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  BFH-Urteil vom 12.9.1996 (IV R 19/95) BStBl. 1997 II S. 234

Im Falle einer unternehmensbezogenen Sanierung können auch solche Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto am steuerfreien Sanierungsgewinn teilhaben, die alsbald nach dem Sanierungszeitpunkt aus der KG ausscheiden. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Unternehmen zunächst mit ihnen fortgeführt werden sollte (Ergänzung zum Senatsurteil vom 18. April 1996 IV R 48/95, BFHE 180, 367, BStBl II 1996, 574).

EStG § 3 Nr. 66.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1995, 832)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) zu 3. betrieb in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ein ...unternehmen.

Im Laufe des Jahres 1976 stellte sich heraus, daß das Unternehmen notleidend war. Gesellschafter waren damals die O Verwaltungs-GmbH (Beigeladene zu 1.) als Komplementärin sowie die Brüder O (Kläger zu 1. und 2.) als Kommanditisten, letztere mit einer Einlage von je 400.000 DM. Die Verluste beliefen sich im Jahre 1975 auf rd. 3.027.000 DM und im Jahr 1976 auf rd. 3.150.000 DM.

Nach vorausgegangenen Verhandlungen gab am 12. Dezember 1976 die X & Co. KG (X-KG), deren Hauptabnehmer die Klägerin zu 3. war, eine "Bereitschaftserklärung" ab, in der sie sich bereit erklärte, an der Sanierung des Unternehmens mitzuwirken. Insbesondere erklärte sie sich bereit, nach einem teilweisen Forderungsverzicht der Gläubiger, selbst oder durch eine von ihr zu benennende Gesellschaft als Gesellschafter in die Klägerin zu 3. einzutreten und eine Bareinlage in Höhe von 2,4 Mio. DM zu leisten. Ferner wollte sie für die zur weiteren Finanzierung des Unternehmens erforderlichen Betriebsmittel sorgen und dafür angemessene Sicherheiten beschaffen. Schließlich erklärte sie sich dazu bereit, die zur Durchführung des Vergleichsverfahrens erforderlichen Beträge zur Verfügung zu stellen und ihre Erklärung durch eine Bürgschaft der A-Bank über 5 Mio. DM abzusichern. Nach Eintritt der X-KG als Gesellschafterin in die Klägerin zu 3. sollte der Gesellschaftsvertrag angepaßt werden und die X-KG das Recht erhalten, einen Geschäftsführer zu bestellen. Die Geschäftsführungsbefugnisse der Brüder O sollten beschränkt werden.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 1976 teilte der Vergleichsverwalter den Gläubigern mit, daß die Klägerin zu 3. ihre Zahlungen eingestellt habe, illiquid und überschuldet sei. Er schlug den Gläubigern vor, einer Vergleichsquote von 50 v. H. zuzustimmen, und wies darauf hin, daß diese Quote durch das Eintreten neuer Gesellschafter unter Zuführung neuen Kapitals und durch eine Bankbürgschaft abgesichert sei.

Der Vergleich wurde von den Gläubigern angenommen und vom Amtsgericht am 5. Januar 1977 bestätigt.

Am 17. Januar 1977 fand eine Versammlung der Gesellschafter der Klägerin zu 3. statt. Die Gesellschafter beschlossen die Herabsetzung der Kommanditeinlagen der Brüder O um je 100.000 DM auf je 300.000 DM. Zugleich stimmten sie dem Eintritt der Y-GmbH (Y) zu. Die Y erklärte ihren Beitritt mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 2,4 Mio. DM. Sie trat als Treuhänderin für die P-GmbH & Co. KG (Beigeladene zu 4. - im folgenden P-KG) auf, eine Tochtergesellschaft der X-KG, die im Dezember 1976 die Bereitschaftserklärung abgegeben hatte. Die Geschäftsführungsbefugnis der Brüder O wurde beschränkt, der Y wurde das Recht eingeräumt, einen Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis zu benennen. Zugleich traten die Brüder O ihre Anteile an der Komplementär-GmbH nach Maßgabe der neuen Beteiligungsverhältnisse, d. h. in Höhe von je 8.000 DM an die Y ab. Die neuen Beteiligungsverhältnisse sollten mit Eintragung ins Handelsregister (6. Juni 1977) gelten, wirtschaftlich jedoch das gesamte Jahr 1977 einschließen.

