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  BFH-Urteil vom 15.9.1994 (XI R 20/93) BStBl. 1996 II S. 609

1. Von Handwerksbetrieben im Beitrittsgebiet ist ab 1. Juli 1990 Gewerbesteuer nach Maßgabe des GewStG DDR zu erheben.

2. Arbeitsverhältnisse, die Eheleute im Beitrittsgebiet begründet haben, sind im 2. Halbjahr 1990 steuerrechtlich nach denselben Grundsätzen anzuerkennen wie im übrigen Bundesgebiet.

EStG § 58 Abs. 2 Satz 2; EStG DDR § 15 Nr. 2; GewStG 1936 § 8 Nr. 5; GewStG DDR § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 8 Nr. 5, § 22 Abs. 1; StÄndG DDR § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 2; StAnpG DDR § 20 Abs. 3; HdwStG vom 16. März 1966 § 1 Abs. 1; Besteuerungsrichtlinie DDR § 7; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1; Einigungsvertrag Art. 8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1

Vorinstanz: BezG Erfurt, Senate für Finanzrecht (EFG 1993, 595)

Sachverhalt

A.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit dem 1. Juli 1989 im Beitrittsgebiet eine Bäckerei. Zwischen ihm und seiner Ehefrau, mit der er seit dem 3. Oktober 1990 im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, wurde am 3. September 1990 ein Arbeitsvertrag über die Mitarbeit der Ehefrau in der Bäckerei geschlossen. In der Jahreserklärung der Eheleute für Steuern der Handwerker im Beitrittsgebiet für den Besteuerungszeitraum 1990 erklärte der Kläger für das 2. Halbjahr 1990 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM, der eine in der Bilanz zum 31. Dezember 1990 nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer vom 6. März 1990 - StÄndG DDR - (Gesetzblatt - GBl - I 1990, 136) zum Zwecke der Akkumulation gebildete Rücklage in Höhe von ... DM sowie eine auf seine Ehefrau entfallende Tätigkeitsvergütung als sog. Gewinnanteil des mitarbeitenden Ehegatten in Höhe von ... DM enthielt. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages kürzte er den erklärten Gewinn um die Tätigkeitsvergütung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht. Er rechnete dem Gewinn den entsprechenden Betrag unter Berufung auf § 7 der Anordnung der DDR über die Besteuerung der Gewerbetreibenden, selbständig tätigen und anderen steuerpflichtigen Bürgern (Besteuerungsrichtlinie DDR) vom 24. August 1979 (GBl-Sonderdruck Nr. 1016) hinzu und setzte die zusammengefaßte Steuerrate für 1990 hiernach abweichend von der Steuererklärung auf ... M/DM fest.

Mit seiner nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage wandte der Kläger sich dagegen, daß die an seine Ehefrau geleistete Tätigkeitsvergütung sowie die Akkumulationsrücklage, soweit sie in Höhe von ... DM auf das 2. Halbjahr 1990 entfiel, in die Berechnung des Gewerbeertrages einbezogen worden waren. Das Bezirksgericht - BezG - (nunmehr Finanzgericht - FG -) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 595 teilweise wiedergegebenen Gründen statt. Es vertrat die Auffassung:

1. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau sei steuerlich anzuerkennen. Der Kläger und seine Ehefrau seien - wovon auch das FA ausgehe - im Streitjahr keine Mitunternehmer gewesen. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau erfülle die für die steuerliche Anerkennung solcher Verträge bestehenden besonderen Anforderungen. § 7 der Besteuerungsrichtlinie DDR stehe dem ebenso wie § 8 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes der DDR (GewStG DDR) vom 18. September 1970 (GBl-Sonderdruck Nr. 672) nicht entgegen. Soweit Ehegatten-Arbeitsverhältnisse danach steuerlich nicht anzuerkennen seien, verstießen diese Vorschriften gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und seien verfassungswidrig. Der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedürfe es nicht, um dies feststellen zu können. Sowohl bei § 7 der Besteuerungsrichtlinie DDR als auch bei § 8 Nr. 5 GewStG DDR handele es sich um vorkonstitutionelles Recht (s. dazu auch Urteil des BezG Erfurt, Senate für Finanzrecht, vom 7. April 1993 II K 13/93, EFG 1993, 597).

