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  BFH-Urteil vom 26.6.1996 (II R 1/95) BStBl. 1996 II S. 535

1. § 5 der Spielbankenverordnung 1938, wonach vom Spielbankunternehmer eine Spielbankabgabe zu entrichten ist, steht landesrechtlichen Regelungen über Spielbankabgabe nicht entgegen.

2. Die spielbankabgabenrechtlichen Regelungen der Spielcasinoverordnung der ehemaligen DDR vom 4. Juli 1990 galten nach dem Beitritt als Landesrecht fort. Den neuen Ländern steht die Gesetzgebungskompetenz für die Spielbankabgabe gleichermaßen zu wie den alten Ländern.

3. Die spielbankabgabenrechtlichen Vorschriften der Spielcasinoverordnung, die in Sachsen als Landesrecht weitergalten, sind kein revisibles Recht, dessen Anwendung der Überprüfung durch den BFH unterliegt.

GG Art. 70, Art. 72, Art. 105; EinigVtr Art. 8, Art. 9; FGO § 118 Abs. 1; Spielbankenverordnung 1938 § 5, § 6, Spielcasinoverordnung DDR.

Vorinstanz: Sächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ein Spielcasino betrieben. Dem lag folgendes zugrunde: Am 13. Februar 1990 verlieh der Ministerrat der ehemaligen DDR dem VE-X das Recht, Spielcasinos zu betreiben. Durch Vertrag vom 23. März 1990 überließ dieser dieses Recht für die Dauer von 25 Jahren einem anderen volkseigenen Betrieb (VEB). Die X-AG wurde Rechtsnachfolgerin des VE-X. Die A-GmbH i. G. wurde Rechtsnachfolgerin des VEB; sie war eine 100%ige Tochter der X-AG. Durch Vertrag vom 29. Mai 1990 übertrug die X-AG mit Zustimmung der A-GmbH i. G. die Alleinkonzession für die Dauer von 25 Jahren auf die Klägerin. An dieser waren die A-GmbH zu 51 % und die C-GmbH zu 49 % beteiligt.

Mit Schreiben vom 5. April 1990 hatte das Finanzministerium der DDR dem VE-X folgendes mitgeteilt: "Entsprechend Ihrem Antrag bestätige ich Ihnen, daß für die Neueinrichtung von Spielcasinos der Steuersatz für die ersten drei Jahre nach Eröffnung auf 70 % für den staatlichen Konzessionär herabgesetzt wird. " In einem internen Vermerk des Stellvertreters des Ministers vom 28. März 1990 heißt es diesbezüglich: "Zur Einrichtung der Spielcasinos wird mit einem Investitionsaufwand von ca. ... Mio DM durch das Ministerium für Handel und Versorgung gerechnet. Da aufgrund der besonderen Art der Besteuerung die Gewährung von Sonderabschreibungen oder die Bildung einer steuerfreien Rücklage nicht möglich sind, wird vorgeschlagen, als Investitionshilfe den Steuersatz für die ersten drei Jahre auf 70 % zu ermäßigen. "

Durch Erlaß des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 28. Juni 1991 wurde die Spielbankabgabe

für den Zeitraum bis zum 12. August 1990 auf 70 % des um die Lohnkosten für das Leitungs- und Verwaltungspersonal geminderten Brutto-Spielertrags,

für den Zeitraum vom 13. August 1990 bis 31. Dezember 1991 auf 70 % des ungeminderten Brutto-Spielertrags und

für den Zeitraum ab 1. Januar 1992 auf 85 % des ungeminderten Brutto-Spielertrags festgesetzt.

