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  BFH-Urteil vom 21.10.1996 (VI R 46/96) BStBl. 1997 II S. 127

Erhält ein Arbeitnehmer das ihm von seinem Arbeitgeber zugesagte Ruhegeld nur deshalb in ungekürzter Höhe, weil er bei Beginn der Ruhegeldzahlungen dem Arbeitgeber die von diesem geleisteten Beiträge zu einer von der gesetzlichen Rentenversicherung befreienden Lebensversicherung zurückgezahlt hat, hat sich der Arbeitnehmer mit dieser Einmalzahlung aus eigenem Vermögen in die Pensionsregelung seines Arbeitgebers eingekauft. Die vom Arbeitgeber gezahlten Versorgungsbezüge sind insoweit Leibrenten i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG und kein nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbares Ruhegeld, als sie als Ertrag des vom Arbeitnehmer aus seinem Vermögen hingegebenen Kapitals zu beurteilen sind.

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a.

Vorinstanz: Hessisches Finanzgericht (EFG 1996, 823)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt im Streitjahr 1990 neben einer Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) von 14.388 DM Bezüge von seiner früheren Arbeitgeberin, der X-AG, von 65.651 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versteuerte die Rente von der BfA mit dem Ertragsanteil von 24 v. H. (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und die von der X-AG gezahlten Bezüge unter Gewährung eines Versorgungsfreibetrags von 4.800 DM als Ruhegeld i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG. Der Kläger meinte demgegenüber, auch die von der X-AG gezahlten Versorgungsbezüge seien steuerlich als Leibrente zu behandeln, weil er dafür angemessene Beiträge geleistet habe.

Der Kläger hatte am 1. Juni 1949 eine Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Versorgungsunternehmen, der Z-AG, aufgenommen. Er hat dort 13 Jahre gearbeitet und in dieser Zeit Beiträge zu einer Pensionskasse der Z-AG entrichtet. Die Summe seiner Beiträge belief sich in den 13 Jahren auf 4.293 DM.

Seit dem 1. Januar 1963 arbeitete der Kläger bei der X-AG. In seinem Dienstvertrag vom 30. August 1962 wurde bezüglich eines späteren Ruhegeldes in § 7 folgende Vereinbarung getroffen: Dem Kläger wurde ein Ruhegeld nach den Bestimmungen der Ruhegeldordnung eines Verbandes der Gemeinden und Kommunalverbände e. V. zugesagt. Für diese Versorgung wurde der Kläger von der Zahlung weiterer Ruhegeldbeiträge befreit, hatte aber die Verpflichtung, die von ihm an die Pensionskasse der Z-AG bezahlten Beiträge im Falle ihrer Erstattung an die X-AG als einmaligen Ruhegeldbeitrag weiterzuleiten. Der Kläger stellte den ihm ausgezahlten Betrag von 4.293 DM der X-AG zur Verfügung.

Im Jahre 1968 wurde dem Kläger die Möglichkeit zum Abschluß einer befreienden Lebensversicherung eingeräumt. Die X-AG bot dem Kläger an, die Hälfte der Beiträge zu übernehmen. Bei Eintritt des Versicherungsfalles hatte der Kläger die Wahl zwischen der Kapitalisierung und der Verrentung der Versicherungssumme. Wenn er die Kapitalisierung wählte, war er verpflichtet, den von der X-AG geleisteten Beitragsanteil in einer Summe zurückzuzahlen. Im Fall der Verrentung der Versicherungssumme mußte er sich auf die betrieblichen Versorgungsbezüge monatlich 1,25 v. H., jährlich 15 v. H. der Rente anrechnen lassen.

Der Kläger machte von dem Angebot auf Abschluß einer befreienden Lebensversicherung Gebrauch und wählte bei Erreichen der Altersgrenze im Jahr 1988 die Auszahlung der kapitalisierenden Versicherungssumme. Er zahlte an die X-AG deren Beitragsanteil von 58.012 DM zurück.

