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  BFH-Urteil vom 27.3.1996 (I R 49/95) BStBl. 1997 II S. 91

Die auf die Körperschaftsteuer angerechnete Schweizer Verrechnungsteuer mindert die Tarifbelastung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG.

KStG § 27.

Vorinstanz: FG München (EFG 1995, 695)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine inländische GmbH, bezog im Streitjahr 1986 Dividenden aus der Schweiz, von denen 15 % schweizerische Verrechnungsteuer einbehalten worden waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte im Körperschaftsteuerbescheid für 1986 das Einkommen der Klägerin mit 14.450 DM und die Tarifbelastung nach Anrechnung der Verrechnungsteuer mit 3.608 DM fest. Bei der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) zum 31. Dezember 1986 führten diese Feststellungen gemäß § 32 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu eine Aufteilung der Zugänge in das EK 56 und EK 36.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin begehrte, die Schweizer Verrechnungsteuer bei Feststellung der Tarifbelastung außer Ansatz zu lassen, hatten keinen Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 695).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 26 KStG.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision betreffend Feststellung nach § 47 KStG zum 31. Dezember 1986 ist als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FA hat während des Revisionsverfahrens am 2. Januar 1996 einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1986 erlassen. Nach den Ermittlungen der Geschäftstelle des erkennenden Senats hat die Klägerin trotz eines entsprechenden Hinweises im Änderungsbescheid binnen Monatsfrist keinen Einspruch eingelegt. Auch hat sie den Änderungsbescheid nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens erklärt. Damit ist die Revision, die sich noch gegen den geänderten Bescheid richtet, unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Oktober 1994 IV R 26/91, BFH/NV 1995, 245, m. w. N.).

III.

Die Revision betreffend Körperschaftsteuer 1986 ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Die in der Schweiz erhobene und nicht zu erstattende Verrechnungsteuer mindert die im Körperschaftsteuerbescheid festzustellende Tarifbelastung gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 b KStG bzw. § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG in der im Streitjahr noch geltenden Fassung.

1. Tarifbelastung ist die Steuerbelastung, die sich bei Anwendung des tariflichen Steuersatzes abzüglich von Steuerermäßigungen ergibt. Dies folgt aus der Legaldefinition in § 27 Abs. 1 KStG, die unter Tarifbelastung die "eingetretene Belastung des Eigenkapitals" versteht. Festzustellen ist danach die für das festgesetzte zu versteuernde Einkommen tatsächlich festgesetzte Körperschaftsteuer. Daß hierunter nur inländische Körperschaftsteuer zu verstehen ist, ergibt sich aus § 27 Abs. 2 KStG.

Steuerermäßigungen sind tarifäre Steuerminderungen der Tarifbelastung (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 1990 I R 15/88, BFHE 162, 222, BStBl II 1991, 150; vom 28. Mai 1986 I R 102/83, BFHE 147, 57, BStBl II 1986, 762, und vom 9. Oktober 1985 I R 193/84, BFHE 144, 565, BStBl II 1986, 93). Die Systematik des Anrechnungsverfahrens, wonach jede Gewinnausschüttung einer inländischen Kapitalgesellschaft beim Anteilseigner mit einer effektiven steuerlichen Vorbelastung von 9/16 bzw. 3/7 ankommen soll, zwingt zur Berücksichtigung von Steuerermäßigungen bei Feststellung der Tarifbelastung. Ausländische Steuern werden nach geltendem Recht nicht in das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren miteinbezogen (vgl. BTDrucks 12/5016; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b Rdnr. 2, m. w. N.).

2. Die Anrechnung ausländischer Steuern gemäß § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. § 26 Abs. 1 und 6 KStG i. V. m. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ist eine tarifäre Steuerermäßigung (vgl. BFH in BFHE 162, 222, BStBl II 1991, 150). Für § 34c Abs. 1 EStG folgt dies schon aus der amtlichen Überschrift. Gleiches gilt für die entsprechende Vorschrift des § 26 KStG, der im KStG dem mit "Tarif, Besteuerung bei ausländischen Einkunftsteilen" bezeichneten dritten Teil, nicht aber dem Erhebungsverfahren (fünfter Teil des KStG) zugeordnet wird. Wie den Sonderregelungen für ausländische Steuern in § 34c Abs. 1 EStG und § 26 Abs. 1 und 6 KStG zu entnehmen ist, erfaßt § 49 KStG i. V. m. § 36 Abs. 2 EStG nur im Inland erhobene Steuern.

Die Verrechnungsteuer ist auch eine der deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuer entsprechende Steuer i. S. des § 34c EStG, § 26 Abs. 1 und 6 KStG. Entscheidend ist die Identität des Besteuerungsgegenstandes. Die Art und Weise des Steuereinzugs (Veranlagung- oder Abzugsteuer) läßt den allein hier maßgeblichen materiell-rechtlichen Charakter der Steuer unberührt (vgl. z. B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 34c Rdnr. 7; Blümich/Krabbe, Einkommensteuergesetz, § 34c Rdnr. 28; Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 34c EStG Rdnr. 67, vgl. auch Gutachten des Reichsfinanzhofs vom 20. Oktober 1923, GrS D 3/23, RFHE 13, 28). Die Schweizer Verrechnungsteuer wird auf Dividenden und gewisse Zinsen erhoben und entspricht daher ihrer Natur nach der auf Einkünfte aus Kapitalvermögen erhobenen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer (vgl. z. B. Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Schweiz, Art. 28 Rdnr. 14; Handelskammer Deutschland-Schweiz; Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 2.4). Im übrigen ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch die deutsche Kapitalertragsteuer eine Einkommensteuer (vgl. § 43 Abs. 1 EStG).

3. Eine gesetzlich unzulässige Doppelbesteuerung tritt bei Anrechnung der ausländischen Einkommensteuer auf die Tarifbelastung nicht ein.

Eine steuerliche Doppelbelastung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und der der Anteilseigner ist durch das 1977 eingeführte Anrechnungsverfahren ausgeschlossen. Die in der Schweiz bezogenen Dividenden werden ferner nicht unter Verstoß gegen das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) doppelt besteuert, da die Verrechnungsteuer auf die inländische Einkommen- oder Körperschaftsteuer gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz i. V. m. § 26 Abs. 6 KStG i. V. m. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG angerechnet wird. Die Besteuerung von Dividenden, die eine inländische Kapitalgesellschaft an Inländer ausschüttet, wird nicht mehr vom DBA-Schweiz erfaßt (vgl. Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz). Die Tatsache, daß Steuerermäßigungen und -befreiungen, die einer Kapitalgesellschaft zustehen, bei Ausschüttung "verlorengehen", entspricht der Systematik des Anrechnungsverfahrens (vgl. § 27 Abs. 1 KStG). Im Ausgleich hierzu erhält der Anteilseigner eine entsprechende Steuergutschrift. Eine identische steuerliche Behandlung unterschiedlicher Rechtsgestaltungen garantiert Art. 3 des Grundgesetzes nicht.