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  BFH-Urteil vom 15.10.1996 (IX R 10/95) BStBl. 1997 II S. 178

Beauftragt der Steuerpflichtige einen Dritten mit dem Erstellen seiner Steuererklärung und unterzeichnet er diese anschließend unbesehen "blind", ist er an den darin enthaltenen Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung nach § 52 Abs. 21 Satz 3 EStG gebunden.

EStG § 21 Abs. 2, § 52 Abs. 21.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1995, 1028)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), in den Streitjahren (1987 bis 1989) zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, ermittelten bis zum Veranlagungszeitraum 1986 den Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus gemäß § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Ansatz eines Mietwertes und Abzug der Werbungskosten. Im Streitjahr 1987 erklärten die Kläger nur noch die auf die vermietete Wohnung entfallende Miete und Werbungskosten. Für die selbstgenutzte Wohnung sind in Anlage V der Steuererklärung - im Gegensatz zum Vorjahr - weder ein Mietwert noch Werbungskosten berücksichtigt. Gleichzeitig ist in den Zeilen 7 und 8 der Anlage V der Text "Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab 1. 1. 1987 wird unwiderruflich beantragt" angekreuzt. Dies geschah - ohne Rückfrage oder Information der Kläger - durch einen Mitarbeiter des mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragten steuerlichen Beraters. Die Kläger unterschrieben die vorgefertigte Einkommensteuererklärung, ohne sie vorher durchzusehen, "blind".

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) führte die Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres insoweit erklärungsgemäß durch. Nach einem Hinweis ihres neuen steuerlichen Beraters auf die Folgen der Wahl der Konsumgutlösung begehrten die Kläger im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 vom 24. Juli 1989 - ohne Erfolg -, für die selbstgenutzte Wohnung weiterhin negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 1028 veröffentlichten Zwischenurteil statt. Die Kläger seien wegen eines Erklärungsirrtums entsprechend § 119 Abs. 1 2. Alternative des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berechtigt, den Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung zurückzunehmen.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 52 Abs. 21 Satz 3 EStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Zwischenurteils.

Die Vorentscheidung verletzt § 52 Abs. 21 Satz 3 EStG. Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, der Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung sei von den Klägern wirksam zurückgenommen worden.

1. Ein Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus nach § 21 Abs. 2 und § 21a EStG ist grundsätzlich letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzusetzen (§ 52 Abs. 21 Satz 1 EStG). Haben bei einer Wohnung im eigenen Haus bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten oder die Betriebsausgaben vorgelegen, so ist § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG für die folgenden Veranlagungszeiträume, in denen diese Voraussetzungen vorliegen, bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1998 weiter anzuwenden (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG). Der Steuerpflichtige kann aber für einen Veranlagungszeitraum nach dem Veranlagungszeitraum 1986 unwiderruflich beantragen, daß § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG ab diesem Veranlagungszeitraum nicht mehr angewendet wird (§ 52 Abs. 21 Satz 3 EStG).

Der Antrag, den Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung nicht mehr zu besteuern, wird - als Willenserklärung - in entsprechender Anwendung des § 130 BGB mit dem Zugang beim FA wirksam. Von diesem Zeitpunkt an ist er unwiderruflich und kann auch durch Einlegen eines Rechtsbehelfs nicht wieder beseitigt werden (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410).

2. Der Senat kann offenlassen, ob ein Steuerpflichtiger seinen dem FA zugegangenen Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung entsprechend §§ 119 f. BGB wegen eines Willensmangels anfechten kann (vgl. zur Berichtigung von Steuererklärungen wegen Irrtums, z. B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Vor § 149 AO Tz. 5, m. w. N.). Die Voraussetzungen für eine solche Anfechtung sind im Streitfall nicht gegeben. Die Kläger haben ihren ehemaligen steuerlichen Berater, d. h. einen Dritten, damit beauftragt, eine von ihnen abzugebende Erklärung - die Steuererklärung für das Streitjahr 1987 - anzufertigen; wenn sie diese anschließend unbesehen "blind" unterschreiben, müssen die Kläger auch den vom Dritten erstellten Inhalt einer in der Steuererklärung enthaltenen Willenserklärung gegen sich gelten lassen, ohne diese nach §§ 119 f. BGB wegen eines Willensmangels anfechten zu können; sie sind vielmehr an diese Erklärung gebunden (vgl. allgemein zu Willenserklärungen, MünchKomm - Kramer, 3. Aufl., § 119 Rdnr. 42, m. w. N.). Zum gleichen Ergebnis führt die Erwägung, daß niemand seine Stellung im Rechtsverkehr dadurch verbessern darf, daß er Dritten die Wahrnehmung seiner Interessen oder die Erfüllung seiner Verpflichtungen überläßt und damit seinen Risikobereich ausweitet. Verfährt er so, muß er sich - auch im Rahmen eines Steuerrechtsverhältnisses - das Wissen und Verhalten des für ihn Tätigen zurechnen lassen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. November 1990 X R 143/88, BFHE 163, 329, BStBl II 1991, 325, unter 3.).

3. Mit der Aufhebung des Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor Erlaß des Zwischenurteils bestanden hat, ohne daß es einer förmlichen Zurückverweisung bedarf.

4. Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das FG im Endurteil zu entscheiden (BFH-Urteil vom 15. November 1995 X R 12/95, BFH/NV 1996, 603, unter III.).