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  BFH-Urteil vom 8.2.1996 (IV R 24/95) BStBl. 1996 II S. 308

Errichtet ein Landwirt auf Grund und Boden seines Betriebsvermögens aufgrund eines vor dem 1. Januar 1987 gestellten Bauantrags eine Wohnung, die er im Rahmen einer nach dem 31. Dezember 1986 gegründeten Personengesellschaft als Wirtschaftsgut seines Sonderbetriebsvermögens einem anderen Mitunternehmer unentgeltlich zu Wohnzwecken überläßt, so entsteht ein steuerpflichtiger Entnahmegewinn.

EStG § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 13, § 52 Abs. 15 Satz 3 und Satz 7.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1995, 707)

Sachverhalt

Der am 13. Juli 1987 verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war bis zum 30. Juni 1987 Alleininhaber eines Baumschulbetriebs, den er der Klägerin am 1. Juli 1987 unentgeltlich übertragen hatte. Diese führte die Baumschule zunächst als Einzelunternehmen fort. Mit Wirkung zum 1. Juli 1988 errichtete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Sohn eine OHG, die den Baumschulbetrieb seither weiter betreibt. Die Klägerin brachte das Einzelunternehmen zu Buchwerten in die Gesellschaft ein, beließ aber die Grundstücke in ihrem Sonderbetriebsvermögen.

Entscheidungsgründe

Nachdem der verstorbene Ehemann der Klägerin am 29. August 1986 einen Antrag für den Aus- bzw. Umbau des Obergeschosses des ehemaligen Stallgebäudes auf der Hofstelle zu Wohnzwecken ("Einbau einer Altenteilerwohnung und einer Werkwohnung") gestellt hatte, wurde ihm von der zuständigen Baubehörde am 9. Oktober 1986 eine Baugenehmigung erteilt. Im Frühjahr 1987 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Dabei entstanden zwei Wohnungen von 93 qm und 70 qm Wohnfläche, die im November 1988 bezugsfertig wurden. Die Klägerin überließ die größere der beiden Wohnungen unentgeltlich ihrem Sohn und seiner Familie zu eigenen Wohnzwecken; die kleinere Wohnung ist an einen Arbeitnehmer der Baumschule vermietet.

Anläßlich einer bei der OHG durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) u. a. fest, daß die Klägerin zum 1. November 1988 einen Grundstücksanteil von 30 v. H. (270 qm), der der dem Sohn überlassenen Wohnung entsprach, zum Buchwert entnommen und die anteiligen Ausbaukosten gewinneutral ausgebucht hatte. Der Auffassung der Klägerin, der Entnahmegewinn bleibe nach dem Wohneigentumsförderungsgesetz (WohneigFG) vom 15. Mai 1986 (BGBl I, 730, BStBl I, 278) außer Ansatz, folgte das FA nicht, sondern ermittelte einen Entnahmegewinn, der der Klägerin als Vorweggewinn des Wirtschaftsjahres 1988/89 jeweils zur Hälfte zugerechnet wurde. Auf dieser Grundlage ergingen die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1988 und 1989.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 707 veröffentlichten Urteil von einer Entnahme des Grundstücks durch Bebauung zu Wohnzwecken aus, lehnte aber eine Steuerbefreiung nach dem WohneigFG ab.

Mit ihrer dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 52 Abs. 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und trägt vor, Satz 3 dieser Vorschrift begünstige auch die Entnahme der Wohnung im Streitfall. Die Baugenehmigung sei vor dem 1. Januar 1987 beantragt und die Wohnung nach dem 31. Dezember 1986 fertiggestellt worden. Als Betriebsleiterwohnung eines Mitunternehmers werde sie auch zu eigenen Wohnzwecken im Sinne dieser Vorschrift genutzt. Diese Tatbestandsvoraussetzungen müßten nur im Jahr der Fertigstellung vorliegen, so daß es nicht darauf ankomme, ob der Sohn bereits 1986 Mitunternehmer gewesen sei (Hinweis auf Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl. 1991 Rdnr. 458). Schließlich habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91 (BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544) zu § 10 e EStG ausgeführt, der Begriff "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" erfasse nicht nur die unmittelbare Eigennutzung; vielmehr falle auch die Nutzungsüberlassung unter diesen Begriff (Leingärtner/Zaisch, a. a. O., Rdnr. 449).

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zutreffend sind das FG und die Beteiligten davon ausgegangen, daß der dem Sohn der Klägerin überlassene Teil des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen des Gartenbaubetriebs zu entnehmen war, weil er durch die Bebauung zu Wohnzwecken notwendiges Privatvermögen geworden ist. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH (s. zuletzt BFH-Urteile vom 18. November 1986 VIII R 301/83, BFHE 148, 466, BStBl II 1987, 261, und vom 10. Dezember 1992 IV R 115/91, BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342, jeweils m. w. N.).

Der danach entstandene Entnahmegewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) unterliegt auch der Einkommensteuer.

Die Revision ist demgegenüber der Auffassung, der Entnahmegewinn habe gemäß § 52 Abs. 15 Satz 7 EStG außer Ansatz zu bleiben, weil im Streitfall die Übergangsregelung für im Bau befindliche Wohnungen nach § 52 Abs. 15 Satz 3 EStG anzuwenden sei. Die Frage, ob die Klägerin auch den für diesen Fall erforderlichen unwiderruflichen Antrag auf Abwahl der Nutzungswertbesteuerung gestellt hat, kann dahinstehen, weil die Nutzungsänderung des Betriebsgrundstücks nicht dazu geführt hat, daß die neuerrichtete Wohnung in die bis 31. Dezember 1998 fortgeltende Nutzungswertbesteuerung gelangt ist (§ 52 Abs. 15 Satz 2 und 3 EStG); die Nutzungswertbesteuerung konnte daher auch nicht jederzeit bis zum Ablauf dieser Übergangsfrist mit der Folge abgewählt werden (§ 52 Abs. 15 Satz 4 EStG), daß die Wohnung mit dem dazugehörigen Grund und Boden als steuerfrei entnommen gilt (§ 52 Abs. 15 Satz 6 EStG).

