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  BFH-Urteil vom 15.10.1996 (IX R 2/93) BStBl. 1997 II S. 325

Wird ein Gebäude in der Absicht erworben, einen erweiternden Umbau durchzuführen, bei dem die tragende Bausubstanz erhalten werden soll, und erweist sich die Bausubstanz erst nach Beginn der Umbauarbeiten als so schlecht, daß das Bauvorhaben nur durch Totalabriß und anschließenden Neubau verwirklicht werden kann, gehören die Abbruchkosten und der Restwert des abgerissenen Gebäudes nur insoweit zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes, als sie auf Gebäudeteile entfallen, die bei Durchführung des im Erwerbszeitpunkt geplanten Umbaus ohnehin hätten entfernt werden sollen. Der - ggf. im Wege der Schätzung zu ermittelnde - übrige Teil der Abbruchkosten und des Gebäuderestwerts ist als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 7 Abs. 1 letzter Satz, § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie erklärten für das Streitjahr 1983 negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für ein Hausgrundstück, das die Klägerin Anfang 1983 erworben hatte. Die Kläger hatten ursprünglich geplant, das Gebäude, das sich nach der damaligen Ansicht der Bauleitung in gutem Zustand befand und voll funktionsfähig war, in eine Hauptwohneinheit und eine Einliegerwohnung umzubauen. An das bestehende Gebäude sollte nach drei Seiten hin angebaut werden. Ferner war eine neue Dachkonstruktion geplant. Nachdem bereits 10 v. H. der geplanten Umbauarbeiten durchgeführt waren, erwies sich die Bausubstanz des Gebäudes als derart schlecht, daß die Bauleitung im Juni 1983 eine Gewährleistung für die fortzuführenden Arbeiten nicht mehr übernehmen wollte. Daraufhin entschlossen sich die Kläger, das erworbene Gebäude abzubrechen und ein neues Gebäude zu errichten.

In ihrer Einkommensteuererklärung machten sie erfolglos Abbruchkosten für das erworbene Gebäude in Höhe von 70.000 DM und Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) in Höhe des Restwerts des Gebäudes von 475.000 DM als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete demgegenüber die strittigen Kosten den Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes zu. Den Wert des abgebrochenen Gebäudes bezifferte das FA mit 307.192 DM.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der Kläger blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die strittigen Aufwendungen seien Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes, weil sich das von den Klägern bei Erwerb des Grundstücks beabsichtigte Bauvorhaben schließlich nur durch einen Abriß des gesamten Gebäudes und einen anschließenden Neubau habe verwirklichen lassen. Der Abbruch sei Voraussetzung der geplanten Neugestaltung des Grundstücks geworden.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 7 Abs. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1983 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 545.000 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der während des Revisionsverfahrens erlassene geänderte Einkommensteuerbescheid 1983 vom 26. März 1996 ist auf Antrag der Kläger gemäß §§ 121, 123 Satz 2 i. V. m. § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat die strittigen Abbruchkosten und den Restwert des abgebrochenen Gebäudes zu Unrecht in vollem Umfang als Herstellungskosten des von den Klägern später neu errichteten Gebäudes beurteilt.

1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Abs. 4 Satz 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können bei Gebäuden AfaA vorgenommen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seit dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) sind beim Abbruch eines im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäudes die Voraussetzungen einer AfaA in Höhe des Restwerts des Gebäudes und des Abzugs der Abbruchkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung allerdings nur dann erfüllt, wenn das Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben worden ist. Wird ein Gebäude nach dem Erwerb teilweise abgebrochen und umgebaut, so kommen dementsprechend AfaA für Gebäudeteile in Betracht, die anläßlich des Umbaus entfernt werden, sofern beim Erwerb keine Umbauabsicht bestand, diese Teile einen abgrenzbaren Niederschlag in den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gefunden haben und ihr Wert nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist; dabei entspricht der Wert eines entfernten Gebäudeteils dem auf ihn entfallenden Anteil an der AfaA-Bemessungsgrundlage (Senatsurteil vom 10. Mai 1994 IX R 26/89, BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902). Demgegenüber wird bei einer bereits beim Erwerb des Gebäudes bestehenden Abbruchabsicht das weiterreichende Ziel, nämlich die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts, verfolgt, so daß der Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zuzurechnen sind (vgl. Senatsurteile vom 4. Dezember 1984 IX R 5/79, BFHE 142, 477, BStBl II 1985, 208; vom 20. April 1993 IX R 122/88, BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504; in BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902, und BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 X R 116/91, BFHE 179, 331, BStBl II 1996, 358). Wird ein Gebäude in der Absicht erworben, es teilweise abzubrechen und anschließend grundlegend umzubauen, sind der anteilige Restwert der abgebrochenen Gebäudeteile und die Abbruchkosten keine sofort abziehbaren Werbungskosten, sondern Teil der Herstellungskosten des neu gestalteten (umgebauten) Gebäudes (Senatsurteil in BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504).