2. Auch die Akkumulationsrücklage nach § 3 Abs. 2 StÄndG DDR mindere den vom Kläger erwirtschafteten Gewinn. Es handele sich hierbei um eine Gewinnermittlungsvorschrift, die sich auf den Gewerbeertrag auswirke.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Einbeziehung der Akkumulationsrücklage in Höhe von ... DM bei der Berechnung des Gewerbeertrages für 1990 richtet.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

B.

Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof (BFH) nach § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu. Für Sachen, für die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) die FG zuständig sind, sind (zunächst) im Beitrittsgebiet die für Finanzrecht eingerichteten Senate der BezG zuständig (Art. 8 mit Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Buchst. a Abs. 3 Buchst. t und v des Einigungsvertrages). Gegen das Urteil des BezG - Senate für Finanzrecht - ist daher die Revision zum BFH statthaft.

C.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG hat zwar rechtsfehlerfrei § 3 Abs. 2 StÄndG DDR als Gewinnermittlungsvorschrift beurteilt und das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dessen Ehefrau steuerrechtlich anerkannt. Die Vorentscheidung ist aber auf die Verfahrensrüge des FA hin aufzuheben, weil Feststellungen des FG dazu fehlen, auf welchen Zeitraum sich die vom Kläger gewinnmindernd geltend gemachte Tätigkeitsvergütung an die Ehefrau bezog.

I. Anwendbarkeit und Revisibilität des im Beitrittsgebiet im 2. Halbjahr 1990 fortgeltenden Rechts der DDR

1. Art. 8 des Einigungsvertrages i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 bestimmt, daß das Recht der Besitz- und Verkehrsteuern der ehemaligen DDR und damit auch das Gewerbesteuergesetz der DDR auf den Veranlagungszeitraum 1990 weiter anzuwenden ist. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift im Einigungsvertrag trat das Recht der Bundesrepublik u.a. auf dem Gebiet des Rechts der Besitz- und Verkehrsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer (erst) am 1. Januar 1991 in Kraft. Für die Steuern, die vor dem 1. Januar 1991 entstanden, war nach Satz 2 der Regelung das bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet geltende Recht weiter anzuwenden. Diese bundesgesetzliche Anordnung der (befristeten) Weiteranwendung des Steuerrechts der DDR ist als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. B.I.1. des Senatsurteils vom 15. März 1994 XI R 10/93, BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, m. w. N.).

2. Das danach im Streitfall maßgebliche Steuerrecht der DDR ist revisibles Recht i.S. des § 118 FGO, das vom erkennenden Senat überprüft werden kann. Es handelt sich um partielles (partikulares) Bundesrecht. Die (befristete) Weiteranwendung des Steuerrechts der DDR beruht auf einer Anordnung des Gesetzgebers des Bundes. Die entsprechenden Regelungen der DDR sind ihm daher zuzurechnen. Sie sind revisionsrechtlich nicht - wie vor dem Beitritt - analog ausländischem Recht zu behandeln, sondern wie partielles Bundesrecht. Als solches sind die Regelungen auf Inhalt und Anwendbarkeit und auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem GG zu überprüfen, unabhängig davon, ob der Besteuerungstatbestand vor oder nach dem Beitritt erfüllt worden ist. Der erkennende Senat verweist auch insoweit auf sein Urteil in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, m. w. N.

II. Gewerbesteuerpflicht von Handwerkern im Beitrittsgebiet im 2. Halbjahr 1990

1. Ein Handwerksbetrieb, wie er im Streitfall unterhalten wird, unterlag im Beitrittsgebiet im 2. Halbjahr 1990 nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 GewStG DDR der Gewerbesteuer.