Bereits mit Telex vom 5. Januar 1977 hatte die X-KG erklärt, in die Klägerin zu 3. eintreten zu wollen.

Am selben Tag wurde der Gesellschaftsvertrag neu gefaßt. Gemäß § 19 dieses Vertrages stand das jeweilige Jahresergebnis so lange den Altgesellschaftern zu, bis deren verbliebene negative Kapitalkonten ausgeglichen waren, jedoch längstens bis zum 31. Dezember 1981.

Mit Verträgen vom 1. Dezember 1977 übertrugen die Brüder O ihre Kommanditeinlagen von je 300.000 DM auf die ... Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (Beigeladene zu 3. - im folgenden V-KG) zum Nennwert und vereinbarten ferner die Übertragung ihrer restlichen Anteile an der Komplementär-GmbH von jeweils 2.000 DM zum Nennwert an die V-KG. Die Übertragungen sollten mit Wirkung auf den 7. Januar 1977 erfolgen. Das aus § 19 des Gesellschaftsvertrages vom 17. Januar 1977 resultierende Sonderergebnisbezugsrecht sollte nunmehr der V-KG zustehen.

Ab dem Jahr 1978 erzielte die Klägerin zu 3. wieder Gewinne, die sich in den Jahren 1978 bis 1981 auf Beträge zwischen 1,28 und 2,88 Mio. DM beliefen.

Den durch den Forderungsverzicht der Gläubiger entstandenen Gewinn in Höhe von 4.581.064 DM behandelte die Klägerin zu 3. in ihrem Jahresabschluß für 1977 als steuerfreien Sanierungsgewinn und verminderte entsprechend die Verlustvortragskonten der Kläger 1. und 2. Den laufenden Verlust des Jahres 1977 rechnete sie mit 3.971 DM der Komplementär-GmbH, mit 5.760 DM der P-KG und im übrigen der V-KG zu. Ferner erklärte sie infolge der Anteilsabtretungen Veräusserungsgewinne der Kläger zu 1. und 2. in Höhe von jeweils 964.405 DM.

Aufgrund einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewinnfeststellungsbescheid 1977 in der Weise, daß er den Sanierungsgewinn nicht als steuerfreien Gewinn behandelte. Das FA vertrat die Auffassung, der Forderungsverzicht sei nicht die einzige Maßnahme gewesen, der die Sanierung zu verdanken sei. Daneben habe es des Eintritts neuer Gesellschafter, der Zuführung neuen Kapitals und der Änderung der Geschäftsführung bedurft.

Da nach seiner Meinung die Verluste des Jahres 1976 der Komplementär-GmbH zuzurechnen waren, rechnete das FA ihr auch den Sanierungsgewinn zu. Die Veräusserungsgewinne der Kläger zu 1. und 2. korrigierte das FA entsprechend den von ihm ermittelten negativen Kapitalkonten.

Nach erfolglosen Einsprüchen gab das Finanzgericht (FG) den hiergegen erhobenen Klagen statt.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts im Zusammenhang mit der Zurechnung des steuerfreien Sanierungsgewinns gerügt wird.

Das FA beantragt sinngemäß,

1. das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als der steuerfreie Sanierungsgewinn den Klägern zu 1. und 2. zugerechnet wird;

2. die Gewinnfeststellung 1977 dahingehend zu ändern, daß der Sanierungsgewinn in voller Höhe (4.581.063,40 DM) der Komplementär-GmbH zugerechnet wird und der anteilige Gewinn der Kommanditisten aus dem Wegfall ihrer negativen Kapitalkonten beim Kläger zu 1. um 2.288.863,76 DM und beim Kläger zu 2. um 2.292.199,64 DM erhöht wird.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zutreffend hat das FG festgestellt, daß es sich bei der durch den gerichtlichen Vergleich vom 5. Januar 1977 entstandenen Betriebsvermögensmehrung um einen steuerfreien Sanierungsgewinn i. S. des § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt.