Aufgrund dieser Regelung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Spielbankabgabe mit unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Bescheiden vom 6. Oktober 1992 für den Zeitraum 27. Juli 1990 bis 31. Dezember 1990 auf ... DM, für 1991 auf ... DM und für den Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. August 1992 auf ... DM fest. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Mit der Klage wurde geltend gemacht, daß die Spielbankabgabe entsprechend der vom Ministerium am 5. April 1990 erteilten "Zusage" für die ersten drei Jahre des Spielbetriebs auf 70 % des um die Lohnkosten für das Leitungs- und Verwaltungspersonal geminderten Spielertrags festzusetzen sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Festsetzung der Spielcasinoabgabe sei gemäß § 3 der Verordnung über die Zulassung öffentlicher Spielcasinos vom 4. Juli 1990 - Spielcasinoverordnung DDR - (Gesetzblatt der DDR - GBl DDR - I Nr. 50, 952) rechtmäßig. Auf eine über das gewährte Ausmaß hinausgehende Ermäßigung habe die Klägerin keinen Anspruch. Sie berufe sich ohne Erfolg insoweit auf das Schreiben des Ministeriums vom 5. April 1990. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Schreiben überhaupt einen Verwaltungsakt enthalte oder lediglich eine schlichte Auskunft, die keine Bindungswirkung entfalten sollte. Es sei nämlich bereits der Sachverhalt nicht feststellbar, auf den sich eine verbindliche Entscheidung des Ministeriums über die zukünftige Steuerfestsetzung bezogen haben könnte. Hierfür hätte es der Vorlage des Antrags bedurft, auf den sich das Schreiben des Ministeriums vom 5. April 1990 bezogen habe. Mangels Kenntnis vom Inhalt des Antrags sei nicht zu ermitteln, ob der von dem VE-X bzw. der X-AG dem Ministerium unterbreitete Sachverhalt mit dem später verwirklichten Sachverhalt identisch sei. Der Annahme einer verbindlichen Auskunft stehe des weiteren entgegen, daß sich das Schreiben auf den "staatlichen Konzessionär" beziehe, die Klägerin aber eine juristische Person des Privatrechts sei.

Während des Klageverfahrens hatte die Klägerin darauf hingewiesen, daß sich der dem ministeriellen Schreiben zugrundeliegende Antrag ggf. in den Unterlagen des Ministeriums bzw. der X-AG befinde und sie darauf keinen Zugriff habe.

Das Urteil des FG erging aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. Dezember 1993. Zuvor war mit Schreiben der Berichterstatterin an das Sächsische Staatsministerium der Finanzen vom 9. November 1993 um Übersendung des Antrags des VE-X, der der Zusage vom 5. April 1990 zugrunde lag, gebeten worden. Dies wurde den Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt. Erst mit Schreiben vom 10. Januar 1994 beantwortete das Ministerium diese Anfrage dahin, daß der betreffende Antrag weder in seinen Akten noch in denen des Bundesministeriums der Finanzen, Außenstelle Berlin, vorhanden sei.

Gegen das Urteil des FG hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie macht Verfahrensfehler und Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie beantragte zunächst, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Spielbankabgabe für den Zeitraum vom 27. Juli 1990 bis 31. Dezember 1990 auf ... DM, für 1991 auf ... DM und für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. August 1992 auf ... DM herabzusetzen. Hilfsweise beantragt sie, die Sache an das FG zurückzuverweisen. In der mündlichen Verhandlung hat sie ihren Antrag dahingehend erweitert, daß für die Zeit ab Januar 1991 die Bescheide in vollem Umfang aufgehoben werden sollen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist im Umfang des ursprünglichen Revisionsantrags der Klägerin begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen ist die Revision der Klägerin unzulässig.

1. Unzulässig ist die Revision insoweit, als sie über den in der Revisionsbegründungsschrift gestellten Antrag hinausgeht, denn diese - in der mündlichen Verhandlung - erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgenommene Antragserweiterung ist durch die Revisionsbegründung nicht gedeckt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Juli 1966 V 167/62, BFHE 86, 565, BStBl III 1966, 627; und vom 26. November 1982 II R 32/83, BFHE 148, 180, BStBl II 1987, 101). Die Klägerin hat im Einspruchsverfahren, im anschließenden Klageverfahren und auch - zunächst - im Revisionsverfahren die ihr gegenüber erfolgten Festsetzungen von Spielbankabgabe nur insoweit angefochten, als mit diesen eine höhere Bemessungsgrundlage als 70 % des um die Lohnkosten für das Leitungs- und Verwaltungspersonal geminderten Spielertrags berücksichtigt wurden. Diese eindeutige Bestimmung des Anfechtungsumfangs folgt nicht nur aus der zahlenmäßigen Berechnung der Anträge, sondern auch aus den dazu gegebenen Begründungen.

