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  BFH-Urteil vom 13.11.1996 (XI R 53/95) BStBl. 1997 II S. 295

Der Bezirksschornsteinfegermeister unterhält einen Gewerbebetrieb.

GewStG § 2 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1995, 900)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Bezirksschornsteinfegermeister. Er nahm im Streitjahr 1989 ... DM an Gebühren ein. Davon entfielen 20,9 % auf Grundgebühren, 57,1 % auf Gebühren für Feuerstättenschauen, Immissionsmessungen usw. und 22 % auf Kehrgebühren. Er gab für 1989 keine Gewerbesteuererklärung ab, weil er sich für nicht gewerbesteuerpflichtig hielt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) schätzte zunächst den gewerbesteuerpflichtigen Gewinn und wies den Einspruch gegen diesen Bescheid als unbegründet zurück. Im Klageverfahren änderte das FA den Gewerbesteuermeßbescheid 1989 durch Bescheid vom 10. September 1992. Dieser Bescheid wurde auf Antrag des Klägers Gegenstand des Klageverfahrens.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es ist der Auffassung, daß der Bezirksschornsteinfeger wegen der überwiegend hoheitlichen Tätigkeit nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 900 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i. V. m. § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Unrecht hat das FG die Tätigkeit des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister nicht als Gewerbebetrieb beurteilt.

Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt jeder inländische stehende Gewerbebetrieb im Sinne des EStG der Gewerbesteuer. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

Der Bezirksschornsteinfegermeister ist selbständig tätig. Er wird zwar von der Verwaltungsbehörde für einen bestimmten Kehrbezirk bestellt (§ 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen - SchfG -) und untersteht deren Aufsicht (§ 26 SchfG). Er übt seine Tätigkeit aber nicht unter der Leitung der Verwaltungsbehörde und nach deren Weisungen aus. Er wird auf eigene Rechnung und Gefahr tätig; er erhält die ihm nach den landesgesetzlichen Kehr- und Überprüfungsgebührenordnungen zustehenden Gebühren (§ 25 Abs. 1 SchfG). Daß sich der Bezirksschornsteinfegermeister nachhaltig und in Gewinnerzielungsabsicht betätigt, bedarf keiner näheren Begründung.

Seine Tätigkeit stellt sich - entgegen der Auffassung des FG - auch als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar. Das Merkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert eine Tätigkeit, die gegen Entgelt an den Markt gebracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851, und vom 24. Januar 1990 X R 44/88, BFH/NV 1990, 798, jeweils m. w. N.).

Der Bezirksschornsteinfegermeister hat eine Doppelstellung. Er ist selbständiger Handwerker gemäß den Vorschriften der Handwerksordnung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 SchfG). Bei der Feuerstättenschau, bei der Bauabnahme und bei Tätigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes sowie der rationellen Energieverwendung nimmt er hingegen öffentliche Aufgaben wahr (§ 3 Abs. 2 Satz 2 SchfG). Die Grundstückseigentümer sind gesetzlich verpflichtet, die Kehr- und Überprüfungsarbeiten entsprechend den landesgesetzlichen Vorschriften durch den zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister vornehmen zu lassen (§ 1 SchfG). Das die Kehrarbeiten betreffende Leistungsverhältnis zwischen Bezirksschornsteinfegermeister und Grundstückseigentümer wird überwiegend dem Privatrecht (Werkvertrag) zugerechnet, während er im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SchfG dem Grundstückseigentümer gegenüber als beliehener Unternehmer hoheitlich tätig wird (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 18. Dezember 1989 8 B 141/89, BVerwGE 84, 244, und Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 10. Juni 1974 III ZR 89/72, BGHZ 62, 372). Die Kehr- und Überprüfungsentgelte sind auch, soweit sie - wie das Entgelt für die Kehrarbeiten - für eine privatrechtliche Leistung gewährt werden, wie öffentlich-rechtliche Gebühren zu behandeln (vgl. Musielak-Cordt- Manke, Schornsteinfegergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 25 Rdnr. 2). Das Entgelt, das der Bezirksschornsteinfegermeister für seine Tätigkeiten erhält, unterliegt der Umsatzsteuer (vgl. § 24 Abs. 2 SchfG). Rückständige Gebühren werden auf Antrag des Bezirksschornsteinfegermeisters von der zuständigen Verwaltungsbehörde nach den Vorschriften der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben (§ 25 Abs. 4 SchfG).

