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  BFH-Urteil vom 13.3.1996 (VI R 103/95) BStBl. 1996 II S. 375

Die Aufwendungen für die Miete der Wohnung am Beschäftigungsort können dann nicht als Werbungskosten des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung abgezogen werden, wenn der Vater des Steuerpflichtigen der Mieter der Wohnung ist und die Miete auch bezahlt hat.

EStG § 2, § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 5; LStR 1990 Abschn. 43 Abs. 5 Nr. 2 a.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der im Streitjahr 1990 unverheiratete Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte in der Zeit von September 1989 bis Februar 1992 in F eine Berufsausbildung. Anschließend übernahm ihn dasselbe Unternehmen in ein Arbeitsverhältnis. Im Streitjahr 1990 wohnte der Kläger werktags in einer von seinem Vater angemieteten Wohnung in der Nähe seines Beschäftigungsorts. Die Wochenenden verbrachte er regelmäßig in der elterlichen Wohnung in D, wo sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befand.

Der Kläger machte u. a. Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung von 13.195 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte im Einspruchsverfahren die Heimfahrten als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Im übrigen lehnte er den Werbungskostenabzug ab, weil keine vorübergehende Beschäftigung i. S. von Abschn. 43 Abs. 5 Nr. 2 a der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1990 vorliege.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, bei dem Kläger sei eine sog. zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach anzuerkennen, da das Lehrverhältnis auf 2 1/2 Jahre abgeschlossen sei und damit als von vornherein auf längstens drei Jahre befristet angesehen werden könne (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Oktober 1994 VI R 39/93, BFHE 176, 32, BStBl II 1995, 186). Die durch die doppelte Haushaltsführung verursachten Mehraufwendungen für eine Zweitwohnung und Verpflegung seien neben den notwendigen Fahrtkosten anzuerkennen. Dabei spiele es keine Rolle, daß der Vater des Klägers als Mieter in den Vertrag habe eintreten müssen und auch die Miete gezahlt habe. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise könne es für die Abziehbarkeit der Wohnungskosten keinen Unterschied machen, ob der Kläger oder sein Vater zur Zahlung der Miete verpflichtet sei.

Das FA rügt mit seiner Revision sinngemäß eine Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, bei der Einkunftsermittlung nach § 2 EStG sei für die Einbeziehung von Aufwendungen, die ein Dritter getätigt habe, kein Raum.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger trägt vor, daß abweichend von der Feststellung des FG nicht sein Vater, sondern er selbst die Mietkosten getragen habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist zum Teil begründet. Zwar ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß beim Kläger dem Grunde nach die Voraussetzungen der sog. zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung vorgelegen haben. Es hat aber zu Unrecht die vom Vater des Klägers getragenen Aufwendungen für die Miete samt Nebenkosten als Werbungskosten des Klägers berücksichtigt.

1. Es kann im Streitfall offenbleiben, ob die Grundsätze der zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung über das Jahr 1992 hinaus fortgeführt werden können. Wegen der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums in realitätsgerechter Höhe ab dem Jahre 1993 (vgl. dazu Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 3. Dezember 1992 IV B 6 - S 2361 - 75/92, BStBl I 1992, 736) erscheint überprüfungsbedürftig, ob es gerechtfertigt ist, Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung weiterhin in solchen Fällen zu berücksichtigen, in denen ein Steuerpflichtiger tatsächlich nur einen Haushalt, und zwar an seinem Beschäftigungsort, unterhält. Da jedoch im Streitjahr 1990 das tatsächliche Existenzminimum noch nicht in realitätsnaher Weise von der Steuer freigestellt wurde, sind im Interesse der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1994 VI R 136/89, BFHE 175, 548, BStBl II 1995, 184, unter 2. b) für diesen Veranlagungszeitraum weiterhin die Regelungen in Abschn. 43 Abs. 5 LStR 1990 zur zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung zu beachten.

