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  BFH-Urteil vom 29.5.1996 (III R 49/93) BStBl. 1996 II S. 654

Der Adressat eines Bescheides über Lohnsteuer-Jahresausgleich ist bei Festsetzung der Jahreslohnsteuer auf 0 DM nicht beschwert, wenn in dem Bescheid außergewöhnliche Belastungen niedriger als erklärt ausgewiesen werden und die außergewöhnlichen Belastungen im Verfahren eines Angehörigen zur Gewährung von Leistungen nach dem BAföG geltend gemacht werden sollen (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 20. Dezember 1994 IX R 124/92, BFHE 176, 409, BStBl II 1995, 628).

FGO § 40 Abs. 2, BAföG § 21 Abs. 1, § 24 Abs. 2, § 25 Abs. 6.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Für die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute mit vier Kindern, wurde für das Jahr 1988 (Streitjahr) ein Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) errechnete im Bescheid vom 10. Juli 1990 ein zu versteuerndes Einkommen von 2.031 DM und eine Jahreslohnsteuer von 0 DM. Die einbehaltene Lohnsteuer wurde in voller Höhe erstattet. Gegen den Bescheid wandten sich die Kläger im Einspruchsverfahren mit der Begründung, die Kosten für die Anschaffung und behindertengerechte Umrüstung eines PKW seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Das FA verwarf den Einspruch mangels Beschwer als unzulässig.

Im anschließenden Klageverfahren trugen die Kläger vor, bei steuerlicher Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung hätte ihr Sohn Anspruch auf höhere Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es war der Auffassung, die Kläger seien nicht beschwert, da die in Steuersachen ausgewiesenen Besteuerungsgrundlagen nicht für das Verfahren zur Bewilligung von Leistungen nach dem BAföG bindend seien.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese sinngemäß eine Verletzung des § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rügen. Aus § 24 Abs. 2 Satz 3 BAföG gehe hervor, daß die Ämter für Ausbildungsförderung an die in einem Steuerbescheid aufgeführten Besteuerungsgrundlagen gebunden seien. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Sie, die Kläger, hätten daher ein Interesse daran, daß die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung anerkannt werde.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1988 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß eine zusätzliche außergewöhnliche Belastung von 14.580 DM und ein zu versteuerndes Einkommen von 0 DM angesetzt wurde.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Beschwer der Kläger durch den angefochtenen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1988 verneint.

1. Eine auf 0 DM lautende Steuerfestsetzung oder eine Steuererstattung in Höhe der einbehaltenen Lohnsteuer belastet den Steuerpflichtigen in der Regel nicht. Nur ausnahmsweise kann eine Beschwer im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen liegen, und zwar dann, wenn diese für andere Verfahren bindend sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Dezember 1994 IX R 124/92, BFHE 176, 409, BStBl II 1995, 628, sowie IX R 80/92, BFHE 177, 44, BStBl II 1995, 537). Eine derartige Bindung besteht nach dem BFH-Urteil in BFHE 176, 409, BStBl II 1995, 628 sowie nach der dort zitierten Rechtsprechung des BVerwG im Verfahren zur Gewährung von Leistungen nach dem BAföG hinsichtlich der in einem Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen positiven Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Denn der Einkommensbegriff des BAföG richtet sich - von Modifizierungen abgesehen - nach der Summe der positiven Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG). Aus der Regelung in § 24 Abs. 2 Satz 3 BAföG, wonach in bestimmten Fällen über einen Antrag auf Ausbildungsförderung erst nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheids zu entscheiden ist, ist zu folgern, daß die Ämter für Ausbildungsförderung die in einem solchen Bescheid aufgeführten positiven Einkünfte bei der Ermittlung der Ausbildungsförderung zu übernehmen haben.

2. In einem Steuerbescheid aufgeführte außergewöhnliche Belastungen entfalten demgegenüber keine Bindungswirkung. Derartige Aufwendungen stehen zwar im Zusammenhang mit dem Einkommen, aber nicht mit (den davon zu unterscheidenden) Einkünften im Sinne des Einkommensteuerrechts. Außergewöhnliche Belastungen können gemäß § 25 Abs. 6 BAföG zur Vermeidung unbilliger Härten das anrechenbare Einkommen der Eltern und des Ehegatten des Auszubildenden mindern, das - neben anderen Berechnungsgrundlagen - für die Höhe der Ausbildungsförderung maßgebend ist. Hierbei sind die Ämter für Ausbildungsförderung allerdings nicht an die steuerlichen Wertungen der Finanzbehörden gebunden (so z.B. auch Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Oktober 1986 12 B 84 A. 1170, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1987, 752; ebenso Ramsauer/Stallbaum, Kommentar zum Bundesausbildungsförderungsgesetz, 3. Aufl., § 25 Rz. 32). Sie haben vielmehr selbst zu beurteilen, ob Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen sind.

3. Eine Änderung der Höhe der außergewöhnlichen Belastung im angefochtenen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1988 würde somit nicht rechtlich zwingend zu einer erhöhten Ausbildungsförderung für den Sohn der Kläger führen. Ein Ausnahmefall, in dem der Adressat eines Steuerbescheids trotz einer festgesetzten Einkommensteuer oder einer Jahreslohnsteuer von 0 DM beschwert ist, liegt nicht vor.