2. Das Gewerbesteuergesetz der DDR war auf private Handwerksbetriebe im Beitrittsgebiet im 2. Halbjahr 1990 anwendbar. Zwar unterfielen "individuell arbeitende Handwerker" nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes der DDR über die Besteuerung der Handwerker (HdwStG DDR) vom 16. März 1966 (GBl I 1966, 71; Sonderdruck Nr. 537) mit ihren Erträgen aus handwerklicher Tätigkeit allein der Handwerksteuer. Diese setzte sich zusammen aus der Gewinnsteuer, der Umsatzsteuer und der Lohnsummensteuer (§ 3 Abs. 1 Satz 1 HdwStG DDR). Gewerbesteuer nach dem - ansonsten unverändert fortgeltenden - Gewerbesteuergesetz der DDR wurde daneben nicht erhoben. Die Handwerksteuer stellte vielmehr eine Steuer eigener Art dar, die der Gewerbesteuer sondergesetzlich vorging. Dies ergab sich ausdrücklich aus den Vorgängergesetzen zu dem Gesetz der DDR über die Besteuerung der Handwerker aus § 14 des Gesetzes der DDR über die Steuer des Handwerks vom 6. September 1950 (GBl I 1950, 967) sowie aus § 4 Abs. 1 und 2 des Gesetzes der DDR über die Besteuerung des Handwerks vom 12. März 1958 (GBl I 1958, 262). Das Gesetz der DDR über die Besteuerung der Handwerker ist jedoch (ebenso wie die hierzu ergangene Durchführungsbestimmung) mit Wirkung vom 1. Juli 1990 durch das Gesetz der DDR zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland (Steueranpassungsgesetz - StAnpG DDR -) vom 22. Juni 1990 (GBl-Sonderdruck Nr. 1427) außer Kraft gesetzt worden (vgl. § 20 Abs. 3, 14. und 15. Spiegelstrich StAnpG DDR). Damit traten das Gewerbesteuergesetz der DDR und mit ihm die Gewerbesteuerpflicht der Handwerker wieder uneingeschränkt an dessen Stelle (zur bloßen Suspension des ansonsten fortgeltenden und nicht endgültig aufgehobenen Gesetzes s. allgemein Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., § 27 I; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, S. 150 f.). Die bislang gebotene (und auch im Gesetz der DDR zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer vom 6. März 1990 noch enthaltene) Differenzierung zwischen Handwerks- und Gewerbebetrieben wurde hinfällig. Daß das Gewerbesteuergesetz der DDR nach Fußnote 1 zu § 2 GewStG DDR u.a. auf "private Handwerker" keine Anwendung findet, steht dem nicht entgegen. Soweit dies geltend gemacht wird, wird verkannt, daß die Anmerkung in der Fußnote lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage nach dem - aufgehobenen - Gesetz der DDR zur Besteuerung der Handwerker beinhalten kann. Weitergehende konstitutive Wirkung kommt dem nicht zu. Die seit dem 1. Juli 1990 bestehende Gewerbesteuerpflicht der Handwerksbetriebe scheitert schließlich nicht an einem überkommenen Begriffsverständnis im Steuerrecht der DDR, wonach Handwerksbetriebe nicht als Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes der DDR zu verstehen wären. Sollte solch ein Begriffsverständnis tatsächlich bestanden haben, so hätte dies seine Begründung in der besonderen, für Handwerker geltenden Gesetzeslage gehabt. Mit Aufhebung des Gesetzes der DDR zur Besteuerung der Handwerker käme dem keine Bedeutung mehr zu (ebenso FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 30. Juni 1993 1 K 95/93 G, EFG 1993, 683; FG Leipzig, Urteil vom 15. Juni 1993 1 K 46/92, EFG 1993, 576 unter 2. der Entscheidungsgründe; s. auch Tz. I.4. der Arbeitshinweise des Ministeriums der Finanzen der DDR für die Finanzämter zur Änderung steuerlicher Rechtsvorschriften ab 1. Juli 1990, BStBl I 1990, 333).

