steuerpflichtig" sind, und solchen, die nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 KStG "bei der Veranlagung nicht erfaßt" werden. Angesichts dieser Regelungsunterschiede vertrat Heinicke (in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 36 Anm. 9, vgl. nunmehr 14. Aufl., § 36 Rz. 37) - jedenfalls bis zur Einfügung von § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f in das Einkommensteuergesetz durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990 (Wohnungsbauförderungsgesetz, BGBl I 1989, 2408) - die Auffassung, daß auch beim Anteilseigner steuerbefreite Einnahmen aus Kapitalvermögen die Körperschaftsteueranrechnung ermöglichen. Dem ist jedoch (z. B. von Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 36 EStG Rz. 143; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., EStG Anm. 13; Conradi in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 36 EStG Rz. 41; Geiger, Finanz-Rundschau 1992, 286) zu Recht Sinn und Zweck des Anrechnungsverfahrens entgegengehalten worden, nämlich die Absicht, die zweimalige volle Belastung mit Körperschaftsteuer der ausschüttenden Körperschaft und mit Einkommensteuer bei den Anteilseignern zu vermeiden (BTDrucks 7/1470, S. 332, 380). Diesem Sinn und Zweck wird nur dann entsprochen, wenn die entsprechenden Einnahmen beim Anteilseigner auch tatsächlich "erfaßt" worden sind. Im Einklang mit dem Sprachgebrauch ist dies nicht der Fall, wenn sie - wie im Streitfall bei fehlender Überschußerzielungsabsicht - von vornherein keiner Einkunftsart unterfallen (vgl. § 2 Abs. 1 EStG 1987). Daß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG 1990 insoweit die vorgenannte Unterscheidung in § 51 KStG zwischen "erfaßten" und steuerpflichtigen Einnahmen seinem Wortlaut nach nicht nachvollzieht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch "nicht steuerpflichtige" Einnahmen werden bei der Veranlagung im Ergebnis "nicht erfaßt" und können als "nicht erfaßte" Einnahmen im Sinne des Gesetzes verstanden werden. Die tatbestandliche Voraussetzung "nicht erfaßt" stellt sonach den Oberbegriff dar, so daß es der Unterscheidung zwischen beiden Voraussetzungen letztlich nicht bedarf (zutreffend Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a. a. O., § 36 EStG Rz. 143). Sie beläßt für ein einengendes Verständnis der Regelung in § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG 1990 keinen Raum.

3. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu solchen Anteilseignern, für die eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht in Betracht kommt (§ 36 b Abs. 1 EStG 1987) besteht nicht. Zwar wird solchen Anteilseignern das Körperschaftsteuerguthaben auf Antrag vergütet, obwohl bei ihnen die Gefahr einer doppelten Ertragsbesteuerung nicht besteht. Während die Einnahmen des Klägers in keine Einkunftsart eingegangen sind, werden die Einnahmen der nicht zu veranlagenden Anteilseigner jedoch im Grundsatz i. S. von § 36 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. f EStG 1990 "erfaßt" (vgl. auch § 25 Abs. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. e EStG 1987 zur Antragsveranlagung). § 36 b EStG 1987 enthält lediglich eine Vereinfachungsregelung, um die Finanzbehörden von Verwaltungsarbeit zu entlasten (Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 36 b EStG Rz. 2; Riegler in Littmann/Bitz/Hellwig, a. a. O., § 36 b EStG Rz. 3). Insofern sind der Sachverhalt, über den im Streitfall zu entscheiden ist, und der Sachverhalt, den § 36 b EStG 1987 regelt, nicht vergleichbar. Ein Gleichheitsverstoß scheidet aus. Entgegen der Annahme der Revision gilt nichts anderes im Hinblick auf Anteilseigner, die negative oder nur geringe Kapitaleinkünfte erzielen. Auch bei diesen werden die Kapitaleinnahmen im Gegensatz zu dem Kläger als solche erfaßt.