2. Das FG hat die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bejaht, weil zum einen diese ihre Rechtsgrundlage in der Spielcasinoverordnung DDR fänden und zum anderen das Schreiben des Finanzministeriums der ehemaligen DDR vom 5. April 1990 der Erhebung der Spielbankabgabe in der vom FA geltend gemachten Höhe nicht entgegenstehe. Die Richtigkeit der Auffassung des FG, die angefochtenen Bescheide entsprächen der Spielcasinoverordnung DDR, ist vom Senat nicht zu überprüfen, da es sich insoweit um die Anwendung nichtrevisiblen Rechts handelt. Der zweite Begründungsteil des FG ist jedoch verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Dies führt zur Aufhebung seiner Entscheidung.

a) Die Spielcasinoverordnung DDR galt nach dem Beitritt als Landesrecht fort.

Die - hier allein in Frage stehenden - spielbankabgaberechtlichen Bestimmungen der Spielcasinoverordnung DDR waren sowohl zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Einigungsvertrags als auch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts geltendes Recht der damaligen DDR. Inhaltlich waren diese Regelungen sowohl mit dem Grundgesetz (GG) als auch mit dem unmittelbar geltenden Recht der Europäischen Gemeinschaften vereinbar. Die abgabenrechtlichen Vorschriften der Spielcasinoverordnung DDR galten daher nach Art. 9 des Einigungsvertrags (EinigVtr) als Landesrecht fort. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Spielbankabgabenrecht nach der Kompetenzverteilung des GG in den Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder oder in den der konkurrierenden Gesetzgebung fällt. Diese Frage kann der Senat daher weiterhin offenlassen (so bereits in seinem Urteil zum Niedersächsischen Spielbankabgabenrecht vom 8. März 1995 II R 10/93, BFHE 177, 276, BStBl II 1995, 432). Fällt das Spielbankabgabenrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Länder, so folgt die Weitergeltung der abgabenrechtlichen Vorschriften der Spielcasinoverordnung DDR aus Art. 9 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr. Fällt das Spielbankabgabenrecht dagegen in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, so gelten die spielbankabgabenrechtlichen Vorschriften der Spielcasinoverordnung DDR nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 EinigVtr als Landesrecht fort, da sie einen Gegenstand betreffen, der nicht bundeseinheitlich geregelt ist. Als einzige bundesrechtlich geregelte Vorschrift über die Erhebung von Spielbankabgaben käme § 5 der Verordnung über öffentliche Spielbanken vom 27. Juli 1938 i. d. F. der Verordnung vom 31. Januar 1944 (RGBl I, 60) - Spielbankenverordnung 1938 - in Betracht. Sieht man von den überholten Regelungen über die Zuständigkeit und die Ertragshoheit ab, hat diese Vorschrift jedoch nur den Inhalt, daß vom Spielbankunternehmer eine Spielbankabgabe zu entrichten ist. Diese Regelung hat im Hinblick auf die umfassende Steuerbefreiung nach § 6 der Spielbankenverordnung 1938 durchaus ihren Sinn, ist jedoch eine lex imperfecta und damit ergänzungsbedürftig und -fähig. Sie steht deswegen landesrechtlichen Regelungen der Spielbankabgabe nicht entgegen (Senatsentscheidung in BFHE 177, 276, BStBl II 1995, 432, 436). Sie kann deshalb auch einer Weitergeltung von Recht der ehemaligen DDR als Landesrecht nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 EinigVtr nicht entgegenstehen.