3. Es ist auch rechtmäßig, daß das FA die Gewerbesteuer vom 1. Juli 1990 an erhoben hat. Allerdings ist in § 22 Abs. 1 GewStG DDR bestimmt, daß die Steuer, wenn ein Gewerbebetrieb im Laufe des Erhebungszeitraums neu gegründet wird oder wenn ein bereits bestehender Gewerbebetrieb infolge Wegfalls des Befreiungsgrundes in die Steuerpflicht eintritt, erst vom Beginn des Monats an zu erheben ist, der auf den Eintritt in die Steuerpflicht folgt. Da bereits bestehende Handwerksbetriebe in der ehemaligen DDR nach der durch § 20 Abs. 3 14. Spiegelstrich StAnpG DDR erfolgten Aufhebung des Gesetzes der DDR zur Besteuerung der Handwerker mit Wirkung vom 1. Juli 1990 in die Gewerbesteuerpflicht eintraten, könnte sich hieraus ergeben, daß die Gewerbesteuer vom Beginn des folgenden Monats, also vom 1. August 1990 an, zu erheben wäre (so FG Leipzig, Urteil vom 15. Juli 1993 2 K 12/93, EFG 1993, 808; M. Schulz, DDR spezial 7/1992 vom 14. Februar 1992, 2, 5; anders demgegenüber die Finanzverwaltung mit der Erwägung, daß der Beginn der Steuerpflicht hier mit dem Beginn des Monats Juli 1990 zusammenfalle und Gewerbesteuer für volle Monate zu entrichten sei, vgl. Oberfinanzdirektion - OFD - Magdeburg, Verfügung vom 13. April 1993 G 1351-10-St 233, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Gewerbesteuergesetz, Vor § 1 Nr. 14, dort unter 2. b). Der Senat versteht § 20 Abs. 3 StAnpG DDR jedoch als konstitutive Vorschrift, durch die die DDR ihren in dem Vertrag über die Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der Bundesrepublik eingegangenen Verpflichtungen (vgl. Art. 31 Abs. 1 des Vertrages über die Währungsunion i.V.m. III. Nr. 4 der Anlage IV) entsprach und bislang in der DDR geltende steuerliche Vorschriften änderte oder ergänzte. Dies sollte mit Wirkung vom 1. Juli 1990 an geschehen, ohne daß nach Aufhebung des Gesetzes der DDR zur Besteuerung der Handwerker Besteuerungslücken entstanden. "§ 20 Abs. 3 StAnpG DDR stellt sich somit im Verhältnis zu § 22 Abs. 1 GewStG DDR als Sondervorschrift dar, die den sich nach allgemeinem Gewerbesteuerrecht ergebenden Erhebungsbeginn vorverlegt (vgl. ebenso Senatsurteil in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, zum Eintritt von Einzelhändlern in die Gewerbesteuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz der DDR).

III. Akkumulationsrücklage

Die nach § 3 Abs. 2 StÄndG DDR gebildete Akkumulationsrücklage wirkt sich im 2. Halbjahr 1990, soweit sie auf diesen Zeitraum entfällt, auf den Gewinn (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes der DDR - EStG DDR - vom 18. September 1970, GBl-Sonderdruck Nr. 670) und damit auch auf den Gewerbeertrag (§ 7 Abs. 1 GewStG DDR) aus. Wegen der Gründe hierfür wird auf das Senatsurteil in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813 Bezug genommen.

IV. Ehegatten-Arbeitsverhältnis

Ehegatten-Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet können bei Vorliegen der hierfür erforderlichen besonderen Voraussetzungen im 2. Halbjahr 1990 steuerrechtlich anerkannt werden. Die an den mitarbeitenden Ehegatten geleisteten Tätigkeitsvergütungen stellen dann Betriebsausgaben dar.

1. Der der Ermittlung des Gewerbeertrages i.S. von § 7 GewStG DDR zugrundezulegende Gewinn aus Gewerbeertrag bestimmte sich für den Kläger im 2. Halbjahr 1990 nach §§ 5 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 3 EStG DDR i. d. F. des Steueranpassungsgesetzes der DDR. Nach § 7 der hierzu ergangenen Besteuerungsrichtlinie können Arbeitsverträge zwischen Ehegatten nicht anerkannt werden. Davon geht auch § 2 StÄndG DDR aus, wonach das Einkommen der Ehegatten getrennt (§ 2 Abs. 1 StÄndG DDR) und bei Mitarbeit des einen Ehegatten im Betrieb des anderen der auf die Arbeitsleistung entfallende Anteil am Gesamteinkommen in Höhe des Lohnes einer vergleichbaren Arbeitskraft nach dem Steuergrundtarif A besteuert wird (§ 2 Abs. 2 StÄndG DDR). In Übereinstimmung damit wurden zwischen Ehegatten bestehende Arbeitsverhältnisse bis zum 30. Juni 1990 steuerlich nicht anerkannt. Die dem Ehegatten auf Grund solcher Vertragsverhältnisse gewährten Vergütungen waren "Privateinnahmen und Einkünfte des sie gewährenden Ehegatten" (so für die Besteuerung der Handwerker § 5 der durch § 20 Abs. 3 19. Spiegelstrich StAnpG DDR zum 1. Juli 1990 aufgehobenen Anordnung der DDR über die Steuerveranlagung der Handwerker; Veranlagungsrichtlinien ab 1966 - HdW DDR - vom 17. März 1966, GBl-Sonderdruck Nr. 537). Der auf den mitarbeitenden Ehegatten entfallende Arbeitslohn war hiernach als Anteil am Gesamteinkommen zu erfassen. Er wurde zwar einer Tarifvergünstigung (Tarif A) unterworfen, minderte das Gesamteinkommen beider Ehegatten und mithin den Gewinn aus Gewerbebetrieb des Arbeitgeber-Ehegatten aber nicht.

