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  BFH-Urteil vom 8.11.1996 (VI R 65/94) BStBl. 1997 II S. 207

Wird ein ausländischer Arbeitnehmer unbefristet an einen Arbeitsort im Inland versetzt, zieht er mit seiner Familie dorthin um und dauert der Aufenthalt im Inland viele Jahre bis zum Erreichen der Pensionsgrenze, so steht dem Abzug der Kosten für den Rückumzug ins Heimatland die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG entgegen.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1; Auslandsumzugskostenverordnung § 19 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1994, 347)

Sachverhalt

Der 1924 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau (Klägerin und Revisionsbeklagte) sind Schweizer Staatsbürger. Anläßlich seiner Versetzung durch den Arbeitgeber (X-AG, Schweiz) an ein deutsches Tochterunternehmen zog der Kläger mit seiner Familie 1969 in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Mit Ablauf des Streitjahres 1986 schied er aus Altersgründen aus den Diensten seines Arbeitgebers aus und zog noch im Streitjahr in die Schweiz zurück. Die pauschal ermittelten Umzugskosten in Höhe von 5.826,50 DM machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug dieser Aufwendungen ab, da die Kosten nicht im Zusammenhang mit inländischen Einkünften stünden.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 347 veröffentlichten Gründen im wesentlichen statt.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Dazu führt es u. a. aus: Der Rückumzug in die Schweiz sei nicht durch die Tätigkeit im Inland veranlaßt; er beruhe auf privaten Motiven. Hieran ändere der Einwand der Kläger nichts, sie hätten ihr Eigenheim in der Schweiz nicht veräußert, um nach Eintritt des Ruhestandes dorthin zurückkehren zu können. Die Tatsache, daß jemand eine Immobilie über einen Zeitraum von 17 Jahren vorhalte, ohne diese selbst zu nutzen, sondern diese vermiete, lege den Schluß nahe, daß diese Immobilie als Einkunftsquelle und/oder als Kapitalanlage benutzt werde. Eine von vornherein beabsichtigte Rückkehr lasse sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Selbst wenn die Kläger von einer möglichen Rückkehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die Schweiz ausgegangen wären, spräche schon der lange Aufenthalt in der Bundesrepublik von insgesamt 17 Jahren gegen einen endgültigen Rückumzugsentschluß schon beim Zuzug in die Bundesrepublik. Während eines so langen Zeitraums werde eine Vielzahl sozialer Kontakte aufgebaut, so daß ein Rückumzug regelmäßig einer zweiten Entscheidung bedürfe, deren Ergebnis beim Zuzug noch nicht abzusehen sei. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser habe im Urteil vom 4. Dezember 1992 VI R 11/92 (BFHE 170, 129, BStBl II 1993, 722) zum Ausdruck gebracht, daß ein ausländischer Arbeitnehmer nur bei einer befristeten Versetzung ins Inland die Aufwendungen für den späteren Rückumzug ins Ausland als Werbungskosten abziehen könne. Die Auffassung des FG, wonach die Tätigkeit des Klägers im Inland zumindest durch den Eintritt des Ruhestandes befristet gewesen sei, stehe mit der vorbezeichneten Rechtsprechung nicht im Einklang. Eine solche Befristung würde auf jeden erwerbstätigen Steuerpflichtigen zutreffen. Die Auffassung des FG würde die vom BFH entwickelte Unterscheidung zwischen befristeter und unbefristeter Versetzung überflüssig machen.

