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  BFH-Urteil vom 10.7.1996 (I R 12/96) BStBl. 1997 II S. 253

Bereitstellungszinsen sind keine Entgelte für Dauerschulden i. S. von § 8 Nr. 1 GewStG.

GewStG § 8 Nr. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1996, 447)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Wohnungsbau-GmbH, hatte für Bankdarlehen Bereitstellungszinsen gezahlt, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) als Dauerschuldentgelte i. S. von § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr 1991 maßgeblichen Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 - GewStG - (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) behandelte.

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen den hiernach ergangenen Gewerbesteuer-Meßbescheid 1991 erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 447 wiedergegebenen Gründen statt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung von § 8 Nr. 1 GewStG.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Die Verbindlichkeiten, für die die bezeichneten Entgelte zu zahlen sind (sog. Dauerschulden), sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Gewerbebetriebs wieder hinzuzurechnen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind.

Im Streitfall besteht unter den Beteiligten Einvernehmen darüber, daß die von der Klägerin in Anspruch genommenen Kredite Dauerschulden i. S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG darstellen. Fraglich ist allein, ob die der Bank vor Inanspruchnahme gezahlten Bereitstellungszinsen "Entgelte" i. S. von § 8 Nr. 1 GewStG in der hier anzuwendenden Fassung sind. Dies wird vom Senat verneint.

Entgelte für Schulden sind die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital (Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., § 8 Nr. 1 Rz. 33). In erster Linie sind dies die für die Schulden geleisteten Zinsen im Rechtssinne (§§ 246, 248 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -), zu denen Bereitstellungszinsen nicht gehören (vgl. K. Schmidt in J. von Staudinger"s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 246 Rz. 32; Hopt/Mülbert, ebd., § 607 Rz. 368, m. w. N.). Während sich die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG bis zum Erhebungszeitraum 1990 dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift nach aber hierauf beschränkte, sind seitdem "Entgelte" jedwelcher Art hinzuzurechnen. Im Schrifttum ist allerdings kontrovers, wie dieser Begriff zu verstehen ist. Teilweise wird vertreten, darunter falle nur die für die eigentliche Nutzungsmöglichkeit zu erbringende Gegenleistung im engeren Sinne (so Blümich/Hofmeister, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 8 GewStG Rz. 59; vgl. auch Senatsurteil vom 8. März 1984 I R 31/80, BFHE 141, 158, BStBl II 1984, 623, 625, unter 3.). Andere sind der Auffassung, Entgelte seien alle Aufwendungen, die ohne die Inanspruchnahme von Dauerschulden nicht entstanden wären (so z. B. Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 8 Nr. 1 Rz. 352; Pauka, Der Betrieb - DB - 1988, 2224, 2226; einschränkend Glanegger/Güroff, a. a. O.). Für die Entscheidung des Streitfalls kann diese Kontroverse unentschieden bleiben. Bereitstellungszinsen unterfallen weder nach der einen noch der anderen Ansicht dem Hinzurechnungstatbestand des § 8 Nr. 1 GewStG, weil hierdurch nicht die auch nach der geänderten Gesetzesfassung für die Hinzurechnung maßgebliche Inanspruchnahme von Fremdkapital abgegolten wird, sondern die Zurverfügungstellung und das Bereithalten der erst später auszuzahlender Gelder (vgl. K. Schmidt, a. a. O., § 246 Rz. 32; Hopt/Mülbert, a. a. O., § 607 Rz. 368, m. w. N.). Vor Auszahlung der Darlehensvaluta fehlt es vielmehr noch an einer gesonderten Kapitalschuld i. S. von § 8 Nr. 1 GewStG. Das Fremdkapital wird noch nicht genutzt. Bereitstellungszinsen oder -provisionen stellen deshalb nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich kein Entgelt für die eingegangenen Schulden dar. Sie sind - ohne daß dies vom Senat abschließend zu entscheiden wäre - in Einklang hiermit auch nicht als preisbestimmender Faktor in der Berechnung des sog. Effektivzinses einzubeziehen (vgl. § 4 der Preisangabenverordnung vom 14. März 1985, BGBl I 1985, 580; dazu K. Schmidt, a. a. O., § 246 Rz. 97; Kessler in von Westphalen/Emmerich/Kessler, Verbraucherkreditgesetz, Kommentar, § 4 Rz. 165; a. A. Köhler/Piper, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, § 4 PAngV Rz. 6). Entgelte, die für eine solche aus anderem Rechtsgrund erbrachte Leistung gezahlt werden, sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht hinzuzurechnen. Der mit der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG verbundene Zweck, die weitgehende Gleichstellung von Erträgen aus eigen- und fremdfinanziertem Kapital zu erreichen, würde anderenfalls verfehlt. Insofern hat sich durch die tatbestandliche Neufassung von § 8 Nr. 1 GewStG nichts geändert (ebenso für Bereitstellungszinsen Blümich/Hofmeister, a. a. O., § 8 GewStG Rz. 59; Pauka, DB 1988, 2224, 2226; FG Nürnberg, Urteil vom 9. Dezember 1982 VI 151/80, EFG 1983, 301; vgl. auch Lenski/Steinberg, a. a. O., § 8 Nr. 1 Rz. 353; Abschn. 48 Abs. 1 Satz 8 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1990; a. A. Glanegger/Güroff, a. a. O., § 8 Nr. 1 Rz. 33).