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  BFH-Urteil vom 13.8.1996 (IX R 11/95) BStBl. 1997 II S. 197

Der Eigentümer eines selbstgenutzten Wohnhauses auf übergroßer Grundstücksfläche kann in Veranlagungszeiträumen nach 1986 aufgrund der sog. großen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG) die Nutzungswertbesteuerung in den durch das bisherige Recht gezogenen Grenzen fortführen.

EStG § 21 Abs. 2, § 21a Abs. 6, § 52 Abs. 21.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1996, 755)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines selbstgenutzten Einfamilienhauses, dessen Grundstück größer als das Zwanzigfache der bebauten Fläche ist. Im Jahre 1986 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin aus dem Einfamilienhaus nach § 21a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

In der gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1987 setzte das FA im Zusammenhang mit dem Einfamilienhaus keine Vermietungseinkünfte mehr an, sondern erfaßte nur gemäß § 52 Abs. 21 Sätze 4 und 6 EStG einen den erhöhten Absetzungen i. S. von § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) entsprechenden Betrag in Höhe von 2.795 DM wie Sonderausgaben.

Die Klägerin beantragte, die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 zu ändern und bei dem Einfamilienhaus mit übergroßer Grundstücksfläche nach der sog. großen Übergangsregelung gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ohne Ansatz eines Mindestnutzungswertes i. S. von § 21a Abs. 6 2. Halbsatz EStG zu berücksichtigen, da § 21a EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1986 außer Kraft getreten sei.

Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf § 21a Abs. 6 2. Halbsatz EStG ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 755 abgedruckten Entscheidung die Ansicht, die Nutzungswertermittlung nach § 21a Abs. 6 EStG sei keine Einnahme-Überschußrechnung i. S. von § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG, sondern eine pauschale Nutzungswertermittlung nach den Grundsätzen des § 21a EStG, bei der die sog. große Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG nicht anwendbar sei.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 1987 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zwar sind im Streitjahr entgegen der Ansicht des FG für das Einfamilienhaus negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen. Diese betrugen jedoch allenfalls 2.795 DM, so daß wegen der in gleicher Höhe zu Unrecht wie Sonderausgaben abgezogenen Beträge die Einkommensteuer nicht zu hoch festgesetzt worden war.

1. Gemäß § 52 Abs. 21 Satz 1 EStG sind § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG und § 21a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Haben allerdings bei einer Wohnung im eigenen Haus bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen, so ist § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG für die folgenden Veranlagungszeiträume, in denen diese Voraussetzungen vorliegen, weiter anzuwenden (sog. große Übergangsregelung; vgl. § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG). Entscheidend ist, daß der Nutzungswert für das Jahr 1986 bei zutreffender Anwendung des Gesetzes durch eine Einnahme-Überschußrechnung zu ermitteln war (Senatsurteil vom 22. März 1994 IX R 78/92, BFH/NV 1995, 99) und in dem späteren Veranlagungszeitraum nach dem bis 1986 geltenden Recht ein Nutzungswert als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten anzusetzen ist (Senatsurteil vom 14. Februar 1995 IX R 74/92, BFH/NV 1995, 1051).

2. Im Streitfall liegen entgegen der Auffassung des FG die Voraussetzungen für die Anwendung der sog. großen Übergangsregelung vor. Die Nutzungswertermittlung nach § 21a Abs. 6 EStG ist eine Einnahme-Überschußrechnung i. S. des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG, wie sich aus der Auslegung dieser Vorschrift ergibt. § 21a Abs. 6 1. Halbsatz EStG schließt die Anwendung des § 21a Abs. 1 bis 5 EStG ausdrücklich aus. Hieraus folgt, daß die Einkünfte nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Weise zu ermitteln sind, daß der zu schätzenden Rohmiete die nachgewiesenen Werbungskosten gegenüberzustellen sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92, BFHE 174, 51, 53, BStBl II 1995, 98, und vom 2. Oktober 1979 VIII R 218/77, BFHE 129, 29, BStBl II 1980, 38). Gemäß § 21 Abs. 6 2. Halbsatz EStG ist zwar mindestens der Nutzungswert anzusetzen, der sich nach den Absätzen 1 bis 5 ergeben würde, wenn die gesamte Fläche des Grundstücks nicht größer als das Zwanzigfache der bebauten Grundfläche wäre. Der Wortlaut des Gesetzes ist jedoch dahin zu verstehen, daß es sich dabei nur um eine Vergleichsrechnung im Rahmen der Einnahme-Überschußrechnung i. S. von § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG handelt. Eine pauschale Nutzungswertermittlung i. S. von § 21a EStG liegt nicht vor. § 21a Abs. 6 2. Halbsatz EStG schreibt nicht wie § 21a Abs. 1 EStG einen der Höhe nach bestimmten Nutzungswert vor, sondern legt nur eine Mindestgröße fest. Von diesen Erwägungen ging auch die Rechtsprechung zu § 4 der Einfamilienhaus-Verordnung (EinfHausV), dem Vorläufer des § 21a Abs. 6 EStG, aus. Danach waren die Vorschriften der EinfHausV auf Einfamilienhäuser mit übergroßer Grundstücksfläche nur insoweit anwendbar, als mindestens - nicht höchstens - deren Ergebnisse zugrunde gelegt werden mußten (vgl. BFH-Urteile vom 25. April 1972 VIII R 138/70, BFHE 106, 57, BStBl II 1972, 759, und in BFHE 129, 29, BStBl II 1980, 38). Die Berechnung nach der EinfHausV diente lediglich der Prüfung, ob der ohne Anwendung der EinfHausV ermittelte Betrag niedriger war als der Mindestbetrag.

3. Die Klägerin kann die Nutzungswertbesteuerung gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG nur in den vom bisherigen Recht gezogenen Grenzen fortführen.

a) Die sog. große Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG wurde aus Gründen des Vertrauensschutzes in das Gesetz aufgenommen. Die Inhaber von Wohnungen im eigenen Haus sollten nicht übergangslos den für sie nachteiligen Folgen der Konsumgutlösung unterworfen werden (vgl. Senatsurteile vom 25. Januar 1994 IX R 143/90, BFHE 174, 133, BStBl II 1994, 457, und vom 14. Februar 1995 IX R 66/94, BFHE 177, 99, BStBl II 1995, 412, und in BFH/NV 1995, 1051). Vielmehr sollte ihnen im Hinblick darauf, daß dem Eigenheimbau oder -erwerb regelmäßig längerfristige Liquiditätsrechnungen unter Einbeziehung der steuerlichen Entlastungen zugrunde gelegt werden, für einen Übergangszeitraum von 12 Jahren die Möglichkeit eingeräumt werden, sich steuerlich so behandeln zu lassen wie vor der Einführung der Konsumgutlösung zum 1. Januar 1987 (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums, BTDrucks 10/3633, S. 11). Eine steuerliche Besserstellung gegenüber der bisherigen Rechtslage war nicht bezweckt. Dieser gesetzgeberischen Absicht ist bei der Auslegung und Anwendung der sog. großen Übergangsregelung Rechnung zu tragen.

b) Im Streitjahr ist damit als Ergebnis der Einnahme-Überschußrechnung i. S. von § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG allenfalls ein Nutzungswert in Höhe des bisher maßgeblichen Mindestnutzungswertes (vgl. § 21a Abs. 6 2. Halbsatz EStG a. F.) anzusetzen. Dieser ist jedenfalls nicht höher als die bereits - zu Unrecht - gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 f. EStG wie Sonderausgaben berücksichtigten erhöhten Absetzungen nach § 82a EStDV.