Unerheblich ist es, daß in der Anlage II des EinigVtr das Spielbankabgabenrecht nicht enthalten ist. Die Anlage II konkretisiert die Regelung des Art. 9 Abs. 2 EinigVtr, nicht aber die des Abs. 1 der Vorschrift. Auch Art. 8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Ziff. 14 Abs. 1 Nr. 3 EinigVtr steht der Weitergeltung als Landesrecht entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen. Danach tritt das Recht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) im Beitrittsgebiet am 1. Januar 1991 u.a. auf dem Gebiet der Regelungen der Abgaben von Spielbanken in Kraft. Diese Regelung ist jedoch - im Gegensatz zu allen anderen in der Vorschrift genannten Abgabenrechtsgebieten - ausdrücklich beschränkt auf bundesrechtliche Regelungen der Abgabe von Spielbanken. Daraus folgt zum einen, daß nicht alle spielbankabgabenrechtlichen Regelungen der Bundesrepublik Bundesrecht sind, zum anderen daß nur Spielbankenabgabenrecht, das Bundesrecht war, im Beitrittsgebiet in Kraft treten sollte. In erster Linie wird daher § 6 der Spielbankenverordnung 1938, der die Befreiung des Spielbankenunternehmers von sonstigen Steuern vorsieht, von dieser Regelung erfaßt. Aber auch dann, wenn § 5 Abs. 1 der Spielbankenverordnung 1938 als Bundesrecht zu betrachten und dementsprechend am 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet in Kraft getreten wäre, stünde dies der Weitergeltung spielbankenabgabenrechtlicher Vorschriften des Rechts der ehemaligen DDR als Landesrecht nicht entgegen. Dies folgt aus dem dargestellten lückenhaften und unvollständigen Regelungsinhalt des § 5 Abs. 1 Spielbankenverordnung 1938, der landesrechtlichen Regelungen auf diesem Gebiet nicht entgegenstehen kann. Spielbankenabgabenrechtliche Regelungen der ehemaligen DDR galten daher nach dem Wirksamwerden des Beitritts als Landesrecht fort. Damit bestand insoweit für die neuen Länder dieselbe Verfassungsrechtslage wie für die alten Länder, die - nach Auffassung des Senats (vgl. Urteil in BFHE 177, 276, BStBl II 1995, 432) - auf dem Gebiet des Rechts der Spielbankabgabe gesetzgebungsbefugt sind.

bb) Die abgabenrechtlichen Vorschriften der Spielcasinoverordnung DDR sind kein revisibles Recht, das nach § 118 Abs. 1 FGO der Überprüfung durch den BFH unterliegt. Die Spielcasinoverordnung DDR galt insoweit als Landesrecht fort. Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO kann die Revision nur auf die Verletzung von Bundesrecht gestützt werden. Zwar kann nach § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO die Revision auch auf die Verletzung von Landesrecht gestützt werden. Dazu ist es nach der Rechtsprechung des BFH jedoch nicht ausreichend, wenn lediglich der Finanzrechtsweg eröffnet ist. Erforderlich ist es vielmehr, daß insgesamt die FGO bzw. die Vorschriften des Unterabschnitts der FGO über die Revision (§§ 115 ff. FGO) für anwendbar erklärt worden sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 176, 276, BStBl II 1995, 432, 435, m. w. N.). Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über landesrechtlich geregelte Abgabenangelegenheiten des Landes Sachsen ist zwar nach § 22 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung von Verfahrensgesetzen vom 24. Mai 1994 - Sächsisches Verfahrensausführungsgesetz - (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl -, S. 1009) der Finanzrechtsweg gegeben, nicht aber die FG im bezeichneten Sinne durch Landesrecht für anwendbar erklärt worden. Auch § 11 Abs. 2 des Gesetzes über Spielbanken im Freistaat Sachsen vom 9. Dezember 1993 (GVBl, S. 1156) ordnet lediglich eine entsprechende Anwendung der Abgabenordnung (AO 1977), nicht aber auch der FGO an. Die Voraussetzungen für eine Revisibilität der abgabenrechtlichen Vorschriften der Spielcasinoverordnung DDR nach § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO sind damit nicht erfüllt. Die Rechtsmaterie kann folglich auch nicht für die Zeit vor dem Wirksamwerden des Beitritts wie revisibles Recht behandelt werden.

Die Auffassung des FG, daß die Festsetzung der Spielcasinoabgabe nach § 3 der Spielcasinoverordnung DDR rechtmäßig ist, kann daher vom Senat nicht überprüft werden.

b) Das FG stützt seine Entscheidung auch darauf, daß - entgegen der klägerischen Behauptung - das ministerielle Schreiben vom 5. April 1990 der Erhebung der Spielbankabgabe in der vom FA festgesetzten Höhe nicht entgegengestanden habe. Insoweit ist das FG-Urteil verfahrensfehlerhaft zustandegekommen.

Das FG hat dadurch gegen § 76 Abs. 1 FGO verstoßen, daß es bei seiner Entscheidung das Ergebnis seiner Anfrage beim Sächsischen Staatsministerium der Finanzen bezüglich des dem Schreiben vom 5. April 1990 zugrundeliegenden Antrags nicht zum Anlaß für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen genommen hat.