Die Kläger treten der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen. Weiter führen sie aus, der Werbungskostenabzug müßte zumindest dann anerkannt werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles davon auszugehen sei, daß der Rückumzug in das Ausland von vornherein beabsichtigt gewesen sei, auch wenn die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung zu keinem Zeitpunkt erfüllt gewesen seien. In diesem Fall sei der Rückumzug in das Ausland durch den Zuzug in das Inland wirtschaftlich in dem Sinne veranlaßt, daß der Rückumzug lediglich die Folgen des Zuzugs beseitige. Dieses habe der BFH in den Urteilen vom 29. April 1992 VI R 146/89 (BFHE 167, 446, BStBl II 1992, 667) und in BFHE 170, 129, BStBl II 1993, 722 als maßgeblich angesehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Das FG hat zu Unrecht die Aufwendungen des Klägers für den Rückumzug in sein Heimatland als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt. Der Senat hat durch Urteil in BFHE 170, 129, BStBl II 1993, 722 entschieden, daß die Rückumzugskosten eines für eine von vornherein bestimmte Zeit in das Inland versetzten ausländischen Arbeitnehmers durch die Erzielung inländischer Einkünfte veranlaßt und als Werbungskosten anzuerkennen sind. Entscheidender Gesichtspunkt war, daß der Rückumzug die Beseitigung der beruflich bedingten Wohnsitzveränderung war, welcher die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen erst ermöglicht hatte (vgl. auch das Urteil des Senats vom 12. Januar 1990 VI R 29/86, BFHE 159, 341, BStBl II 1990, 423, zur Beurteilung der Kosten für die Rückfahrt zur Fortsetzung eines aus betrieblichen Zwängen unterbrochenen Urlaubs). Bei einem auf vorübergehende Zeit versetzten Arbeitnehmer ist der Zusammenhang des Rückumzuges mit der bisherigen Einkunftserzielung offenkundig. Dies ist hingegen nicht der Fall, wenn ein Arbeitnehmer unbefristet an einen anderen Arbeitsort versetzt wird, dorthin umzieht und der Aufenthalt an diesem Arbeitsort viele Jahre bis zum Erreichen der Pensionsgrenze andauert. In einem derartigen Fall dient der Rückumzug nicht lediglich der Folgenbeseitigung einer berufsbedingt eingetretenen Veränderung der Wohnsituation. Vielmehr hängt der Rückumzug nach Eintritt des Pensionsalters mit der Entscheidung über die weitere Lebensplanung zusammen. Diese Entscheidung wird freiwillig getroffen und steht zur früheren beruflich bedingten Wohnsitznahme am Arbeitsort allenfalls in einem entfernten Zusammenhang. In einem derartigen Fall treffen private und berufliche Umstände bzw. Erwägungen zusammen, so daß die Umzugskosten in nicht nur völlig untergeordnetem Umfang durch die private Lebensführung veranlaßt sind (§ 12 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Unerheblich ist, daß nach § 19 Abs. 1 Satz 1 der Auslandsumzugskostenverordnung einem Berechtigten mit Dienstort im Ausland, der in den Ruhestand tritt, eine Umzugskostenvergütung für einen Umzug nach einem Ort seiner Wahl im Inland zuzusagen ist. Diese dienstrechtliche Bestimmung hat nicht zur Folge, daß die von einem Arbeitnehmer selbst getragenen Umzugskosten zum Werbungskostenabzug zuzulassen sind. Die steuerrechtliche Entscheidung hängt wesentlich von der Frage ab, ob die zu beurteilenden Aufwendungen auch die private Lebensführung berühren (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17). Ist diese Frage wie im Streitfall zu bejahen, so steht die Vorschrift des § 12 EStG dem Werbungskostenabzug entgegen.

Da die Vorentscheidung von anderen Erwägungen ausgegangen ist, war sie aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der unbefristet versetzte Kläger hat mit seiner Familie rd. 17 Jahre bis zu seiner Pensionierung im Inland gelebt. Unter diesen Umständen stellt sich der Rückumzug ungeachtet der Tatsache, daß die Kläger ihren Wohnsitz im Ausland als Zweitwohnsitz beibehalten haben, als eine Entscheidung der weiteren privaten Lebensgestaltung dar. Damit scheidet ein Abzug der Umzugskosten als Werbungskosten im Hinblick auf § 12 EStG aus.