Insbesondere fehlt es nicht an der Sanierungseignung des Schulderlasses. Auch ein Teilerlaß kann geeignet sein, den Sanierungserfolg zu ermöglichen. Für die Steuerfreiheit ist nicht Voraussetzung, daß der Schulderlaß allein die Überlebensfähigkeit des Unternehmens sicherstellt. Es ist vielmehr unschädlich, wenn weitere Maßnahmen hinzutreten, die - im Zeitpunkt des Schulderlasses erkennbar - eine Sanierung erwarten lassen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. März 1993 III R 79/91, BFH/NV 1993, 536). Als weitere Sanierungsmaßnahme in diesem Sinne kommt - worauf das FG zutreffend hingewiesen hat - auch die Aufnahme neuer Gesellschafter in Betracht (Senatsurteil vom 24. April 1986 IV R 282/84, BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672).

Dieser Punkt ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.

2. Zutreffend hat das FG auch entschieden, daß der steuerfreie Sanierungsgewinn nicht allein der Komplementär-GmbH zuzurechnen ist. Der gegenteiligen Auffassung der niedersächsischen Finanzverwaltung vermag der Senat nicht zu folgen. Er verweist insoweit auf sein Urteil vom 18. April 1996 IV R 48/95 (BFHE 180, 367, BStBl II 1996, 574).

3. Ferner ist dem FG auch darin zuzustimmen, daß der aus dem gerichtlichen Vergleich vom 5. Januar 1977 resultierende Sanierungsgewinn den Klägern zu 1. und 2. und nicht etwa der am 17. Januar 1977 als weitere Kommanditistin aufgenommenen P-KG oder der am 1. Dezember 1977 an Stelle der Kläger zu 1. und 2. eingetretenen V-KG zuzuordnen ist.

a) Wie der Senat im Urteil in BFHE 180, 367, BStBl II 1996, 574 entschieden hat, richtet sich die Zurechnung des Sanierungsgewinns nach der für die Gesellschaft handelsrechtlich gültigen Gewinnverteilungsregelung. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Sanierung, d. h. bei einem gerichtlichen Vergleich die Bestätigung durch das Amtsgericht (Senatsurteile vom 12. Juni 1980 IV R 150/79, BFHE 131, 299, BStBl II 1981, 8; in BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672).

b) Zu diesem Zeitpunkt galt entweder noch die vor Eintritt der P-KG (bzw. der Y als deren Treuhänderin) gültige Gewinnverteilungsregelung, oder es galt die Gewinnverteilungsabrede, wie sie in der Neufassung des Gesellschaftsvertrags vom 17. Januar 1977 enthalten war. Letzteres könnte dann der Fall sein, wenn - worauf das Telex der X-KG hindeutet - bereits am 5. Januar 1977 entsprechende Vereinbarungen getroffen worden sein sollten, die lediglich am 17. Januar 1977 schriftlich fixiert wurden. Es kommt für die Entscheidung jedoch nicht darauf an, welche der beiden Sachverhaltsvarianten zutrifft. Sofern im Zeitpunkt der Sanierung die P-KG (bzw. die Y als deren Treuhänderin) in die Klägerin zu 3. eingetreten sein sollte, ist aus der Sonderabrede für die Gewinnverteilung (§ 19 des neugefaßten Gesellschaftsvertrages) zu folgern, daß - ebenso wie die Jahresergebnisse der ersten fünf Jahre - auch der Sanierungsgewinn vorrangig dem Ausgleich der negativen Kapitalkonten der Kläger zu 1. und 2. dienen sollte. Dem entspricht auch die buch- und bilanzmäßige Behandlung bei der Klägerin zu 3.

c) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, daß die Kläger zu 1. und 2. mit Vertrag vom 1. Dezember des Jahres 1977 aus der Gesellschaft ausgetreten sind und daß dieser Austritt auf den 7. Januar 1977 zurückwirken sollte.

Allerdings ist es zweifelhaft, ob ein Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr. 66 EStG auch einem Kommanditisten steuerfrei zugerechnet werden kann, der im Zeitpunkt des Schulderlasses ausscheidet (Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster vom 27. Juli 1983, Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 15 Nr. 115; Bordewin/Söffing/Brandenberg, Verlustverrechnung bei negativem Kapitalkonto, 2. Aufl., 1986, Rdnr. 39). Es kann insoweit am Erfordernis der Sanierungseignung fehlen; denn einem solchen Kommanditisten wird durch die Sanierung nicht ermöglicht, seine mitunternehmerische Betätigung fortzuführen. Wegen seiner beschränkten Haftung bedarf er auch nicht des Erlasses der Gesellschaftsschulden, um persönlich weiterhin wirtschaftlich existieren zu können (sog. unternehmerbezogene Sanierung, vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784).