Die Klägerin hat schlüssig Tatsachen vorgetragen, die - ihre Richtigkeit unterstellt - den von ihr gerügten Verstoß des FG gegen § 76 FGO ergeben (§ 120 Abs. 2 FGO). Auch sachlich hat diese Verfahrensrüge Erfolg. Nach § 76 Abs. 1 erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Ausgehend von der eigenen Auffassung des FG ist der Inhalt und die Bedeutung des ministeriellen Schreibens vom 5. April 1990 nicht ohne Kenntnis vom Inhalt des Antrags zu beurteilen. Daraus folgt, daß das FG von Amts wegen verpflichtet war, den Inhalt dieses Antrags zu ermitteln. Das FG hat daher zutreffend eine entsprechende Anfrage an das Sächsische Staatsministerium der Finanzen gestellt. Es hätte jedoch dann folgerichtig das Ergebnis dieser Anfrage abwarten und dieses bei seiner Entscheidung verwerten müssen. Führte die Anfrage - wie dann geschehen - zu keinem Ergebnis, hätten sich ihm von Amts wegen weitere Ermittlungen zur Feststellung des Inhalts des Antrags aufdrängen müssen. Zumindest eine Anfrage bei der X-AG - wie dies von der Klägerin angeregt war - hätte nahegelegen, zumal die Klägerin dargelegt hat, daß sie auf deren Akten keinen unmittelbaren Zugriff hat.

Auf die Geltendmachung dieses Verfahrensmangels hat die Klägerin nicht durch die rügelose Einlassung auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Wenn das FG, ohne das Ergebnis seiner Anfrage abzuwarten, die Sache als entscheidungsreif behandelte, so konnte die Klägerin nicht damit rechnen, daß das FG gleichwohl die Kenntnis vom Inhalt des Antrags für entscheidungserheblich halten würde. Für die Klägerin bestand deshalb kein Anlaß, eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu beantragen. Die Entscheidung des FG beruht auch auf diesem Verfahrensmangel. Das FG stützt seine Entscheidung darauf, daß die Festsetzung der Spielbankabgabe trotz des ministeriellen Schreibens nicht rechtswidrig war. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß das FG bei Kenntnis des Inhalts des Antrags zu einer anderen Auffassung gelangt wäre. Die nach Auffassung des FG zur Auslegung des Schreibens erforderliche Kenntnis vom Inhalt des Antrags könnte nicht nur zu dem - auch vom FG für möglich gehaltenen - Ergebnis führen, daß der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt und der Sachverhalt, von dem das ministerielle Schreiben ausging, übereinstimmen. Darüber hinaus kann der Inhalt des Antrags auch von Bedeutung sein für die rechtliche Qualifizierung des ministeriellen Schreibens, das vom FG bisher nur unter dem Aspekt einer verbindlichen Auskunft oder Zusage gewürdigt wurde. Der Inhalt des Antrags kann darüber hinaus Aufschlüsse darüber geben, warum in dem Schreiben die Formulierung "staatlichen Konzessionär" verwendet wurde. Dadurch kann das FG möglicherweise auch insoweit zu einer anderen als der bisher von ihm getroffenen Auslegung des Schreibens kommen. Ausgehend von der Rechtsauffassung des FG selbst ist es daher zumindest möglich, daß es bei Kenntnis vom Inhalt des Antrags das Schreiben dahingehend ausgelegt hätte, daß dieses der Erhebung der Spielbankabgabe im vom FA geltend gemachten Umfang entgegenstehe. Da die Vorentscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhe, war sie aufzuheben.

c) Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Dem Senat ist schon deswegen eine Entscheidung über die Frage verwehrt, ob das ministerielle Schreiben der Erhebung der Spielbankabgabe in der festgesetzten Höhe entgegenstand, weil die Beantwortung dieser Frage eine ihm verwehrte inhaltliche Auseinandersetzung mit der insgesamt nicht revisiblen Regelungsmaterie des Spielbankabgabenrechts der ehemaligen DDR erfordert. Bei seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang über die Wirkung des ministeriellen Schreibens wird das FG u.a. auch zu prüfen haben, ob dieses als - rechtmäßiger oder rechtswidriger - Verwaltungsakt im Vollzug der damals geltenden Anordnung über die Erhebung einer Spielcasinosteuer vom 27. März 1990 (GBl I, S. 217) anzusehen ist und wie sich ggf. die Ersetzung der Anordnung durch die Spielcasinoverordnung DDR auf diesen Verwaltungsakt ausgewirkt hat.