2. Entgegen der Auffassung der Revision liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 3 EStG im Streitfall nicht vor. Nach dieser Vorschrift gilt § 52 Abs. 15 Satz 2 EStG entsprechend, d. h. die Nutzungswertbesteuerung kann bis zum 31. Dezember 1998 fortgeführt werden, wenn der Steuerpflichtige auf seinem zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörenden Grund und Boden eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken oder eine Altenteilerwohnung errichtet und erst nach dem 31. Dezember 1986 fertiggestellt hat, der Antrag auf Baugenehmigung aber vor dem 1. Januar 1987 gestellt worden ist und die Wohnung im Jahr der Fertigstellung zu eigenen Wohnzwecken des Steuerpflichtigen oder zu Wohnzwecken des Altenteilers genutzt wird.

a) Im Streitfall hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin zwar am 29. August 1986 einen Antrag auf Baugenehmigung gestellt; dies geschah auch rechtzeitig vor dem durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I, 1093, BStBl I, 224) vom 1. März 1986 auf den 1. Januar 1987 hinausgeschobenen Stichtag. Ebenso unschädlich ist der Eintritt der Rechtsnachfolge zwischen der Stellung des Bauantrags und der Fertigstellung des Gebäudes (s. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 13 EStG grün, S. 12 zu 3.). Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wurde die nach dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung fertiggestellte Wohnung jedoch nicht zu eigenen Wohnzwecken, also als Wohnung der Klägerin oder zu Wohnzwecken eines Altenteilers genutzt. Als Mitunternehmer ist der Sohn der Klägerin zwar Betriebsinhaber und nutzte die ihm überlassene Wohnung zu eigenen Wohnzwecken; diese Eigennutzung kann aber nicht der Klägerin zugerechnet werden, der die Entnahme als Eigentümerin des Grundstücks zuzurechnen ist.

b) Eine Auslegung, die den in § 52 Abs. 15 Satz 3 EStG enthaltenen Begriff der Eigennutzung auch auf unentgeltlich einem Angehörigen oder Mitunternehmer überlassene, nach dem 31. Dezember 1986 fertiggestellte Wohnungen ausdehnt, hält der Senat schon deshalb für unzulässig, weil der Gesetzgeber des WohneigFG die Frage der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung in § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG eigens geregelt und auf den Fall beschränkt hat, daß die überlassene Wohnung im Veranlagungszeitraum 1986 zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört hat und vor diesem Zeitpunkt einem Dritten unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden ist. Eine weitergehende Regelung, die auch eine nach dem 31. Dezember 1986 beginnende Nutzungsüberlassung begünstigt hätte, ist unterblieben. In diesen Fällen ist daher selbst dann von einer steuerpflichtigen Entnahme auszugehen, wenn die Wohnung bereits am Stichtag zum notwendigen Betriebsvermögen gehört hatte (Oberfinanzdirektion Münster vom 2. November 1989, Der Betrieb 1989, 2573). Das FG hat insoweit zutreffend ausgeführt, daß die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 52 Abs. 15 EStG im Ergebnis zu einer weit über den Regelungsinhalt der Vorschrift hinausgehenden Ausdehnung der Übergangsregelungen führen würde, die weder vom Gesetzeswortlaut gedeckt ist, noch dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

c) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf das Urteil des BFH in BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544. Dort hatte der X. Senat des BFH entschieden, daß die an den Begriff der Eigennutzung anknüpfende Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG dem Eigentümer einer hergestellten oder angeschafften Wohnung auch dann zusteht, wenn er diese nicht selbst bewohnt, sondern einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind zur alleinigen Nutzung überläßt. Nach dieser Entscheidung ist die Nutzung der Wohnung durch das Kind dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Ob diese Auslegung, die auf der familienausgerichteten Gestaltung der Förderung von Wohneigentum durch § 10 e EStG beruht (BFH in BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544 zu 1. f), auch auf den Begriff der Eigennutzung in § 52 Abs. 15 Satz 3 EStG übertragen werden könnte, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil die Klägerin die Wohnung ihrem Sohn nicht in Erfüllung ihrer Unterhaltspflichten zur Nutzung überassen hat.

d) Schließlich vermag auch der Umstand, daß die nach dem Stichtag fertiggestellte Wohnung als Betriebsinhaberwohnung durch den Sohn in seiner Eigenschaft als Mitunternehmer genutzt wird, nach Auffassung des Senats keine andere Beurteilung rechtfertigen. Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut läßt sich daraus noch keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken der Klägerin herleiten. Der Senat vermag daher der Auffassung von Leingärtner/Zaisch (a. a. O., Rdnr. 458) nicht zu folgen, die das von der Klägerin erwünschte Ergebnis allein aus dem Begriff der Betriebsleiterwohnung herleiten, der kein Tatbestandsmerkmal des § 52 Abs. 15 Satz 3 EStG ist. Im übrigen stimmen auch Leingärtner/Zaisch (a. a. O., Rdnr. 495) bei Auslegung des Begriffs der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in § 52 Abs. 15 Satz 10 EStG mit der Auffassung des Senats überein. Eine unterschiedliche Auslegung des gleichen Begriffs in verschiedenen Sätzen einer Vorschrift hält der Senat jedoch nicht für zulässig.