2. § 7 der Besteuerungsrichtlinie DDR knüpfte an die bis zum 2. Oktober 1990 geltenden familienrechtlichen Regelungen des Familiengesetzbuches der DDR (FGB DDR) vom 20. Dezember 1965 (GBl I 1966, 1) an. Gesetzlicher Güterstand war danach (§§ 13 ff. FGB DDR) die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft, eine Art Errungenschaftsgemeinschaft. Verträge zwischen Ehegatten, insbesondere Arbeitsverträge, wurden nicht anerkannt, weil die im Betrieb eines Ehegatten eingesetzten Wirtschaftsgüter wegen der Mitarbeit des anderen Ehegatten als gemeinschaftliches Eigentum angesehen wurden (vgl. dazu im einzelnen z.B. Stuhrmann, DDR spezial 50/91 vom 13. Dezember 1991, 1; Oppermann, DDR spezial 27/92 vom 3. Juli 1992, 1; s. auch Kommentar zum Familiengesetzbuch der DDR vom 20. Dezember 1965 und zum Einführungsgesetz zum Familiengesetzbuch der DDR vom 20. Dezember 1965, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 5. Aufl. 1982, Anm. 1.2.1 zu § 13 FGB DDR; Hahn, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1992, 362, 365). Etwas anderes galt nur dann, wenn lediglich der eine Ehegatte als Inhaber tätig war und der andere in nur untergeordnetem Umfang mithalf oder einen anderen Beruf ausübte (Kommentar zum Familiengesetzbuch der DDR, a.a.O., Anm. 2.6. zu § 13 FGB DDR; Hahn, ebd.). Der Senat braucht im Streitfall nicht darauf einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen im Hinblick auf den gesetzlichen Güterstand der DDR eine Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Nr. 2 EStG DDR bzw. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegeben sein kann (vgl. insoweit Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 15 Anm. 63 c m. w. N. zu den entsprechenden steuerlichen Grundsätzen bei der Gütergemeinschaft in Anm. 63 b unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 2. Oktober 1980 IV R 42/79, BFHE 131, 497, BStBl II 1981, 63 zur güterrechtlichen Errungenschaftsgemeinschaft nach §§ 1519 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - a.F.; ferner Stuhrmann, DDR spezial 50/91 vom 13. Dezember 1991, 1, 2; ders., Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 3, S. 8473; Broudre, Der Betrieb - DB - 1992, 447; Hahn, DStZ 1992, 362, 370; Freyberg, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1992, 1054; ders., Die Steuerberatung - Stbg - 1992, 129; Oppermann, DDR spezial 27/92 vom 3. Juli 1992, 1 ff.; s. auch M. Schulz, DDR spezial 21/92 vom 22. Mai 1992, 1 ff., Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 17. Juni 1991 IV B 2 - S 1901 - 96/91, BStBl I 1991, 598, dort unter 7.3; vom 15. September 1992 IV B 2 - S 1901 - 170/92, BStBl I 1992, 542). Das FG hat festgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Mitunternehmerschaft nicht vorlagen, sondern, daß der Kläger mit seiner Ehefrau einen wirksamen Arbeitsvertrag abgeschlossen und diesen auch tatsächlich durchgeführt hatte. Ein steuerrechtlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis wirkte sich bei der Einkommensbesteuerung bis zum 31. Dezember 1990 zwar nur im Rahmen des § 2 StÄndG DDR aus. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 GewStG DDR war das an den mitarbeitenden Ehegatten geleistete Arbeitsentgelt unter den genannten Voraussetzungen aber ab 1. Juli 1990 als Betriebsausgabe abzuziehen (im Ergebnis ebenso Freyberg, DStR 1992, 1054; M. Schulz, DDR spezial 7/92 vom 14. Februar 1992, 2, 4; ders., DDR spezial 21/92 vom 22. Mai 1992 1 ff.).