Wie bereits ausgeführt, kommt es für die Frage der Sanierungseignung auf die Umstände an, die im Zeitpunkt des Schulderlasses erkennbar sind (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 536). Im Streitfall gingen zu diesem Zeitpunkt (5. Januar 1977) Gläubiger, Alt- und Neugesellschafter übereinstimmend davon aus, daß die Gesellschaft mit den Klägern zu 1. und 2. fortgeführt werden sollte. Eine andere Möglichkeit war zwar erwogen worden, wurde aber nicht in die Tat umgesetzt. Die Beteiligten waren vielmehr - wie aus den Umständen zu schließen ist - übereingekommen, es zunächst mit der weiteren Beteiligung der Altgesellschafter zu versuchen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der vereinbarten Rückwirkung des Vertrages vom 1. Dezember 1977 auf den 7. Januar 1977. Solche Rückwirkungsvereinbarungen sind steuerlich unbeachtlich (Senatsurteil vom 21. Dezember 1972 IV R 194/69, BFHE 108, 495, BStBl II 1973, 389). Zudem lag eine nachträgliche Änderung der Zurechnung des Sanierungsgewinns nicht in der Absicht der Vertragschließenden. Hierfür spricht neben der bereits erwähnten buch- und bilanzmäßigen Behandlung der Umstand, daß die Rückwirkung auf ein zwei Tage nach der gerichtlichen Bestätigung des Vergleichs liegendes Datum vereinbart wurde.

d) Der dem Streitfall zugrundeliegende Sachverhalt ist auch nicht dem vergleichbar, über den der Senat in seinem Urteil vom 23. September 1993 IV R 103/90 (BFH/NV 1994, 468) zu befinden hatte. In jenem Fall sollten "mit Bestätigung des Vergleichs" die Altgesellschafter aus der KG aus- und die Neugesellschafter eintreten. Unter diesen Umständen ist der Senat davon ausgegangen, daß das Unternehmen noch mit dem ungekürzten Bestand an Verbindlichkeiten auf die Neugesellschafter übergegangen ist, so daß ihnen und nicht den Altgesellschaftern der Sanierungsgewinn zuzurechnen war. Dafür sprach auch der Umstand, daß als Kaufpreis für die Anteile der Altgesellschafter ein Betrag in Höhe von 1 v. H. der nominellen Kapitaleinlagen vereinbart worden war, wozu kein Grund bestanden hätte, wenn die Neugesellschafter das sanierte Unternehmen erworben hätten.

Im Streitfall liegen die Dinge in mehrfacher Beziehung anders. Die V-KG als Neugesellschafterin erwarb die Anteile der Kläger zu 1. und 2. zum Nennwert, was darauf hindeutet, daß sie Anteile an dem sanierten Unternehmen erwarb. Als entscheidender Gesichtspunkt kommt hinzu, daß zwar die Sanierung vom Engagement der Unternehmensgruppe K, zu der alle Neugesellschafter gehörten, abhängig war, daß jedoch - wie bereits ausgeführt - zunächst beabsichtigt war, das Unternehmen zusammen mit den Klägern zu 1. und 2. fortzusetzen. Den Altgesellschaftern sollte somit die Möglichkeit gegeben werden, weiterhin als Mitunternehmer Einkünfte zu erzielen sowie den Mitarbeitern und Geschäftspartnern die Möglichkeit zur Einkunftserzielung zu verschaffen. Damit ist der sachlichen Berechtigung für die Steuerbefreiung Rechnung getragen (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 468). Daß der Versuch elf Monate später gescheitert ist, ist für die Zurechnung des steuerfreien Sanierungsgewinns bei den Klägern zu 1. und 2. ebenso unschädlich wie ein späteres Scheitern der Sanierung als solcher für die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns beim gesamten Unternehmen unschädlich gewesen wäre (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 536).