Am 10. Februar 1978 schloß der Kläger mit der X-AG einen 3. Nachtragsvertrag zu seinem Dienstvertrag (3. Nachtragsvertrag). Nach § 3 der Anlage zu diesem Vertrag wurde dem Kläger ein einheitliches Ruhegeld zugesagt, das sich am laufenden Monatsgehalt seiner Vergütungsgruppe orientiert und das nach der Zahl der Dienstjahre gestaffelt ist.

Der Kläger macht geltend, die Bezüge von der X-AG seien wie eine Leibrente zu besteuern, weil er 4.293,77 DM an die Ruhegeldkasse der X-AG gezahlt habe. Wende man auf dieses Kapital einen Zinssatz von 5,5 v. H. per annum an, so ergebe sich bis zum Beginn seines Ruhestandes eine Summe von 25.267,13 DM. Außerdem müsse berücksichtigt werden, daß er nach Fälligkeit seiner befreienden Lebensversicherung im Jahr 1988 an die X-AG 58.012 DM überwiesen habe. Dieses Geld habe ebenfalls als Grundstock für seine Altersversorgung zur Verfügung gestanden und sei gemäß der Anlage 3 zum Bewertungsgesetz mit dem Faktor 9,3 kapitalmäßig zu bewerten. Es sei zu berücksichtigen, daß er bei einer Auszahlung der Lebensversicherung in Form einer Rente Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG gehabt hätte; die gleiche steuerliche Behandlung müsse - zumindest anteilig - für die Ruhestandsbezüge gelten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied, die Bezüge von der X-AG beruhten auf früheren Dienstleistungen des Klägers und würden unabhängig von eigenen Beiträgen des Klägers gezahlt; sie seien daher nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 823 veröffentlicht.

Der Kläger stützt seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts und eine Divergenz zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Februar 1990 X R 36/86 (BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062). Er ist der Auffassung, die von der X-AG gezahlten Bezüge seien gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG mit einem Ertragsanteil von 24 v. H. zu versteuern. Es handele sich eindeutig um Bezüge, die ganz oder teilweise auf früheren Beitragsleistungen des Bezugsberechtigten i. S. des § 2 Abs. 3 Nr. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung beruhten.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Versorgungsbezüge als Leibrente mit einem Ertragsanteil von 24 v. H. zu versteuern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es hält an der Auffassung fest, der Kläger habe kein eigenes Rentenstammrecht begründet; die Hingabe des einmaligen Ruhegeldbeitrages stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu den späteren Altersbezügen (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1968 VI R 33/66, BFHE 94, 445, BStBl II 1969, 187).

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Auffassung des FG beruht das dem Kläger gezahlte Ruhegeld teilweise auf eigenen Beiträgen des Klägers (Zahlung von 4.293 DM aufgrund des Dienstvertrages vom 30. August 1962 und Rückzahlung der Arbeitgeberbeiträge zur befreienden Lebensversicherung von 58.012 DM). Soweit das von der Arbeitgeberin gezahlte einheitliche Ruhegeld als Ertrag dieser eigenen Beiträge des Klägers zu beurteilen ist, liegen keine Bezüge aus früheren Dienstleistungen i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG, sondern Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG vor.

1. Vom Arbeitgeber zufließende Versorgungsbezüge sind insoweit Leibrenten i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, als sie Ertrag eines vom Arbeitnehmer hingegebenen, auf die Lebenszeit des Bezugsberechtigten verrenteten Kapitals sind. Kauft sich ein Arbeitnehmer mit eigenem Vermögen in eine Pensionsregelung seines Arbeitgebers ein, sind die Versorgungsbezüge ggf. im Schätzungswege in ein nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbares Ruhegeld und in eine nur mit dem Ertragsanteil steuerbare Leibrente aufzuteilen (BFH-Urteil in BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062).