Die Monopolstellung des Bezirksschornsteinfegermeisters stellt die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht in Frage (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1963 IV 236/61 U, BFHE 74, 250, BStBl III 1964, 99). Der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr, d. h. am Leistungs- und Güteraustausch, steht aber auch nicht entgegen, daß der Bezirksschornsteinfegermeister teilweise - nach Feststellungen des FG sogar überwiegend - öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Zwar liegen dieser Tätigkeit keine privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zugrunde, und die Gebühren hierfür haben nicht den Charakter eines privatrechtlich begründeten Entgelts (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 1988 III R 241/84, BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615, und vom 14. Dezember 1978 I R 121/76, BFHE 126, 311, BStBl II 1979, 188). Den in Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben getroffenen Entscheidungen des Bezirksschornsteinfegermeisters kommt aber in der Regel nicht die Qualifikation von Verwaltungsakten zu; Herr des Verfahrens bleibt die für die Genehmigung zuständige Behörde (vgl. Musielak-Cordt-Manke, a. a. O., § 3 Rdnr. 5). Wesentlich ist jedoch, daß er insoweit beliehener Unternehmer ist (vgl. BFH- Urteile vom 30. November 1965 I 157/63 U, BFHE 84, 97, BStBl III 1966, 36, und vom 15. April 1970 I R 107/68, BFHE 99, 31, BStBl II 1970, 517) und als solcher nach dem Gesamtbild der Verhältnisse am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Der Bezirksschornsteinfegermeister gehört kraft Gesetzes als Gewerbetreibender dem Handwerk an (§ 3 Abs. 2 Satz 1 SchfG). Wie andere Handwerker bildet er Lehrlinge aus (§ 16 SchfG), beschäftigt Mitarbeiter und überwacht die Arbeit seiner Gesellen und Lehrlinge (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 SchfG). Der Bezirksschornsteinfegermeister ist für den Grundstückseigentümer ein Handwerker, dessen Dienste er von Zeit zu Zeit in Anspruch nehmen muß. Ob er für diesen auf privatrechtlicher Grundlage kehrt oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage Überprüfungsarbeiten vornimmt, hat zwar haftungsrechtliche Auswirkungen (vgl. BGH in BGHZ 62, 372). Nach außen stellen sich die Tätigkeiten des Bezirksschornsteinfegermeisters aber jede für sich als Ausübung seines Handwerks dar. Dem entspricht es, daß die Grundgebühr, die für jedes selbständige Gebäude erhoben wird, sich sowohl auf die Kehrtätigkeit wie auch auf die hoheitliche Tätigkeit bezieht. Sie dient der Abgeltung derjenigen Kosten, die dem Bezirksschornsteinfegermeister ohne Rücksicht auf die einzelnen Kehr- und Überprüfungsarbeiten erwachsen (Musielak-Cordt-Manke, a. a. O., § 24 Rdnr. 5). Grundgebühr, Kehrgebühr und Überprüfungsgebühren werden zudem nach bestimmten Arbeitswerten bemessen, ohne daß zwischen der Tätigkeit auf privatrechtlicher und auf öffentlich-rechtlicher Grundlage unterschieden würde (vgl. Verordnung über die Gebühren und Auslagen der Bezirksschornsteinfegermeister vom 11. Dezember 1989, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1989, 417). Unabhängig von der Art der Tätigkeit werden die Gebühren auch gleichermaßen durch Erteilung einer Empfangsbescheinigung eingezogen oder es wird über sie - auf Verlangen des Grundstückseigentümers - eine Rechnung ausgestellt (§ 25 Abs. 3 SchfG). Dem folgt die Beitreibung durch die Verwaltungsbehörde, die nicht auf die öffentlich-rechtliche Gebühr beschränkt ist (§ 25 Abs. 4 SchfG).

Da das FA zu Recht gegen den Kläger als Gewerbetreibenden einen Gewerbesteuermeßbescheid erlassen hat, war die Klage abzuweisen.