Soweit § 7 der Besteuerungsrichtlinie DDR dem entgegensteht, genügt diese Regelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes, an denen die Vorschrift im 2. Halbjahr 1990 zu messen ist (s. auch BFH-Urteil in BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630 zum Grunderwerbsteuergesetz der DDR; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 1992 VIII ZR 91/91 (KG), Neue Juristische Wochenschrift 1993, 259), nicht (Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. auch BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290, BStBl I 1962, 492 zu § 8 Nr. 5 GewStG a.F.). Sie ist insoweit unwirksam. Darüber kann der Senat selbst befinden. Einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht. Die Pflicht zur Einholung einer Entscheidung des BVerfG besteht nur dann, wenn es sich bei der zur Nachprüfung gestellten entscheidungserheblichen Norm um ein formelles Gesetz handelt (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z.B. Beschlüsse vom 27. Juli 1971 2 BvL 9/70, BVerfGE 31, 357, 362 ff.; vom 1. März 1978 1 BvL 20/77, BVerfGE 48, 40, 44 ff.; vom 12. Juni 1979 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, 1). Die Besteuerungsrichtlinie der DDR ist aber kein Gesetz, sondern lediglich eine aufgrund des § 12 Abs. 1 der Abgabenordnung DDR (AO DDR) i. d. F. vom 18. September 1970 (GBl-Sonderdruck Nr. 681) ergangene, vom Minister der Finanzen der DDR erlassene Durchführungsbestimmung. Daß diese Bestimmung ausnahmsweise gesetzesgleichen Charakter erlangt hätte, ist nicht ersichtlich.

3. Die an den Ehegatten geleistete Arbeitsvergütung ist dem Gewinn aus Gewerbebetrieb bei der Ermittlung des Gewerbeertrages auch nicht nach § 8 Nr. 5 GewStG DDR hinzuzurechnen. Diese Vorschrift, die für die Zeit der Fortgeltung des Gewerbesteuergesetzes der DDR im 2. Halbjahr 1990 den Voraussetzungen des Grundgesetzes entsprechen muß, ist wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG verfassungswidrig; insoweit gilt das Urteil in BVerfGE 13, 290, BStBl I 1962, 492; durch welches das BVerfG § 8 Nr. 5 GewStG vom 1. Dezember 1936 (RGBl I 1936, 979) i. d. F. vom 21. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 473) für nichtig erklärt hat. Der erneuten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht. Bei § 8 Nr. 5 GewStG DDR handelt es sich nicht um eine bloße Parallelvorschrift (vgl. dazu z.B. Rennert in Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 31 Rdnr. 66; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., § 20 V Rdnr. 85) zu § 8 Nr. 5 GewStG a.F., sondern um dieselbe Rechtsvorschrift des Gewerbesteuergesetzes vom 1. Dezember 1936, die von den jeweiligen Gesetzgebern lediglich neu bekanntgemacht worden ist (vgl. einerseits Gewerbesteuergesetz i. d. F. vom 21. Dezember 1954; andererseits Gewerbesteuergesetz der DDR nach Maßgabe des Beschlusses des Ministerrats der DDR über die Bekanntmachung der Neufassung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Steuern und Abgaben vom 18. September 1970, GBl Sonderdruck 672 i.V.m. dem Beschluß der Volkskammer der DDR zur Neufassung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Steuern und Abgaben vom 16. September 1970, GBl I 1970, 361). § 8 Nr. 5 GewStG DDR wird deshalb zu Recht von der Finanzverwaltung nicht angewandt (Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom 9. September 1991, BStBl I 1991, 896).

4. Die Feststellungen der Vorinstanz lassen eine abschließende Entscheidung des Senats nicht zu. Das FG wird im zweiten Rechtsgang der Frage nachzugehen haben, ob die vom Kläger und seiner Ehefrau in der Jahreserklärung angegebene Tätigkeitsvergütung der Ehefrau sich auf den Zeitraum vom 3. September bis 31. Dezember 1990 bezieht; denn nur für diesen Zeitraum ist das Arbeitsverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen. Vorsorglich wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der Abschluß des Ehegatten-Arbeitsverhältnisses am 3. September 1990 nicht deshalb rechtsunwirksam war, weil die Finanzverwaltung der DDR solche Verträge nicht anerkannte. Der Senat geht davon aus, daß Ehegatten-Arbeitsverträge dessen ungeachtet möglich gewesen sind (vgl. auch Hahn, DStZ 1992, 362, 367).