Diese Rechtsgrundsätze hat der erkennende Senat auch auf alle Fälle übertragen, in denen der Steuerpflichtige ein technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchtes Gebäude in der Absicht erwirbt, es unter nahezu völliger Aufgabe der vorhandenen Bausubstanz umzugestalten, und es dann innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb abreißen und einen Neubau errichten läßt. Denn auch hier besteht ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Aufgabe der wesentlichen Bausubstanz des erworbenen Gebäudes als Voraussetzung für die Errichtung des neuen Gebäudes (Senatsurteil in BFHE 142, 477, 479, BStBl II 1985, 208).

Eine Abbruchabsicht in diesem Sinne ist auch dann zu bejahen, wenn der Erwerber beim Erwerb des Gebäudes den schlechten baulichen Zustand kannte und für den Fall der Undurchführbarkeit des geplanten Umbaus den Abbruch des Gebäudes billigend in Kauf genommen hatte (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 1965 IV 61/62 U, BFHE 82, 207, BStBl III 1965, 320, und Senatsurteil in BFHE 142, 477, 480, BStBl II 1985, 208).

2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Unrecht sämtliche Abbruchkosten und den gesamten Restwert des abgebrochenen Gebäudes den Herstellungskosten zugerechnet.

a) Mit der Erwägung, das von den Klägern bei Erwerb des Grundstücks beabsichtigte Bauvorhaben habe sich schließlich nur durch einen Abriß und einen anschließenden Neubau verwirklichen lassen, der Abbruch sei Voraussetzung der geplanten Neugestaltung geworden, stellt das FG im Gegensatz zu den vom Großen Senat in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 aufgestellten Grundsätzen nicht auf die Absicht im Zeitpunkt des Erwerbs ab. Beim Erwerb hatten die Kläger nach den unangefochtenen und den Senat damit bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) tatsächlichen Feststellungen des FG nicht die Absicht, das Gebäude völlig abzureißen, sondern es - nach einem erweiternden Umbau - zu Wohnzwecken zu nutzen. Im Gegensatz zum Sachverhalt des Senatsurteils in BFHE 142, 477, BStBl II 1985, 208 war der von den Klägern geplante Umbau nicht darauf gerichtet, das Gebäude unter nahezu völliger Aufgabe der vorhandenen Bausubstanz umzugestalten, so daß diese Veränderungen einem Totalabriß gleichzusetzen wären. Nach den vom FG in Bezug genommenen Bauplänen sollte das erworbene Gebäude durch Anbau nach drei Seiten erheblich erweitert werden. Die tragende Bausubstanz des erworbenen Gebäudes (Fundamente und tragende Außenwände) sowie die Raumaufteilung des erworbenen Gebäudes sollten als Kern des geplanten erweiterten Gebäudes im wesentlichen erhalten bleiben. Nach den Feststellungen des FG haben die Kläger auch nicht beim Erwerb des Gebäudes dessen schlechte Bausubstanz gekannt und mit einem möglichen Abbruch gerechnet; der schlechte Zustand des Hauses stellte sich erst heraus, nachdem mit den Umbauarbeiten begonnen worden war.

b) Nach den Grundsätzen der Senatsurteile in BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504 und in BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902 gehören vielmehr die Abbruchkosten und der Restwert des abgerissenen Gebäudes nur insoweit zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes, als sie auf Gebäudeteile entfallen, die bei Durchführung des im Erwerbszeitpunkt geplanten Umbaus ohnehin hätten entfernt werden sollen. Hinsichtlich dieser Gebäudeteile bestand beim Erwerb bereits Teilabbruchabsicht. Der übrige Teil der strittigen Abbruchkosten und des Gebäuderestwerts ist als Werbungskosten abziehbar.

3. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht, keine Feststellungen über die zwischen den Beteiligten strittige Höhe des Restwerts des erworbenen Gebäudes getroffen. Diese Feststellungen sind nunmehr nachzuholen. Ferner sind die Abbruchkosten und der Gebäuderestwert nach den vorstehenden Maßstäben im Wege der Schätzung in Herstellungskosten und sofort abziehbare Werbungskosten aufzuteilen.