a) Im Streitfall hat der Kläger den von der Z-AG erstatteten Beitrag von 4.293 DM an die X-AG gezahlt, weil er dazu gemäß der Vereinbarung vom 30. August 1962 verpflichtet war. Diese Zahlung ist im 3. Nachtragsvertrag aus dem Jahre 1978 zwar nicht noch einmal ausdrücklich als Bedingung für die Ruhegeldzusage und die Anrechnung von 10 Jahren der bei der Z-AG abgeleisteten Dienstjahre als ruhegehaltsfähige Dienstzeit bezeichnet worden. Doch wirkte die im Jahre 1962 getroffene Vereinbarung entgegen der Auffassung des FG fort. Denn in § 1 Abs. 2 des 3. Nachtragsvertrages ist ausdrücklich bestimmt worden, daß die in § 7 des Dienstvertrages vom 30. August 1962 getroffene Vereinbarung hinsichtlich der Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der Anlage zu diesem Nachtragsvertrag aufrechterhalten wird. In § 1 Abs. 2 Buchst. a des 3. Nachtragsvertrages wird ausdrücklich bestätigt, daß 10 Jahre als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet werden.

b) Die Rückzahlung des Betrags von 58.012 DM, den die X-AG zu der befreienden Lebensversicherung des Klägers gezahlt hat, stellt ebenfalls einen Beitrag aus dem eigenen Vermögen des Klägers dar, mit dem dieser sich in die Pensionsregelung der X-AG eingekauft hat. Soweit die Ruhegeldzahlungen der X-AG auf dieser Einmalzahlung des Klägers beruhen, liegen keine Bezüge aus früheren Dienstleistungen i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor.

Bei der Zahlung des Betrags von 58.012 DM an die X-AG handelt es sich um eine Leistung des Klägers aus seinem eigenen Vermögen. Denn der Kläger hatte einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer auf Zahlung der Lebensversicherung erhalten. Soweit die X-AG Beiträge zu der befreienden Lebensversicherung des Klägers geleistet hat, sind diese Leistungen der X-AG dem Kläger im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Zahlung für seine gegenwärtigen Dienstleistungen zugeflossen. Der vollständige Anspruch aus der Lebensversicherung ist damit der Vermögenssphäre des Klägers zuzurechnen.

Den somit aus seinem eigenen Vermögen aufgewendeten Betrag von 58.012 DM hat der Kläger erbringen müssen, um das Ruhegeld ungekürzt in der tatsächlich zur Auszahlung gelangten Höhe zu erhalten. Denn ohne den Abschluß der befreienden Lebensversicherung wäre die Sozialversicherungsrente des Klägers bei der BfA höher ausgefallen. Diese Rente wäre dem Kläger aber nach § 1 Abs. 2 Buchst. b des 3. Nachtragsvertrages auf das Ruhegeld angerechnet worden. Hätte sich der Kläger statt der Kapitalisierung der befreienden Lebensversicherung für deren Verrentung entschieden, hätte er sich nach dem Beschluß der Vorstands- und Direktionssitzung vom 23. Januar 1968 die Rente aus der Lebensversicherung in Höhe von jährlich 15 v. H. auf die betrieblichen Versorgungsbezüge anrechnen lassen müssen.

2. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang im Schätzungsweg gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO, § 162 der Abgabenordnung - AO 1977 - (vgl. BFH in BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062) zu entscheiden haben, zu welchem Anteil das im Streitjahr gezahlte Ruhegeld als Ertrag der vorgenannten Beiträge aus dem eigenen Vermögen des Klägers zu beurteilen und den Einkünften i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zuzuordnen ist, und zu welchem Anteil es sich um Versorgungsbezüge i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG handelt. Es wird zu entscheiden haben, ob die Schätzung nur durch Einholung eines versicherungsmathematischen Gutachtens oder ob sie auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der X-AG entsprechend den vom Kläger im bisherigen Verfahren bereits aufgezeigten Grundsätzen erfolgen kann oder auf sonstige Weise vorzunehmen ist.