In Übereinstimmung mit der in Abschn. 43 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 a LStR getroffenen Regelung kann von einer vorübergehenden auswärtigen Beschäftigung nur dann ausgegangen werden, wenn die Beschäftigung an demselben auswärtigen Ort von vornherein auf höchstens drei Jahre befristet ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 176, 32, BStBl II 1995, 186). Diese Voraussetzung war im Streitfall entgegen der Auffassung des FA erfüllt. Die Beschäftigung des Klägers war in dem Berufsausbildungsvertrag auf 2 1/2Jahre befristet. Diese Befristung war zwingend. Denn nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Berufsbildungsgesetzes ist eine Vereinbarung, die den Auszubildenden für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung seiner beruflichen Tatigkeiten beschränkt, nichtig.

2. Entgegen der Auffassung des FG kann der Kläger im Rahmen seiner zeitlich befristeten doppelten Haushaltsführung jedoch nur seine eigenen und mithin nicht solche Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 5 EStG) abziehen, die Dritten entstanden sind.

a) Die Ermittlung der Einkünfte i. S. des § 2 EStG ist subjektbezogen. Der IV. Senat des BFH hat mit Urteil vom 23. November 1995 IV R 50/94 (Deutsches Steuerrecht 1996, 298) unter Hinweis auf seinen Vorlagebeschluß vom 9. Juli 1992 IV R 150/90 (BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948) und sein Urteil vom 20. September 1990 IV R 300/84 (BFHE 162, 86, BStBl II 1991, 82) daran festgehalten, daß von diesem Grundsatz auch für Ehegatten keine Ausnahme gilt. Danach kann ein Steuerpflichtiger die Aufwendungen seines Ehegatten nicht als "Drittaufwand" abziehen. Der IX. Senat hat mit Urteil vom 24. April 1990 IX R 9/86 (BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888) seine bisherige Auffassung bestätigt, daß jemand, der eine Eigentumswohnung aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten dinglichen Wohnungsrechts zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt, ohne die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen zu haben, nicht berechtigt ist, Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf das Gebäude in Anspruch zu nehmen. Er hat dementsprechend einer Mutter, deren Sohn ihr unentgeltlich ein dingliches Wohnungsrecht zugewendet hat, den Abzug von AfA versagt.

Allerdings können nach der Rechtsprechung Aufwendungen dann als eigene Betriebsausgaben oder Werbungskosten des Steuerpflichtigen abgezogen werden, wenn ein Dritter dem Steuerpflichtigen einen Geldbetrag zuwenden will und zur Abkürzung des Zahlungsweges Verbindlichkeiten des Steuerpflichtigen begleicht, die diesem aus aufwandsverursachenden Vorgängen entstanden sind (vgl. den Vorlagebeschluß des IV. Senats in BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948, 951, unter B II. 1. d, und S. 953 unter B II. 4. b der Gründe; BFH-Urteil vom 3. April 1987 VI R 91/85, BFHE 149, 572, BStBl II 1987, 623, 625).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist dem Kläger der Abzug der Mietkosten für die Wohnung am Beschäftigungsort als Werbungskosten zu versagen.

Das FG hat festgestellt, daß die Zahlung der Miete durch den Vater erfolgt ist. Diese tatsächliche Feststellung ist für den Senat bindend, da der Kläger in bezug auf sie keine zulässige und begründete Gegenrüge erhoben hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Bei der Behauptung des Klägers in der Revisionserwiderung, die Kosten selbst getragen zu haben, handelt es sich um neues Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann.

Auch der Zuwendungsgedanke rechtfertigt es nicht, die vom Vater getragenen Kosten dem Kläger als eigene Aufwendungen zuzurechnen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines abgekürzten Zahlungsweges liegen nicht vor. Denn der Mietvertrag über die Wohnung am Beschäftigungsort war nicht mit dem Kläger, sondern seinem Vater geschlossen worden. Dieser war der alleinige Schuldner der Miete und hat die Zahlungen mithin zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten gegenüber dem Vermieter erbracht.

3. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb teilweise aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die geltend gemachten Telefonkosten von 483 DM hat das FG zu Recht nicht als Werbungskosten anerkannt. Als weitere Werbungskosten des Klägers im Rahmen seiner zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung sind daher nur die vom FG anerkannten Verpflegungsmehraufwendungen von insgesamt 1.120 DM zu berücksichtigen. Die darüber hinausgehende Klage ist abzuweisen.